Die öffentliche Empörung und mediale Berichterstattung über zahlreiche Steuervermeidungs- und -hinterziehungsstrategien von Vermögenden und internationalen Konzernen der letzten Jahre haben den Druck auf die europäische und internationale Politik erhöht, Steuerbetrug wirksamer als bisher zu bekämpfen. Die bevorstehende Aufhebung des Bankgeheimnisses in Österreich für SteuerinländerInnen und –ausländerInnen ist ein Ergebnis dieser Entwicklung.
„Das Bankgeheimnis ist tot“, verkündete Algirdas Šemeta, damaliger EU-Steuerkommissar im Oktober 2014. Gerade hatten sich die FinanzministerInnen der Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, ein europäisches Gesetz zur Amtshilfe der Steuerbehörden zu verschärfen. Bereits im Frühjahr hatte Österreich endlich einer Verschärfung der Europäischen Zinsrichtlinie zugestimmt, deren Einigung Luxemburg und Österreich über Jahre hinweg mit Verweis auf ihr Bankgeheimnis blockiert haben. Somit wird das Bankgeheimnis für AusländerInnen ab 2017 de facto abgeschafft.
Auch das Bankgeheimnis für SteuerinländerInnen ist bald Geschichte. Im Zuge der aktuellen Steuerreformpläne der Regierung findet sich im Ministerratsbeschluss der harmlos klingende Satz, dass eine „Konteneinsichtsnahme – wie international üblich – durch die Finanzbehörden zukünftig möglich [sein soll]“.
Für die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen und VerbraucherInnen ist das eine gute Nachricht: Das intransparente Bankgeheimnis erleichtert Steuerbetrug und -hinterziehung. Die so verursachten Steuerausfälle setzen die öffentlichen Haushalte der jeweiligen Länder massiv unter Druck. Die Lücken müssen von ehrlichen SteuerzahlerInnen gedeckt werden, die diesen Ausfall kompensieren müssen oder von staatlichen Ausgabenkürzungen betroffen sind.
Auslaufmodell Bankgeheimnis
Das österreichische Bankgeheimnis ist im § 38 des Bankwesengesetzes geregelt und verbietet es Banken, Informationen über KundInnen weiterzugeben. Ausnahmefälle (z.B. Strafverfahren, Todesfall etc.) benötigen eine richterliche Anordnung. Es steht im Verfassungsrang und kann nur mit einer zwei Drittel Mehrheit im Nationalrat geändert oder abgeschafft werden. Das Netzwerk für Steuergerechtigkeit („tax justice network“) zählt Österreich wegen des strengen Bankgeheimnisses zu einer der Top 20 Steueroasen weltweit.
Österreich spielte außerdem im Kampf gegen Steueroasen international seit Jahren eine negative Rolle und blockierte sinnvolle Reformen, wie die Erweiterung und Umsetzung der europäischen Zinsbesteuerungsrichtlinie. Diese sollte bereits seit 2005 den automatischen Informationsaustausch als Standard zwischen den Mitgliedsländern etablieren und damit das Bankgeheimnis abschaffen. Automatischer Informationsaustausch bedeutet, dass beispielsweise österreichische Banken die Finanzdaten von ausländischen Personen, die in einem anderen EU-Land steuerpflichtig sind, automatisch an deren Heimatfinanzämter melden müssen. So kann das rechtmäßige Zustandekommen des Kapitalbestandes und dessen Besteuerung überprüft werden. Österreich und Luxemburg haben mit Verweis auf ihr Bankgeheimnis jahrelang Ausnahmen für sich ausgehandelt und so eine einheitliche Umsetzung und die Erweiterung der Zinsbesteuerungsrichtlinie auf andere Kapitaleinkünfte blockiert. Stattdessen hoben sie eine anonyme Quellensteuer ein, die sie an den Staat des Wohnsitzes weiterleiten, ohne diesem jedoch Informationen über die KonteninhaberInnen zukommen zu lassen.
Nach langen Verhandlungen und hartnäckigen Vorbehalten von Österreich, wird ab 2017 der automatische Informationsaustausch nun Standard unter den europäischen Mitgliedsstaaten sein. Im Zuge der Steuerreform werden die notwendigen Gesetzesänderungen umgesetzt. Auch mit der Schweiz, laut dem Netzwerk für Steuergerechtigkeit die weltweit bedeutendste Steueroase, hat sich die Europäische Union über den Informationsaustausch bereits geeinigt. Für das Inkrafttreten eines Abkommens mit der Schweiz ist noch die Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten und des Schweizer Parlaments notwendig.
Auch auf internationaler Ebene wird der Druck auf SteuerhinterzieherInnen immer größer. Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung (OECD) hat bereits 51 Länder vermerkt, die sich in einem multinationalen Abkommen verpflichten, ab 2017 detaillierte Kontodaten von SteuerausländerInnen auszutauschen und damit Steuerbetrug wirksam(er) zu unterbinden. Unter den 51 Ländern finden sich alle OECD- und G20 Länder, aber auch bekannte Steueroasen wie die Kaiman- oder die Kanalinseln.
Anfang vom Ende
Der europäische und internationale Druck auf Österreich zur Aufhebung des Bankgeheimnisses für AusländerInnen machte ein Einlenken Österreichs über kurz oder lang unausweichlich. Die bevorstehende Aufhebung des Bankgeheimnisses für SteuerinländerInnen kam dagegen völlig überraschend. Über Jahrzehnte war das Bankgeheimnis sakrosankt und wurde von politischen VertreterInnen und den österreichischen Banken vehement verteidigt. So versprach Maria Fekter, damalige Finanzministerin, noch im April 2013 „wie eine Löwin“ für die Aufrechterhaltung des Bankgeheimnisses zu kämpfen.
Die aktuellen Steuerreformpläne der Regierung sehen nun vor, dass zukünftig im Zuge von abgabenbehördlichen Prüfungen (z.B. Betriebsprüfungen, Umsatzsteuer-Sonderprüfung, Bemessung Lohnsteuer) durch die Abgabenbehörden (Finanzämter, Zollämter und Bundesministerium für Finanzen), eine Kontoöffnung bereits bei einseitigen Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung erfolgen kann. Um einen effizienten Vollzug zu ermöglichen, wird ein zentrales Kontenregister eingeführt: Die Banken müssen ab 01.01.2016 sämtliche Einlagen, Depots, Bausparkonten etc. von Privatpersonen und Unternehmen melden. Bisher musste die Staatsanwaltschaft bei einem begründeten Verdacht auf ein strafbares Delikt (Steuerhinterziehung, Steuerbetrug, Geldwäsche etc.), alle heimischen Bankverbände anweisen, innerhalb einer Frist von fünf Tagen die Konten der verdächtigen Unternehmen oder Personen bekanntzugeben. Geöffnet wurden diese Konten dann mit einem Gerichtsbeschluss. Zukünftig soll das zentrale Kontenregister einen ständigen Überblick über alle Bankkonten und deren BesitzerInnen ermöglichen. Im Rahmen einer gewöhnlichen Veranlagung (zB routinemäßige ArbeitnehmerInnen- bzw. Einkommenssteuerveranlagung) soll es aber zu keiner Einsichtnahme in die Konten kommen.
Aus Sicht der ArbeitnehmerInnen wird das bevorstehende Begräbnis des Bankgeheimnisses ein freudiger Anlass sein – nur so kann Steuerbetrug zukünftig wirksam und nachhaltig bekämpft werden. Die Regierung rechnet immerhin mit jährlichen Mehreinnahmen von 700 Mio. Euro. So ergibt sich zusammen mit der bevorstehenden Registrierkassenpflicht ein stimmiges Paket gegen den Steuerbetrug.
Der Teufel steckt im Detail
In wie weit die Abschaffung des Bankgeheimnisses tatsächlich zur Bekämpfung von Steuerbetrug und -hinterziehung führt, wird einerseits von der konkreten rechtlichen Umsetzung abhängen. Lücken und Schlupflöcher müssen von Anfang an vermieden werden. Ein Verlagern von Schwarzgeld ins Ausland soll durch ein Rückwirken des Gesetzes verhindert werden und Banken müssen höhere Kapitalabflüsse melden. Andererseits brauchen die Finanzämter für die abgabenbehördlichen Prüfungen ausreichend Personal.
Das zentrale Kontenregister muss den hohen Datenschutzanforderungen genügen: Es soll den Finanzbehörden zwar einen groben Überblick über Kontoinhaber und -bestände ermöglichen, streng geregelte Auflagen müssen aber eine missbräuchliche Verwendung der Daten verhindern.
Klar ist auch, dass die Abschaffung des Bankgeheimnisses gegen die Kreativität international tätiger Konzerne zur Steuervermeidung wenig hilft. Hier braucht es konkrete Maßnahmen statt Lippenbekenntnisse wie eine länderspezifische Berichterstattung durch Unternehmen, eine gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer sowie Mindeststeuersätze, deren Umsetzung noch in weiter Ferne liegt.
Der geplante Abschied vom Bankgeheimnis in Österreich gibt Hoffnung, dass die rosigen Zeiten für in- und ausländische SteuerhinterzieherInnen endgültig vorbei sein werden und ein wichtiger Schritt in Richtung Steuergerechtigkeit gemacht wird. Wir hoffen daher, dass sich die aktuelle mediale Diskussion auf juristische Detaillösungen beschränkt und fordern das Parlament auf, diese historische Chance zur Abschaffung des Bankgeheimnisses zu nutzen.
Dieser Blogbeitrag ist eine aktualisierte Fassung des Artikels “Sag‘ beim Abschied leise Servus” in Arbeit&Wirtschaft 05/2015.