Die Lohn- und Arbeitszeit-Auseinandersetzungen spitzen sich zu. Die Unternehmensvertretung aus dem Bereich Maschinen / Metallwaren verweigert erpresserisch die Aufnahme von Kollektivvertragsverhandlungen, da ihr geplante Regierungsmaßnahmen nicht passen. Und generell wittert so manch Firmenboss oder KapitalvertreterIn aktuell Potential für Lohndrückerei. So sollen jene, die wegen Krieg und wirtschaftlicher Not als Flüchtlinge in Deutschland, Österreich und anderen EU-Ländern ankommen, durchaus hier arbeiten – allerdings zum Niedrigst-Tarif. Dabei drückt sich der durch Prekarisierung und Arbeitslosigkeit verstärkte Trend der ungleicher werdenden Einkommensverteilung ohnedies schon in einer langfristig sinkenden Lohnquote aus. Wäre der Lohn- und Gehaltsanteil der Lohnabhängigen in Österreich auf dem Niveau von Ende der 1970er Jahre, wären 2014 drei Wochen mehr Urlaub für jeden möglich gewesen.
Wirtschaft lechzt nach Billigproletariat
Wer vor Terror und Krieg flieht, hat besondere Sensibilität und Betreuung verdient. Das erfordert Zeit und Geld. Doch Wirtschaftsbosse haben die rasche, gewinnmaximierende Ausbeutung der Arbeitskraft von Flüchtenden im Blick: Wer sein komplettes Leben zurücklasse, sei hoch motiviert, so der Daimler- Chef Zetsche, der „genau solche Menschen“ sucht. Während er die leichtere Erpressbarkeit dieser Gruppe noch versucht, euphemistisch in Motivation umzubenennen, reden andere gleich Klartext. Der viel zitierte Prof. Sinn konstruiert einen Sachzwang, wonach der eben erst eingeführte, ohnedies löchrige, gesetzliche Mindestlohn in Deutschland gesenkt werden müsse, um die neuen Arbeitskräfte in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren. Der lohndrückerischen Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. So schlagen deutsche CDU-PolitkerInnen vor, dass für Flüchtlinge drei Monate lang kein Mindestlohn gelten soll.
In Österreich – wo während des Asylverfahrens ein Arbeitsverbot besteht und im besten Fall nach drei Monaten Aufenthalt eine Saisonarbeit in der Landwirtschaft und im Tourismus aufgenommen werden kann – wird die Debatte dahingehend verhaltener geführt. Ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt der Asylsuchenden Menschen „würde sich für alle lohnen“, sagt auch die österreichische Gewerkschaft vida, „aber nur zu fairen und humanen Bedingungen und nicht, um billige Arbeitskräfte zu bekommen“. Flüchtlinge dürfen nicht als Billigarbeitskräfte ausgebeutet werden – es müssen für alle die gleichen Bedingungen gelten, die der Kollektivvertrag vorsieht. Und es braucht Sprachkurse, Ausbildungsoptionen etc. Mindestlohn und generell Kollektivverträge sollen „Einheimische“ genauso wie Flüchtlinge vor Ausbeutung schützen. Wird dieses Schutzprinzip aufgeweicht, dann kommt es zu einem zerstörerischen Unterbietungswettkampf, in dem jede/r verliert – die lohnabhängig Beschäftigten, aber auch die Unternehmen, die dann unfairer Billigkonkurrenz ausgesetzt sind.
Die Lohnquote – Verteilung, erster Teil …
Je schlechter die Konjunkturlage, umso schlechter die Arbeitsmarktsituation. Je höher die Arbeitslosigkeit und ausgeprägter a-typische Arbeitsformen, umso schwerer haben es Gewerkschaften, einen hohen kollektivvertraglichen Standard zu erreichen. Je schwächer die gewerkschaftliche Verhandlungsposition, umso niedriger fällt das jährliche Lohnplus aus. Ist die gesamtgesellschaftliche Situation wie derzeit sehr fragil, boykottiert die österreichische Metallindustrie einfach mal die – hierzulande sonst meist am grünen Tisch geführten – Kollektivvertragsverhandlungen. Kann sie sich durchsetzen, verschlechtert sich das Verteilungsergebnis, das sich auch durch die Lohnquote messen lässt:
Dazu werden die gesamten Arbeitsentgelte, die die lohnabhängig Beschäftigten im Zuge des Arbeitsprozesses erhalten, plus die damit zusammenhängenden Sozialversicherungsbeiträge (DienstnehmerInnen- und DienstgeberInnenbeiträge) ins Verhältnis zur gesamten im Laufe eines Jahres erschaffenen Wertschöpfung gesetzt. Die Lohnquote zeigt, wie sich das im Inland produzierte Volkseinkommen auf Arbeit einerseits und Kapital bzw. Besitz andererseits verteilt. Es ist so was wie eine Ausgangsbasis, eine „Erst-Verteilung“ (im Fachjargon auch „Primärverteilung“), für das, was im Endergebnis den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zur Verfügung steht. Lohnquote und Gewinn- bzw. Besitzeinkommensquote summieren sich natürlich jedes Jahr auf 100 Prozent. 2014 konnten die Lohnabhängigen rund 69 Prozent, das waren 159 Milliarden Euro an Brutto-Arbeitsentgelten inklusive der gesamten Sozialversicherungsbeiträge, „für sich“ beanspruchen.
Lohnquote in Österreich
Die restlichen rund 31 Prozent, die verteilt werden, sind die Gewinne der Unternehmen (wobei hier schon die Abschreibungen, welche den Unternehmen als Teil des Cash Flows zur Verfügung stehen, in Abzug gebracht sind), das Einkommen der Selbständigen sowie Erträge aus Finanz- und Immobilienbesitz. Und diese Nicht-Lohneinkommen wachsen seit geraumer Zeit im Trend schneller als die Löhne (siehe dazu auch Chaloupek/Russinger/Zuckerstätter). Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene betrachtet profitieren ArbeitnehmerInnen von diesen leistungslosen Finanz- bzw. Besitzeinkommen per Saldo nicht, da sowohl der gesamte Finanzvermögensbesitz als auch der gesamte Immobilienbesitz auf wenige Besitzende extrem konzentriert sind und daher die überproportionalen Zuwächse der Vermögenseinkommen auch nur einer kleinen Besitzelite zukommen (siehe Studie WU).