Öffentliche Unternehmensbeteiligungen waren lange in Misskredit. Angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie Corona-Krise, Dekarbonisierung und Digitalisierung, sowie aufgrund der zunehmenden Konkurrenz um die globale Technologieführerschaft steht eine Neubewertung an. Vor allem die innovationsfördernde Wirkung von öffentlichen Beteiligungen ist von aktueller Relevanz.
Hohe Innovationsorientierung öffentlicher Beteiligungen – neue Erkenntnisse aus der Literatur
Im Unterschied zur unmittelbaren Nachkriegszeit ist die Bedeutung staatlicher Unternehmensbeteiligungen in den letzten drei Jahrzehnten zumindest in den OECD-Ländern deutlich gesunken. Während der Umfang des öffentlichen Unternehmenssektors in Österreich im Jahr 1998 noch deutlich über dem OECD-Durchschnitt lag, so ist dies aufgrund der Privatisierungspolitik seit den 1990er-Jahren heute nicht mehr der Fall. Nichtsdestotrotz sind staatliche Beteiligungen an produzierenden Unternehmen in globaler Perspektive nicht verschwunden: 14 Prozent der Anteile an den zehntausend größten börsennotierten Unternehmen befinden sich global weiterhin in öffentlicher Hand. Während dieser Anteil in den Schwellenländern bei 28 Prozent liegt – mit besonders hohen Anteilen in China (38 Prozent) und in anderen entwickelten asiatischen Ländern (23 Prozent) –, ist er in Europa mit 9 Prozent und den USA mit 3 Prozent relativ am niedrigsten (siehe „Owners of the World’s Listed Companies“).
Bis zu einem gewissen Grad spiegelt sich in diesen Zahlen auch eine mittlerweile wieder etwas differenziertere ökonomische Sichtweise zum Thema. War der starke Trend zur Privatisierung seit den späten 1980er-Jahren von der Überzeugung angetrieben, dass staatlicher Einfluss auf Unternehmen zu hohen Effizienzverlusten aufgrund schlechter Corporate Governance führt, so sieht die aktuellere Literatur eine Reihe von Gründen, welche staatliche Unternehmensbeteiligung als vorteilhaft erscheinen lassen. Dazu zählen etwa (i) die Erhaltung der Headquarter-Funktion im Inland, (ii) Vorteile eines staatlichen Kernaktionärs bei der Kontrolle der Unternehmensleitung im Vergleich zu Kleinaktionären, (iii) Vorteile bei der Abwehr feindlicher Übernahmen, (iv) Vorteile beim Zugang zu externem Kapital und dessen Finanzierungskonditionen sowie last, but not least (v) die wichtige Rolle des Staates bei der Unterstützung radikaler Innovation (siehe die Diskussion zum „entrepreneurial state“ im Gefolge der breit diskutierten Vorschläge von Mariana Mazzucato).
Zum Innovationsverhalten von Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung gibt es eine Reihe von rezenten Untersuchungen, die einen positiven Zusammenhang zwischen öffentlicher Beteiligung und Innovationsverhalten zeigen (siehe z. B. die Beiträge von Filippo Belloc, von Sergio Giovanetti Lazzarini, Luiz F. Mesquita, Felipe Monteiro und Aldo Musacchio und von Stefano Clo, Massimo Florio und Francesco Rentocchini). Gemäß diesen Untersuchungen zeigt sich, dass öffentliche Unternehmen höhere Innovationsraten haben als private und dass vor allem im Kontext von Privatisierungen – etwa von Telekom- oder Energieunternehmen – die F&E-Investitionen markant gesunken sind. Eine andere rezente Untersuchung belegt zum Beispiel, dass europäische börsennotierte Unternehmen mit staatlichen Minderheitsbeteiligungen deutlich mehr in Forschung und Entwicklung investieren als Unternehmen mit nur privaten Aktionären. Zudem sind die Investitionen von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung stärker an gemeinwohlorientierten und nachhaltigen Kriterien ausgerichtet als jene rein privater Unternehmen. Mangels unmittelbaren Renditedrucks erweisen sich öffentliche Eigentümer in der Regel als „geduldige“ Investoren (patient capital), was speziell im Fall der Forschung & Entwicklung an grundlegend neuen Technologien, etwa im Kontext der sozial-ökologischen Transformation und digitaler Technologien, von entscheidendem Vorteil sein kann.
Die Renaissance staatlicher Entwicklungsfonds
Staaten können öffentliche Beteiligungen auf unterschiedlichem Weg eingehen, entweder direkt über hoheitliche Einrichtungen (z. B. Ministerien) oder indirekt über ausgelagerte und rechtlich selbstständige Einrichtungen, wie zum Beispiel Banken, Beteiligungsgesellschaften und Fonds. Ein während der letzten Jahrzehnte zunehmend bedeutender Akteur im Bereich öffentlicher Unternehmensbeteiligungen sind Staatsfonds. Während Sovereign Wealth Fonds überwiegend in ausländische Unternehmen investieren und dabei grundsätzlich eine kommerzielle Rendite anstreben, verfolgen Entwicklungsfonds (Sovereign Development Funds bzw. Strategic Development Sovereign Wealth Funds) explizit industriepolitische Ziele im Inland. Letztere finden sich vor allem in Schellenländer (siehe Grafik). In der EU bilden sie bislang die Ausnahme. Ein Beispiel für einen Staatsfonds mit relativ starker strategischer Ausrichtung in der EU ist der finnische Staatsfonds Solidium. Obgleich vom Umfang her eher klein – mit einem verwalteten Vermögen von rund 9,2 Mrd. Euro (Stand 16.4.2021) –, besteht das Ziel des Fonds darin, über Minderheitsbeteiligungen das strategische öffentliche Eigentum an Unternehmen von nationalem Interesse zu fördern. Der Begriff des nationalen Interesses inkludiert auch den Aspekt der Versorgungssicherheit. Das Beteiligungsportfolio umfasst neben Unternehmen aus dem Grundstoff- und Infrastruktursektor auch solche aus der verarbeitenden Industrie.
Abbildung 1: Entwicklungsfonds (Sovereign Development Funds)