Die ab dem Jahr 2010 erhobene Forderung nach Budgetkonsolidierungsmaßnahmen in der ganzen Eurozone war ein folgenschwerer Fehler. Zu dieser bemerkenswerten Schlussfolgerung kommt ein vom Internationalen Währungsfonds (IWF) veröffentlichter Untersuchungsbericht zu den wirtschaftspolitischen Empfehlungen des IWF während der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Europäische Kommission sollte sich am IWF ein Beispiel nehmen und sich auch in der Praxis von der einseitigen Austeritätspolitik der letzten Jahre verabschieden – insbesondere durch eine koordinierte Ausweitung öffentlicher Investitionen.
Verfehlte wirtschaftspolitische Empfehlungen des IWF
Ein umfangreicher Evaluierungsbericht (pdf) beinhaltet harte Selbstkritik an den wirtschaftspolitischen Empfehlungen des IWF in den Krisenjahren. Die wichtigsten makroökonomischen Kritikpunkte des Berichts können kurz folgendermaßen zusammengefasst werden:
- Es war ein folgenschwerer Fehler, dass der IWF ab dem Jahr 2010 in der gesamten Eurozone eine Politik der Staatausgabenkürzungen und Steuererhöhungen vorantrieb.
- Die Erwartungen des IWF bezüglich des Wirtschaftswachstums waren in den Jahren 2010-2014 systematisch zu optimistisch. Der Grund dafür ist die Fehleinschätzung über das Ausmaß der negativen Effekte der Austeritätspolitik auf Wachstum und Beschäftigung.
- In der Eurozone herrschten in den letzten Jahren institutionelle und makroökonomische Rahmenbedingungen vor, unter denen Austeritätspolitik besonders ausgeprägte negative Konsequenzen hatte. Angesichts hoher wirtschaftlicher Unterauslastung, eingeschränkter Effektivität geldpolitischer Maßnahmen und der fortgesetzten Entschuldungsbemühungen von privaten Haushalten und Unternehmen hätte der IWF, insbesondere in Ländern mit größerem fiskalpolitischem Handlungsspielraum, auf ausgeweitete Konjunkturprogramme drängen müssen, statt Austeritätspolitik zu fordern.
Der IWF ist mit der Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte und mit der Kreditvergabe an Länder beauftragt, die Probleme damit haben, sich an den Finanzmärkten zu refinanzieren. In den letzten Jahren war er ein zentraler Akteur im Zuge der Verhandlung und Umsetzung von Krisenprogrammen in den Peripherieländern der Eurozone.
Die Forderungen des IWF nach Austeritätspolitik in der ganzen Eurozone sind zudem repräsentativ für die wirtschaftspolitische Reaktion auf die Krise ab 2010. Denn auch die Europäische Kommission und die deutsche Bundesregierung unter der Führung Angela Merkels setzten auf eine Verschärfung der Sparpolitik als vermeintlichen europaweiten Ausweg aus der Krise.
Die Evaluierungsergebnisse über die Politikempfehlungen des IWF machen deutlich, dass die Austeritätspolitik der letzten Jahre verfehlt war; sie führte nicht nur zu verschärften Wachstumsrückgängen und steigender Arbeitslosigkeit, sondern erreichte auch ihr Ziel einer nachhaltigen Beruhigung der Finanzmärkte nicht. Denn die Verschuldungsproblematik in der Eurozone ist nicht nur ungelöst, sondern verschlimmerte sich durch die Austeritätspolitik zusätzlich: Die schlechte Wachstumsentwicklung ließ die Staatsschuldenquoten, die in Prozent des Bruttoinlandsproduktes gemessen werden, weiter ansteigen. Insbesondere die am stärksten von der Krise getroffenen Länder im Süden Europas – Griechenland, Spanien, Portugal und Italien – gerieten so in eine Spirale aus steigender Verschuldung und sinkender Inflation, wobei die derzeit in der Eurozone voranschreitende deflationäre Entwicklung die reale Schuldenlast weiter erhöht, weil die nominal fixierten Schulden mit einem steigenden realen Eurowert bedient werden müssen.
Austeritätspolitik und Wachstumsprognosefehler des IWF
Der IWF schätzte die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone seit 2010, genau wie die Europäische Kommission, systematisch viel zu optimistisch ein: