In Österreich zeigen sich deutliche Steuerungsdefizite in der Verwaltung. Zudem bedroht die zunehmende Verpolitisierung der Bundesverwaltung die Qualität des öffentlichen Dienstes. Aufgrund komplexer Herausforderungen ist eine Institutionalisierung der strategischen Steuerung ebenso notwendig wie ein Neuzugang beim Zielfindungsprozess zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Es besteht Handlungsbedarf bei der Gestaltung von Auswahl- und Besetzungsverfahren für Führungsfunktionen sowie einer Verkleinerung von Minister:innenbüros zugunsten einer Aufwertung von Fachexpertise aus der Verwaltung.
Strategiedefizite in Österreichs gesamtstaatlicher Steuerung
Für eine strategische Steuerung braucht es einen Prozess der gemeinsamen Zielfindung, in den alle relevanten Akteur:innen eingebunden sind. Es braucht aussagekräftige Indikatoren, um einen Fortschritt in Richtung Zielerreichung messen zu können, und regelmäßige Evaluierungen. Dass in Österreich Steuerungsdefizite vorhanden sind, zeigt sich etwa an der Diskussion über eine Strategie für den Bodenschutz. Die Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm als Zielwert höchstens 2,5 Hektar Bodenversiegelung pro Tag festgelegt, ein quantifiziertes Ziel und damit ein aussagekräftiger Indikator waren also vorhanden. Die Länder als Zuständige für die Raumordnung verweigerten ihre Zustimmung, einigten sich jedoch ohne den Bund auf eine Bodenschutzstrategie ohne das 2,5-Hektar-Ziel. Die Gemeinden, obwohl Baubehörden erster Instanz, waren offenbar nicht Teil dieses Prozesses. Damit scheiterte eine gemeinsame Bodenschutzstrategie trotz guter Ansätze. Über das Ziel kann man inhaltlich diskutieren. Klar ist allerdings, dass sich alle Akteur:innen auf ein gemeinsames, messbares Ziel einigen sollten, da andernfalls keine effektive Steuerung möglich ist.
Auch in anderen Bereichen fehlen österreichweite Gesamtstrategien, wie etwa eine Sicherheitsstrategie, eine Strategie zum Schutz vor Gewalt an Frauen, eine Digitalisierungsstrategie. Einen Versuch, mit der Strategieentwicklung zu beginnen, gibt es im Bereich der Landesverteidigung. Unter Beteiligung von Expert:innen wurden in einem „Risikobild 2024“ strategische Grundlagen formuliert, die von einem vernetzten Sicherheitsdenken ausgehen und eine verstärkte Zusammenarbeit von Akteur:innen im Sicherheitsbereich fordern. Gleichzeitig wurde in diesem Papier auch die Strategieentwicklung in Österreich als zögerlich, fragmentiert und nicht institutionalisiert bezeichnet.
Besseres Zusammenwirken von Bundesministerien
Seit der Einführung der Wirkungsorientierung (2013) ist in der Bundesverwaltung jedes Ressort verpflichtet, für seine Budget-Untergliederungen Wirkungsziele, Maßnahmen und Indikatoren festzulegen. Angesichts komplexer Problemfelder greifen bloß ressortspezifische Wirkungsziele jedoch zu kurz. Sie passen nicht zu aktuellen Herausforderungen, die oft ein koordiniertes Zusammenwirken der Ressorts erfordern.
Beispiel: Das Klimaschutzministerium kann nicht allein die notwendigen Programme umsetzen und Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise setzen. Die Einbindung weiterer Ministerien (z. B. Wirtschafts-, Bildungs-, Landwirtschaftsministerium etc.), aber auch z. B. privater Energieversorgungsunternehmen ist erforderlich.
Auch die Initiative Bessere Verwaltung – IBV sieht u. a. durch die strategische Untersteuerung bei gleichzeitiger operativer Übersteuerung eine Gefahr für die Qualität in der Bundesverwaltung. Diese Initiative – bestehend aus 15 Expert:innen aus Politik und Verwaltung – hat für sieben Themenfelder 50 Maßnahmen für eine Qualitätsverbesserung der öffentlichen Verwaltung erarbeitet. Ziel der Initiative ist es, dass zumindest einige zentrale Maßnahmenvorschläge im nächsten Regierungsprogramm ihren Niederschlag finden. Gegen strategische Steuerungsdefizite schlägt die IBV etwa die Schaffung einer strategischen Koordinationsstelle im Bundeskanzleramt (BKA) vor. Das Know-how und die Ressourcen der bisherigen Wirkungscontrollingstelle im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport sollten genützt, jedoch über eine methodisch-prozesshafte Begleitung hinausgehen und prominenter verankert werden. Jene sollte, ähnlich wie die „Sektion Führungsunterstützung“ in der Schweizerischen Bundeskanzlei, die Politik mit Lage- und Umfeldanalysen, Vorschlägen für politische Ziele und Schwerpunktprogramme und Indikatoren zur Messung des Erfolgs unterstützen. Aufgabe der Koordinationsstelle im BKA wäre es, Prozesse zur gemeinsamen Zielfindung (inkl. Indikatoren) mit den betroffenen Ressorts zu initiieren, eine laufende Koordinierung der Umsetzungsmaßnahmen und eine regelmäßige Evaluierung sicherzustellen. Die Ergebnisse der Evaluierung wären von der Regierung an das Parlament zu berichten. Erfolgsfaktoren für eine solche Stelle wären eine explizit politisch verantwortliche Person (z. B. Kanzleramtsminister:in), die die Arbeiten kontinuierlich unterstützt und vorantreibt, sowie ein hochqualifiziertes Team, das die Analyse- und Koordinierungsagenden mit Rückenwind aus der Politik wahrnimmt.
Steuerungsdefizite zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
Auch zwischen den Gebietskörperschaften bestehen erhebliche Steuerungsdefizite. So sind bei Art.-15a-Verträgen oder den Verhandlungen zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern die Städte und Gemeinden nach wie vor keine gleichberechtigten Verhandlungs- und Vertragspartner. In diesen Verhandlungen und Verträgen geht es primär um die Verteilung von Budgetmitteln. Die Aufgabenentwicklung sowie die gestiegenen Belastungen von Städten und Gemeinden in der Daseinsvorsorge oder auch regionale Unterschiede und Bedürfnisse werden kaum berücksichtigt. Insbesondere bei der gemeinschaftlichen Aufgabenerfüllung durch Bund, Länder und Gemeinden können Steuerungsdefizite einen wirksamen Ressourceneinsatz erschweren.
Beispiel: Die Kinderbetreuung der unter Sechsjährigen ist eine gemeinschaftliche Aufgabe von Gemeinden, Ländern und dem Bildungsministerium. Seit 2008 sichern Art.-15a-Verträge eine Zusatzfinanzierung des Bundes für die Kindergärten. Diese wird an die Länder ausbezahlt, die das Geld teilweise an die Gemeinden weitergeben. Wie vom Rechnungshof festgehalten ist eine Verlängerung der Zusatzfinanzierung an eine qualitative Evaluierung der Ausbauvereinbarung und der Gratispflichtkindergartenvereinbarung geknüpft. Der Rechnungshof kritisierte, dass der Bund die Zusatzfinanzierung 2014 erhöht hat, ohne auf einer Evaluierung zu bestehen, weil sich Bund und Länder nicht auf Evaluierungsparameter einigen konnten.
… und Vorschläge für Verbesserungen
Für eine qualitätsvolle Steuerung an der Schnittstelle zwischen Bund und Ländern schlägt die Initiative Bessere Verwaltung eine Neugestaltung von Verhandlungsprozessen zu gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung zwischen den Gebietskörperschaften vor. Dabei werden u. a. neue Akteur:innen (Städte und Gemeinden; Fachleute) eingebunden, Finanz- und Aufgabenverantwortliche sind zu gleichen Teilen vertreten. In einem Prozess werden gemeinsame Werte entwickelt und durch regelmäßige Gesprächskontakte Vertrauen aufgebaut. Eine professionelle Moderation sorgt bei Verhandlungen auch für Vor- und Nachbereitung. Jeder Zielfindungsprozess eines Politikbereichs mündet in ein gemeinsames Wirkungsziel und geeignete Indikatoren. Umsetzungsmaßnahmen werden wechselseitig abgestimmt und erst dann wird festgelegt, wie viel Geld jeder Gebietskörperschaft für ihren Beitrag zur Erreichung des vereinbarten Wirkungsziels zur Verfügung gestellt wird.
Zunehmende Verpolitisierung der Bundesverwaltung
Im Bundesdienst sind aktuell rund 144.100 Mitarbeiter:innen tätig, davon rund 12.000 in den Bundesministerien. Der weitaus größere Teil der Bediensteten arbeitet in nachgeordneten Dienststellen in der operativen Umsetzung (etwa Lehrer:innen). Die Qualität der öffentlichen Verwaltung steht und fällt mit gut ausgebildeten, motivierten und loyalen Mitarbeiter:innen, die im Interesse von Gesellschaft und Bürger:innen tätig werden. Ihr Handeln ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Seit Beginn der 2000er Jahre ist eine zunehmende Verpolitisierung der Bundesverwaltung zu beobachten: 20 bis 30 Mitarbeiter:innen pro Minister:innenbüro sind keine Seltenheit mehr. Im Vergleich dazu ist etwa die Anzahl der Mitarbeiter:innen im Büro eines oder einer EU-Kommissar:in auf sechs Personen beschränkt. Im Jahr 2017 wurde zudem die meist auch politisch besetzte Funktion eines Generalsekretärs bzw. einer Generalsekretärin neu geschaffen bzw. gestärkt. In den Bundesministerien ist so über die letzten zwei Jahrzehnte eine Art Parallelverwaltung entstanden, die nun eine Barriere zwischen Bundesminister:in und der Fachbeamtenschaft bildet. In den Jahren davor wurden in regelmäßigen Kontakten und Gesprächen zwischen dem obersten Verwaltungsmanagement und den Minister:innen strategische Weichenstellungen getroffen, Sektionschef:innen berichteten direkt an die politische Führung, was zu einem Vertrauensverhältnis zwischen Politik und Verwaltung auch über Parteigrenzen hinweg führte. Seit Beginn der 2000er Jahre begann sich die Kommunikation der obersten Führungsebene der Verwaltung zunehmend auf eine mit den Minister:innenbüros zu beschränken. Diese setzten sich aus oft wesentlich jüngeren, unerfahrenen Personen zusammen, die – teils zum Nachteil der Sache – an der operativen Steuerung mitwirken.
Qualität des öffentlichen Dienstes in Gefahr
Wenn Mitarbeiter:innen in Minister:innenbüros aus politischen Parteien in Minister:innenkabinette und weiter in Spitzenpositionen des öffentlichen Dienstes oder in öffentliche Unternehmen wechseln, hat dies im Laufe der Jahre zur Folge, dass zunehmend Personen, die sich mehr den jeweiligen Minister:innen oder Parteien verpflichtet fühlen als dem Gemeinwohl und den Bürger:innen, Führungsverantwortung in öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft tragen. Zudem verfügen Kabinettsmitarbeiter:innen häufig über Sonderverträge, für welche die Aufnahmekriterien der Verwaltung nicht gelten. Im Gegensatz dazu erwerben öffentlich Bedienstete u. a. durch eine Grundausbildung, eine Führungskräfteausbildung das notwendige Wissen, durch langjährige Praxis die Erfahrung und ein Verständnis wie die Verwaltung funktioniert. Das „Einsickern“ nicht ausreichend qualifizierter, parteipolitisch geförderter Personen reduziert die Karrierechancen und die Motivation öffentlich Bediensteter.
Dies zeigt sich auch an den Ergebnissen der jüngsten Mitarbeiter:innenbefragung des Bundes 2023. Im Bereich „Perspektiven und Weiterentwicklung“ wurde die Einschätzung von Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten, das Fortbildungsangebot und die Mobilitätsbereitschaft abgefragt. Nur rund 58 Prozent der Mitarbeiter:innen beurteilen die Möglichkeiten und Angebote positiv. Auch dem Bereich „Organisation, Gesundheit und Image“ stellen nur rund 60 Prozent der Befragten ein gutes Zeugnis aus.