Die im Auftrag der AK durchgeführte Studie „Kulturelle Produktion und Mediennutzung im Alltag“ kommt zu dem Schluss, dass durch die derzeitige Gestaltung des Urheberrechts kreatives Tätigwerden – sei es im Rahmen von Schul-, Sozial- oder Bildungsprojekten – praktisch verunmöglicht wird. Die aktuellen Entwicklungen werfen komplexe gesellschafts-, kulturpolitische und auch juristische Fragen aus. Gleichzeitig ist es unabdingbar, dass unabhängig von den aktuell bestehenden Sachzwängen eine gesellschaftliche Perspektive artikuliert wird, was Urheberrecht im 21. Jahrhundert leisten soll.
Der Ursprung des Urheberrechts als Persönlichkeitsrecht liegt rund 300 Jahre zurück und basiert auf analogen Technologien. Grundsätzlich hatten die UrheberInnen die Nutzung unter Kontrolle, eine Änderung oder Verwendung ihrer Werke sowie der Werkzugang waren relativ eindimensional und leicht zu kontrollieren. Im digitalen Zeitalter und der mit dem Internet verknüpften Ubiquität und einfachen Veränderbarkeit der Werke hat sich auch der Zugang zu diesen verändert. Längst ist die Abgrenzung zwischen Nutzung eines Werkes und Gestaltung einer neuen eigentümlichen geistigen Schöpfung nicht mehr eindeutig zu treffen. Dies alles lässt die Frage nach angemessener Vergütung und nach der Definition der eigentümlichen geistigen Schöpfung in einem neuen Licht erscheinen. Das Urheberrecht ist mit der Digitalisierung unserer Welt von einer Spezialmaterie in das Zentrum der Alltagsdiskussion gerückt: die einen polemisieren gegen die Gratiskultur im Netz, die andern halten die Freiheit, die das Internet bietet, dagegen. Ob und wie InternetnutzerInnen kreativ in der digitalen Welt tätig werden können, sei es im Rahmen von Schul-, Sozial- oder Bildungsprojekten, wurde im Auftrag der AK mit der Studie „Kulturelle Produktion und Mediennutzung im Alltag“ untersucht. Das Ergebnis dieser Studie lässt sich wie folgt zusammenfassen: durch die dzt Gestaltung des Urheberrechts wird kreatives Tätigwerden praktisch verunmöglicht. Als politische Optionen werden vorgeschlagen:
- Abschaffung der Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Nutzung zugunsten einer Unterscheidung zwischen kommerzieller und nichtkommerzieller Nutzung. Nicht- kommerzielle Nutzungen sollten grundsätzlich erlaubt sein.
- Transformative Werknutzung sollte grundsätzlich erlaubt sein. Die Frage einer allfälligen Vergütung ist getrennt zu behandeln.
- Die Schranken des Urheberrechts müssen durchsetzungsstark gemacht werden, damit durch technische Schutzmaßnahmen die Schranken (etwa Privatkopie) nicht aufgehoben werden können.
- Es muss verunmöglicht werden, dass Werke verwaisen, etwa dadurch, dass ein Werk registriert und das Urheberrecht periodisch erneuert werden muss.
- Öffentlich finanzierte Werke sollten nach einer Phase ihrer kommerziellen Hauptverwertung rasch öffentlich und kostenlos zugänglich gemacht werden.
Diese Thesen wurden im Rahmen einer Veranstaltung der AK in Brüssel am 20.2.2013 diskutiert. Im Wesentlichen bestand Einigkeit, dass es einer Revision der Info-Richtlinie bedarf. Eine erste Basis dafür könnten die Empfehlungen von António Vitorino vom Jänner 2013 sein. Seiner Einschätzung nach werden in Hinblick auf die Digitalisierung in Zukunft Speichermedienvergütungen zurückgehen. Somit werden Speichermeidenvergütungen in der heutigen Form noch weniger als bisher Grundlage des Lebenseinkommens der UrheberInnen sein. Vielmehr sollten die Vergütungsregelungen der Zukunft vom Grundsatz getragen werden, dass die Lizenzierung möglichst am Ursprung des Werkes ansetzt, sodass a) der Zusammenhang zwischen Leistung (Werkgenuss) und Nutzungsentgelt klar erkennbar ist und b) das Entgelt den UrheberInnen direkt, ohne Zwischenschaltung von Intermediären zugutekommt. Dafür wird aber die Stärkung (bzw in Österreich die Einführung) des Urhebervertragsrechts notwendig.
Als Ergebnis des Mediationsprozesses zwischen allen Beteiligten der Branche hält Vitorino außerdem fest, dass eine Doppelvergütung für gleichartige technische Nutzungsvorgänge nicht der Info-Richtlinie entspricht. Insbesondere muss dabei auf EU-Ebene geklärt werden, wann den UrheberInnen überhaupt ein Schaden entsteht, bspw wenn in der Gerätekette ein und dasselbe Werk aus technischen Gründen mehrfach gespeichert wird. Diesbezüglich bedarf es eines harmonisierten Schadensbegriffes auf EU-Ebene. In diesem Zusammenhang betont er auch, dass Urheberrechtsabgaben für die NutzerInnen transparent gemacht werden sollten.
Bleibt noch die Frage nach der Rolle und Kontrolle der Verwertungesgellschaften. Verwertungsgesellschaften sind Treuhänder der UrheberInnen, die sich aber oftmals selbst wie Rechteinhaberinnen gerieren. Eine zulässige Mandatsauffassung, wenn das Mandat auf entsprechender demokratischer Legitimation und Kontrolle beruht. Mit dieser Frage befasst sich der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission, der dzt im EU-Parlament für die 1. Lesung vorbereitet wird. Der Entwurf enthält aus Sicht der AK sehr gute Ansätze, reicht aber noch nicht aus, um die Zwei-Klassengesellschaft, die meist in den Verwertungsgesellschaften vorgesehen ist, nämlich die Unterscheidung zwischen stimmberechtigten Mitgliedern (die Minderheit) und stimmlosen Bezugsberechtigten (die Mehrheit) aufzuheben.
Abschließend muss im Gleichklang mit der oben zitierten AK-Studie festgehalten werden: Der technische Fortschritt und die veränderte Rolle der NutzerInnen und UrheberInnen in der Zukunft wirft komplexe gesellschafts-, kulturpolitische und auch juristische Fragen auf und verlangt teilweise tiefgreifende Eingriffe in internationales und EU-Recht. Entsprechend ist einiges nicht kurzfristig realisierbar. Gleichzeitig ist es aber unabdingbar, dass unabhängig von den aktuell bestehenden Sachzwängen eine gesellschaftliche Perspektive artikuliert wird, was Urheberrecht im 21. Jahrhundert leisten soll. Wenn immer nur einer Perspektive aktueller Sachzwänge gefolgt wird, lässt sich eine Reform nicht in den Griff bekommen.
Dieser Text erschien als Kommentar auch in “Wirtschaftspolitik-Standpunkte 1/2013”