Kaufsucht: Online-Shopping als Falle, insbe­sondere für junge Frauen

30. Juli 2024

Jede fünfte Person in Österreich ist kaufsüchtig oder kaufsuchtgefährdet – das zeigt eine repräsentative Erhebung der AK. Das ist seit Beginn der Erhebungen zwar der niedrigste Wert, dennoch sind die Zahlen alarmierend. Auf die Bevölkerung gerechnet wären circa 700.000 Personen ab 14 Jahren in Österreich von Kaufsucht betroffen, im Vergleich dazu gelten „nur“ 60.000 Personen als glücksspielsüchtig.

Gesellschaftlich wird das Problem kaum diskutiert

Die am stärksten gefährdete Gruppe sind junge Frauen zwischen 14 und 29 Jahren, jede fünfte junge Frau ist kaufsüchtig und ein weiteres Fünftel weist ein bedenkliches Kaufverhalten auf. Einerseits ist Kaufsucht ein gesellschaftlich unterschätztes und daher kaum diskutiertes Problem, andererseits hat ein deviantes Verhalten schon in jungen Jahren potenziell langwierige negative Konsequenzen: Verschuldung und/oder negative Auswirkungen auf soziale Beziehungen können die Folge sein. Kaufsucht tritt oft in Kombination mit anderen psychischen Erkrankungen wie z. B. einer Depression auf, und oft haben Betroffene noch mit weiteren Süchten zu kämpfen. Eine Therapie wird dadurch erschwert, dass das richtige Kaufverhalten erst erlernt werden muss – im Gegensatz zu anderen Süchten kann hier keine vollständige Abstinenz erzielt werden. Gleichzeitig ist Kaufen ein erwünschtes und gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten, weswegen die Sucht auch oft erst spät entdeckt wird.

Häufiges Online-Shopping korreliert ebenso mit Kaufsucht …

Neben soziodemografischen Faktoren – so sind beispielsweise Personen mit niedriger formaler Bildung und Personen mit höherem Einkommen häufiger betroffen – hängt Kaufsucht auch mit dem eigenen Konsumhandeln zusammen. Korrelationen gibt es zum einen mit Online-Shopping: Mehr als die Hälfte der Personen, die wöchentlich im Internet einkauft (dies sind immerhin 13 Prozent der Befragten), gilt als kaufsüchtig oder gefährdet, während es nur jede zehnte Person ist, die selten oder nie online shoppt. Das Internet als Kaufportal wird von Kaufsüchtigen insbesondere oft gewählt, weil es anonym ist. Kaufsüchtige bestätigen auch, dass sie öfter auf Shopping-Seiten surfen, zu viel Zeit auf Shopping-Seiten verbringen und öfter etwas im Internet kaufen, ohne etwas zu brauchen.


© A&W Blog


… wie auch das Haushaltsbudgetmanagement

Personen, die im Geschäft häufig bargeldlos zahlen und/oder Menschen, die einen Ratenkredit in Anspruch nehmen, sind öfter kaufsüchtig oder gefährdet. Eine hohe Verschuldung steht ebenso in enger Korrelation mit erhöhter Kaufsucht(gefährdung) wie ein mangelnder Überblick über Finanzen (z. B. indem keine Kontoauszüge gelesen werden). Hier können – ebenso wie beim Online-Shopping – jedoch nur Zusammenhänge beobachtet werden, ob beispielsweise die Kaufsucht Ursache für eine mangelnde Budgetplanung ist oder ob es sich umgekehrt verhält, kann anhand quantitativer Daten nicht festgestellt werden.

Veränderungen im Alltag wirken sich aus

Fakt ist jedoch, dass sich die Verfügbarkeit (und damit auch die Versuchung) durch Online-Shopping erhöht hat – so können gefährdete Personen auch Sonntag abend eine Bestellung im Internet tätigen und haben keine Cooling-off-Phase durch Schließzeiten der Geschäfte. Im Internet sind Konsument:innen auch anderen Risiken, wie z. B. Dark Patterns, ausgesetzt, die zu einem verstärkten Kauf verführen. Insbesondere Online-Plattformen wie kürzlich bspw. Temu sind hier in der Kritik, durch glücksspielähnliche Methoden oder zeitlichen Druck („nur noch 3 Stück verfügbar“) zum Einkauf zu animieren. Andererseits hat sich die Gefahr erhöht, die eigenen finanziellen Mittel aus den Augen zu verlieren, etwa durch „Buy now – pay later“-Optionen, aber auch die Bezahlmöglichkeiten durch Karten, Smartphones und Wearables. Der gesellschaftliche Druck, sich durch Konsum seinen Platz in der Gesellschaft erst zu „erkaufen“, ist nach wie vor hoch, insbesondere bei jungen Menschen. Statuskonsum und die Suche nach der Identität wirken hier als Trigger, immer öfter etwas Neues zu kaufen. Indirekt wird das Problem der schnellen Ersatzkäufe durch „frühzeitige Obsoleszenz“ – also kurze Haltbarkeit und mangelnde Reparierbarkeit – noch verstärkt. Kaufsucht ist daher nicht nur ein individuelles Problem, sondern bedarf unterschiedlicher Herangehensweisen. Neben der persönlichen Therapie sind gesellschaftliche Auseinandersetzungen und regulatorische Maßnahmen notwendig.

Um der Kaufsucht und den daraus resultierenden Konsequenzen wirksam entgegentreten zu können, braucht es eine Reihe von Maßnahmen:

  • Enttabuisierung des Themas Kaufsucht und niederschwellige Angebote für Suchtgefährdete
  • Erhöhter Schutz in der Online-Welt
  • Schutz vor Überschuldung (insbesondere für Jugendliche)
  • Erhöhung der Kompetenzen im Bereich Verbraucher- und digitaler Bildung
  • Wege aus der Beschleunigung sowie eine gesellschaftliche Wertedebatte und Auseinandersetzung mit Materialismus  
Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung