Gerade erst vor ein paar Jahren hat das neue Jahrtausend begonnen, und bereits jetzt waren und sind einige globale Krisen zu verzeichnen. Die „Dot-com Bubble“ (2001), die Finanzkrise (2008), die Corona-Pandemie (2020) und die Klimakrise – um nur einige aktuelle und besonders herausfordernde zu nennen – sind Teil einer schon seit Längerem diagnostizierten „Vielfachkrise“. Das Wort „Krise“ (vom griechischen krisis) bedeutet Entscheidung, Zuspitzung oder entscheidende Wendung. Krisen sind demnach ein Kumulationspunkt, an dem es notwendig wird, sich mit bereits zuvor abzeichnenden strukturellen Wandlungen auseinanderzusetzen und mit ihnen umzugehen. Diese Herangehensweise kann auch auf die Verlaufsformen und Auswirkungen des durch Ökologisierung – insbesondere Dekarbonisierung – und Digitalisierung bedingten gegenwärtigen Strukturwandels angewendet werden. Aus dieser Perspektive handelt es sich im Kern um eine Frage der politischen und wirtschaftlichen Gestaltung. Nicht Naturgesetze entscheiden, wie sich die Veränderung auf uns und unser Leben auswirkt, sondern die politische und gesellschaftliche Willensbildung.
Umbrüche und Potenziale: die Rolle einer nachhaltigen Strukturwandelpolitik
Die notwendige Antwort auf die Klimakrise erfordert einen Wandel, in dem die fossile Basis unserer Arbeits- und Produktionsprozesse sowie unseres Konsumverhaltens auf einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Energie umgestellt werden muss. Damit verbunden sind große Umbrüche für Geschäftsmodelle, Sektoren und Branchen, die bisher stark von der (Aus-)Nutzung fossiler Energien abhängig sind. Aus diesen Umbrüchen speist sich auch die Befürchtung der Schrumpfung vormals großer Industriezweige und – damit einhergehend – von Arbeitsplatzverlusten. Unterschiedlich starke Ausprägungen der Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern erzeugen unterschiedlich starke Betroffenheit – nicht nur zwischen Branchen und Sektoren, sondern auch regional. Für die von Dekarbonisierung besonders stark betroffenen Regionen, zum Beispiel Braunkohlereviere und solche, die durch Automobilzulieferbetriebe geprägt sind etc., bedeutet dies unter Umständen substanzielle Verluste von Einkommen, Wertschöpfung sowie sozialer Stabilität und letztlich Lebensperspektiven von sehr vielen Menschen.
Der Strukturwandel hat viele Facetten und Gesichter sowie Einfluss und Konsequenzen für unterschiedlichste Politikfelder – von der Industrie-, Forschungs- und Technologiepolitik über die Regionalpolitik bis hin zu Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Es stellen sich Fragen nach der Rolle des öffentlichen Sektors, der generellen Ausrichtung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung sowie natürlich auch der Gestaltung eines gerechten Wandels („Just Transition“) unter dem Vorzeichen eines neuen Wohlstandsbegriffs (siehe Grafik).
Die Gestaltung des Strukturwandels verlangt dabei nicht weniger als das Zusammendenken der unterschiedlichen Politikfelder und deren Ausrichtung auf die Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Wie zum Beispiel Kate Raworth, Ann Pettifor oder Mariana Mazzucato argumentieren, braucht es eine gesellschaftliche Vision für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung für eine nachhaltige, gerechte und digitale Ökonomie der Zukunft. Diese Vision muss partizipativ und integrativ im gesellschaftlichen Diskurs ausgehandelt werden. Und sie muss dazu beitragen, alle AkteurInnen zu gemeinsamen Zielsetzungen zu verpflichten, nämlich den Pariser Klimazielen und der Verringerung des Digital Divide, der digitalen Kluft zwischen Gesellschaftsgruppen.