Regelmäßig wird der Generationenkonflikt zwischen Jung und Alt ausgerufen. Dabei sind die Jungen die Dummen: Sie zahlen die Pensionen der Alten, angeblich ohne selbst Aussicht auf öffentliche Pensionsleistungen zu haben. Das Ausrufen des Generationenkonflikts dient meist der Vorbereitung einer neuen Runde an Einsparungen in der gesetzlichen Alterssicherung. Und dahinter steht meist Werbung für Produkte der privaten Pensionsvorsorge, die sich in der Finanzkrise einmal mehr als unterlegen gegenüber dem sozialen Pensionssystem erwiesen hat.
Generation der Erben dominiert
Auch sonst stimmen die angeblichen Fakten im Generationenkonflikt meist nicht. Worin z. B. bestehen die Privilegien jener 230.000 Mindestpensionistinnen und -pensionisten, deren Einkommen vom Staat mithilfe der Ausgleichszulage mühsam auf 837 Euro pro Monat angehoben wird? Reale Privilegien gibt es auch im Pensionsbereich, allerdings außerhalb der gesetzlichen Alterssicherung bei verschiedenen Sonderpensionsrechten.
Generell privilegiert ist vor allem die schmale Schicht der Reichen, die gemessen am Einkommen deutlich weniger zur Finanzierung des Gemeinwohls beiträgt als alle anderen Bevölkerungsgruppen, aber dennoch von sozialer Stabilität und funktionierender öffentlicher Infrastruktur profitiert: 180.000 Haushalte, das sind fünf Prozent, verfügen über ein Vermögen von mehr als einer Mio. Euro und damit über fast die Hälfte des gesamten Privatvermögens. Das oberste Prozent, 37.000 Haushalte, hält nach neuesten Studien im Durchschnitt zweistellige Millionenbeträge und einen Vermögensanteil von etwa einem Drittel.
Medial, gesellschaftlich und ökonomisch dominiert heute die Generation der Erben. Manche davon tüchtig, andere Hallodris, die auf Kosten der Allgemeinheit prassen. Gemeinsam ist ihnen ihre wirtschaftliche Privilegierung gegenüber den Mindestpensionistinnen und -pensionisten, den jungen Menschen aus bildungsfernen Schichten und der gesamten Mittelschicht, die ihr Einkommen primär aus Arbeitsleistung beziehen.
Pensionsreform beginnt mit Babys
Wer für Gerechtigkeit sorgen will, muss diese beiden Erkenntnisse verknüpfen. Die Sicherung von Wirtschaftsstandort, Sozialstaat und Pensionen muss mit Investitionen in die Jugend beginnen. Das Diktum des dänischen Soziologen Gosta Esping Andersen „Retirement reform must begin with babies“ ist verallgemeinerbar: Krippen und Kindergärten, Ganztagsschulen, gleichwertiger Zugang für alle zu Gesundheitsversorgung und Bildung schaffen Chancengleichheit. Sie verringert das gesellschaftliche Übel der sozialen Vererbung und sichert Einkommen und Produktivität in der Volkswirtschaft.
Ganz Europa braucht diesen Schub an Investitionen in die Chancen der Jugend. Besonders die Krisenländer, deren Gesellschaft und Wirtschaft unter dem Druck von Bankenkrise und Sparpolitik auseinanderzufallen drohen und wo den Opfern der Krise, allen voran den arbeitslosen Jugendlichen, nichts geboten wird, während man die Täter im Finanzsektor rettet. Gemeinsame und solidarische europäische Investitionen in die Jugend dienen dem Wohl von Jung und Alt. Sie sind auch finanzierbar, weil Europa trotz der Krise so reich ist wie nie zuvor. Die Forderung „Zahlen bitte!“ richtet sich deshalb an die Privilegierten, also die Vermögenden, Erben, SpitzeneinkommensbezieherInnen und den Finanzsektor, egal ob sie jung oder alt sind.
Der Beitrag stammt aus der eben erschienenen August-Ausgabe von Arbeit&Wirtschaft
www.arbeit-wirtschaft.at.