Trotz Pension keine Ermäßigung bei den Öffis! Vor allem Frauen sind betroffen

14. März 2019

Wussten Sie, dass es sein kann, dass Sie trotz Erreichung des gesetzlichen Antrittsalters und erfolgter Pensionierung keinen Anspruch auf eine SeniorInnenermäßigung bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben haben? Wie kann das sein?

2010 wurde vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Regelung, dass Männer ab dem 65. und Frauen ab dem 60. Lebensjahr als Senioren gelten und somit ab diesem Alter zum ermäßigten Tarif öffentliche Verkehrsmittel benützen dürfen, als gleichheitswidrig aufgehoben. Der VfGH stellte klar, dass eine Anknüpfung des Pensionistentarifs an unterschiedliche Altersgrenzen für Frauen und Männer, unabhängig davon, ob eine Pensionierung überhaupt erfolgt ist, gegen die Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes verstößt. Die aufgehobene Regelung hatte das gesetzliche Pensionsantrittsalter (Frauen: 60 Jahre/Männer: 65) als anspruchsbegründend herangezogen. Eine neue, diskriminierungsfreie Regelung für den Anspruch auf eine SeniorInnenermäßigung musste gefunden werden. Naheliegend war aufgrund der Entscheidung, den tatsächlichen Pensionsantritt heranzuziehen. Doch ein Schelm der Böses denkt.

Verschiebung der Regelungskompetenz vom Bund auf die Verkehrsträger

Eigentlich war zu erwarten, dass die aufgehobene Bestimmung der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie nun diskriminierungsfrei formuliert wird. Die Bestimmung hätte beispielsweise relativ einfach folgendermaßen geändert werden können:

Anstelle von

„Senioren – das sind Männer ab dem 65. und Frauen ab dem 60. Lebensjahr – kann bei Vorweis eines gültigen Lichtbildausweises eine 50%ige Seniorenermäßigung gewährt werden“

hätte bestimmt werden können:

„SeniorInnen – das sind alle Personen ab 63 und jüngere Personen, die den Bezug einer Eigenpension eines gesetzlichen Pensionsversicherungsträgers nachweisen können.”

Dem war jedoch nicht so. Die aufgehobene Bestimmung wurde nicht ersetzt.

Regelung durch die Verkehrsträger und -unternehmen

Die Folge war, dass nun – nachdem es nicht mehr durch eine Verordnung des zuständigen Bundesministeriums geregelt war – die Verkehrsverbünde und -unternehmen selbst nach ihrem eigenen Ermessen Regelungen treffen konnten. Man einigte sich auf der Ebene der Verkehrsverbünde darauf, ab 2012 die gemeinsame Altersgrenze für Männer und Frauen bei 60 Jahren festzulegen und diese Grenze dann alle zwei Jahre jeweils um ein Jahr zu erhöhen. Mit Ausnahme der Linz AG ist die SeniorInnenermäßigung derzeit wie folgt geregelt:

„SeniorInnen sind Fahrgäste ab dem vollendeten 63. Lebensjahr (d. h. ab dem 63. Geburtstag).

Ab 1.1.2020 ab dem vollendeten 64. Lebensjahr und ab 1.1.2022 ab dem vollendeten 65. Lebensjahr.„

Allein aufgrund des Alters von derzeit 63 Jahren – unabhängig vom gesetzlichen Pensionsanspruchsalter und unabhängig davon, ob eine Pension angetreten wurde – gewähren die Verkehrsverbünde und -unternehmen eine SeniorInnenermäßigung.

Es ist also nicht der mit der Pension einhergehende Einkommensverlust, der durch die Ermäßigung berücksichtigt werden soll, sondern allein das Alter – unabhängig vom Einkommen.

Anspruch auf Seniorenticket © A&W Blog
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Im Ergebnis kann nun ein 63-jähriger gutverdienender Manager mit einem ermäßigten Ticket fahren, eine 62-jährige Pensionistin mit kleinem Einkommen muss hingegen den Vollpreis zahlen.

Dass es sehr wohl anders geht, zeigt die Linz AG. Diese knüpft die Ermäßigung der Tarife an den tatsächlichen Pensionsantritt und entkräftet somit auch das Argument der übrigen Verkehrsträger, dass dies in der Praxis viel zu kompliziert und daher nicht durchführbar sei. Für die Ausstellung eines Ermäßigungsausweises für SeniorInnen ist lediglich die Vorlage des Pensionsbescheides nötig.

Verwirrung durch unterschiedliche „SeniorInnen-Definitionen“

Das Anspruchsalter wurde zudem völlig unabhängig von der mit 2024 beginnenden Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters von 60 auf 65 Jahre für Frauen gewählt. Dies trägt zur Verwirrung bei, und so gibt es nun zwei unterschiedliche Anhebungen des Anspruchsalters.

Einerseits wählten die Verkehrsträger/-unternehmen derzeit 63 Jahre (und ansteigend bis letztlich 65 Jahre im Jahr 2022) für die SeniorInnenermäßigung bei den öffentlichen Verkehrsmitteln. Andererseits wird mit 2024 – die auf 10 Jahre verteilte – Anhebung des gesetzlichen Alterspensionsantrittsalters von Frauen beginnen, die erst 2033 zu einem gesetzlichen Antrittsalter von 65 Jahren führen wird.

Trotz Einkommensverlust keine SeniorInnenermäßigung

Besonders gravierend ist jedoch, dass die derzeitige Regelung vielen PensionistInnen bei Antritt der Pension keine verbilligten Fahrscheine ermöglicht, obwohl sie tatsächlich bereits einen nicht unerheblichen Einkommensverlust verbuchen müssen.

Vor allem Frauen sind betroffen

Die derzeitige Regelung geht schlichtweg an der Lebensrealität der PensionistInnen vorbei. Das gesetzliche Pensionsantrittsalter ist für Frauen in Österreich derzeit 60 Jahre und nicht, wie die Regelungen der Verkehrsträger den Eindruck erwecken, 63 Jahre. Erst im Jahre 2033, also in 14 Jahren, wird das gesetzliche Pensionsantrittsalter für beide Geschlechter 65 Jahre sein. Vorab beginnend mit 2024 wird es zu einer schrittweisen Angleichung kommen. Bis dahin werden Frauen weiterhin mit 60 Jahren ihre Alterspension antreten, ohne eine SeniorInnenermäßigung zu erhalten.

Im Ergebnis führt die derzeitige Regelung der SeniorInnenermäßigung dazu, dass aufgrund des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ohnehin einkommensschwächere Frauen erst Jahre nach ihrem tatsächlichen Pensionsantritt in den Genuss einer SeniorInnenermäßigung kommen, während Männer bereits Jahre vor ihrem Pensionsantritt diese beanspruchen können.

Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern

Einkommensdifferenz Männer Frauen © A&W Blog
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Die Grafik oben zeigt, dass der Einkommensunterschied des Jahresbruttoeinkommens von unselbstständig erwerbstätigen Frauen und Männern 2017 immer noch 37,3 Prozent betrug.

Die durchschnittliche Höhe der Neuzugangspensionen 2017 differiert um 729,76 Euro. Durchschnittlich erhalten Frauen daher um über 40 Prozent weniger Pension als Männer. Bezieht man mit ein, dass die jetzige Ausgestaltung der SeniorInnenermäßigung einem vollverdienenden Mann mit 63 Jahren eine Ermäßigung gewährt und einer 62-jährigen Pensionistin nicht, so wird die getroffene Lösung noch weniger nachvollziehbar und vertretbar.

Durchschnittliche Neupension © A&W Blog
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Es trifft nicht nur ein paar wenige

Es ist auch nicht so, dass diese ungerechte Lösung nur einige wenige betrifft. Noch weitere 14 Jahre werden vor allem Frauen trotz Pensionsbezug keine SeniorInnenermäßigung erhalten. Erst dann werden Frauen ihre gesetzliche Alterspension mit 65 Jahren antreten und damit auch Anspruch auf eine SeniorInnenermäßigung bei Antritt der Pension erhalten. Auch die schrittweise Anhebung des Pensionsantrittsalters ab 2024 wird keine Abhilfe und keinen früheren Anspruch auf eine SeniorInnenermäßigung bringen. Die Verkehrsunternehmen haben nämlich bereits zwei Jahre zuvor (2022) das Anspruchsalter auf 65 Jahre angehoben.

Allein etwa 200.000 Menschen in Österreich wurden 2018 zwischen 60 und 63 Jahre alt und erhielten eine Pension. Ab 2022 wird man PensionistInnen zwischen 60 und 65 miteinrechnen müssen, sodass die Zahl der Betroffenen noch weiter in die Höhe schießen wird. Die gegenwärtige Regelung der Verkehrsunternehmen ist daher nicht nur im Ergebnis unsozial, sie trifft aufgrund der strikten und rasch steigenden Altersgrenze vor allem immer mehr Frauen. Bisher haben jedoch Bemühungen, die SeniorInnenermäßigung sozial verträglich zu gestalten, keine Früchte getragen. Die offensichtliche Benachteiligung will nicht gesehen werden. Nachdem die SeniorInnenermäßigung eine deutliche Erleichterung bei den Öffi-Kosten gerade für Menschen, die mit jedem Euro rechnen müssen, bedeutet, ist eine Neuregelung der SeniorInnenermäßigung dringend überfällig. Der Pensionsantritt allein muss auch vor Erreichung der Altersgrenze von derzeit 63 Jahren – und ab 2020 64 Jahren – zur Ermäßigung berechtigen.

Es ist daher erforderlich, dass der Verkehrsminister und die Verkehrsverbünde sich auf eine Neuregelung – am besten auf Verordnungsebene – und auf eine Entlastung der PensionistInnen einigen. Eine Ermäßigung für den öffentlichen Verkehr muss auf die tatsächliche Pensionierung abstellen und nicht auf ein von einer Pensionierung und damit von der sozialen Situation unabhängiges Alter.