PPP: Pushing Private Profits

03. März 2017

Public-Private-Partnerships (PPP, zu Deutsch auch öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP)) passen gut in unser neoliberales Zeitalter. Sie betonen die zentrale Rolle der privaten kapitalistischen Unternehmung und die Vorteilhaftigkeit einer Partnerschaft zwischen solchen Unternehmen und dem öffentlichen Sektor. Hinter dieser rosigen „Win-Win“-Rhetorik verstecken sich jedoch viele Nachteile, die sich aus diesen äußerst komplexen, langfristigen vertraglichen Vereinbarung ergeben. Anstelle Budgets zu entlasten, stellen sie häufig ein finanzielles Stabilitäts- und öffentliches Kontrollrisiko dar. Die zweifellos notwendigen Investitionen können in der Regel altbewährt besser öffentlich finanziert werden.

Die Ursprünge der modernen Version von PPP finden sich in den 1980er in England, Australien, Kanada und den USA. Insbesondere die in England 1992 ins Leben gerufene Private Finance Initiative (PFI) gilt als Geburtsstunde dieses Instruments. Da die Privatisierungen unter der Eisernen Lady Maggie Thatcher mehr Probleme verursachten als lösten, folgte noch unter dem konservativen John Major eine leichte Korrektur – nicht zuletzt auf Zuruf der „British Confederation of Industrialists“. Offizielles Ziel war es, die öffentliche Infrastruktur – Straßen, Eisenbahnstrecken, Schulen, Krankenhäuser – durch das Einbeziehen privater Finanzierung auszubauen, ohne dass die Staatsverschuldung unmittelbar ansteigen sollte.

Ein Buchhaltertrick als Türöffner

Die Argumentation lautete, dass der Staat keine neuen Schulden machen müsste, denn dies würden jetzt ja private Akteure übernehmen, die im Gegenzug vom Staat eine jährliche Vergütung über 25-30 Jahre für Ihre Investitionen erhalten. Im Kern ging es dem konservativen Premier Major darum, die öffentlichen Haushalte zu umgehen. Dies ist auch nach wie vor das zentrale Motiv für den Einsatz von PPP – auch wenn es wohl das schwächste Argument der Befürworter ist. Denn letztendlich handelt es sich um einen buchhalterischen Trick, der eine einmalige große Investitionsausgabe in eine Serie kleinerer jährlicher Rückzahlungen verwandelt. Dieses Kreditarrangement hat einen anderen Namen, aber die eingegangen Verpflichtungen müssen am Ende der Laufzeit wie bei der traditionellen Fremdfinanzierung zurückgezahlt werden.

Dieses Geschäftsmodell war für private Unternehmen insbesondere interessant, denn es öffnete Unternehmen den „Markt“ für öffentliche Infrastruktur und sicherte ihnen gleichzeitig langfristige, stabile und planbare Einnahmen zu. Hier zeigt sich, dass die Rede vom schlanken Staat trügerisch ist. Denn die privaten Profiteure dieses Geschäftsmodells wollen nicht weniger, sondern mehr Staat – zumindest wenn es um ihre garantierten Umsätze geht, die in letzter Instanz zum Großteil aus staatlichen Budgets (Steuern) kommen.

Ausgehend von der eingangs genannten Gruppe wirtschaftsliberaler Staaten fanden PPP seit den 1990ern zunehmende Verbreitung, wobei rund die Hälfte der weltweite PPP-Projekte in Europa zu finden sind. Auffällig ist, dass Staaten mit höherem Verschuldungsgrad häufiger auf PPP zurückgreifen.

Kostenüberschreitungen, Skandale und ganz normale Probleme

Während PPP bis zum Ausbruch der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 häufig als Wundermittel gepriesen wurden, die 10-20 % billiger kämen als herkömmliche Bereitstellung durch die öffentliche Hand, kehrte spätestens mit der Finanzkrise etwas mehr Realitätssinn ein. Eine steigende Zahl an aus dem Ruder gelaufenen PPP-Projekten brachte diese Art von “Partnerschaft” in Verruf. In Deutschland zählt dazu eine Reihe von Projekten, die ironischerweise auch mit dem jährlich ausgelobten „Innovationspreis PPP“ ausgezeichnet wurden. Bei der kürzlich (mit 7 Jahre Verspätung) eröffneten Elbphilharmonie in Hamburg wurden die Kosten ursprünglich mit 77 Mio EUR für Hamburg veranschlagt – am Ende werden die HamburgerInnen das Zehnfache bezahlt haben. Ebenfalls kräftig verkalkuliert hat man sich bei dem größten deutschen Schul-PPP – der Sanierung von knapp 90 Schulen im Kreis Offenbach und dem anschließende Betrieb für 10 Jahre (1,3 Milliarden anstelle von 780 Mio EUR). Weitere skandalträchtige Fälle in Frankreich betreffen die Errichtung des neuen Sitzes des Verteidigungsministeriums oder das angeblich modernste Spitalsprojekt im Süden der französischen Hauptstadt.

Zu diesen besonders plakativen Fällen kommen eine Reihe von parlamentarischen Untersuchungen und Rechnungshofberichten hinzu, die nahelegen, dass PPP in der Regel mehr Probleme verursachen, als sie zu lösen vorgeben. In England, dem Ursprungsland der PPP mit der längsten Erfahrung, kommt der Haushaltsausschuss des britischen Unterhauses 2011 zu folgenden wesentlichen Ergebnissen:

    1. mit PPP-Projekten wird die Schuldenbremse umgangen,
    2. die Projekte sind wenig wirtschaftlich
    3. die Berechnungen sind geschönt.

Auch die deutschen Rechnungshöfe kommen im selben Jahr in einer gemeinsamen Bewertung bisheriger PPP-Projekte zum Schluss, dass die Effizienzvorteile von PPP im Trend überschätzt werden und die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen tendenziös und die PPP-Varianten daher schöngerechnet sind. Und in Frankreich hatte eine 18-monatige Untersuchungskommission des Senats im Jahr 2014 PPP relativ unverblümt als budgetäre Zeitbomben bezeichnet.

„The only game in town“ in Zeiten wirtschaftspolitischer Selbstfesselung?

Stutzig macht, dass PPP trotz der zunehmenden Kritik wieder verstärkt auf der politischen Agenda stehen. In Europa sollen mit dem Juncker-Plan „zusätzliche“ private Mittel für Investitionen generiert werden, nicht zuletzt über die PPP-Schiene. In Deutschland lässt CSU-Verkehrsminister Dobrindt 10 neue Autobahn-PPP im Gesamtwert von rund 14 Mrd. EUR lancieren, obwohl der Bundesrechnungshof nach Prüfung der bisher realisierten Autobahn-PPP festhält, „dass die bisherigen ÖPP-Projekte unwirtschaftlich sind“. In Österreich lässt die Stadt Wien in Zukunft Schulprojekte als PPP errichten, anstatt wie bisher in bewährter – und billigerer – konventioneller Ausführung. Und in Salzburg wird der Bau des ohnehin umstrittenen Gitzentunnels als PPP ins Auge gefasst – mit geschätzten Gesamtkosten von 220 Mio EUR, die das Land über 25 Jahre an die Investoren zurückzahlen soll.

Ein zentraler Treiber hinter dieser unerwarteten Renaissance, ist die Möglichkeit die Budgetrestriktionen in Zeiten wirtschaftspolitischer Selbstfesselung (Stichwort Fiskalregeln) zu umgehen. Den BürgerInnen kann man so offiziell die sogenannte „gute Haushaltsführung“ und die „schwarze Null“ vorgaukeln. Gleichzeitig verschweigt man aber, dass ein Schattenhaushalt entsteht, der nicht nur intransparent, sondern häufig auch ineffizient und ein Stabilitätsrisiko ist. Dies ist auch der zentrale Kritikpunkt, den ansonsten konservative Institutionen wie der IWF oder die EU-Kommission teilen. PPP werden hier immer wieder als potentielle Versuchung „unvorsichtiger“ PolitikerInnen gebrandmarkt, die mit Steuergeld prassen. Portugal stellt ein warnendes Beispiel dar. Die jährlichen Zahlungen für die zwei größten PPP Straßenprojekte beliefen sich auf rund 800 Mio EUR, während das gesamt nationale Transportbudget lediglich 700 Mio EUR ausmachte.

Gleichzeitig sind es aber dieselben Institutionen, die die Einbindung privater Unternehmen mittels PPP massiv fördern, und zwar sowohl ideologische als auch finanziell. Dies geschieht vor allem auf internationaler Ebene durch die Weltbank und den IWF sowie Regionale Entwicklungsbanken (z.B. EIB, EBRD). Darüber hinaus wird auf zwischenstaatlicher Ebene im Rahmen der G20/G8 und der OECD an der Verbreitung von PPP gearbeitet. Auch auf nationalstaatlicher Ebene sind es neben öffentlicher Subventionierung vor allem eigens geschaffene Beratungseinrichtungen, die innerhalb des öffentlichen Sektors PPP vorantreiben sollen.

Der Interessenskonflikt zwischen unabhängig beraten und prüfen ALLER Optionen einerseits und fördern EINER bestimmten Option andererseits ist offensichtlich, wird aber auf politischer Ebene bisher ignoriert. So hatte etwa der französische Rechnungshof bereits mehrfach empfohlen, die entsprechende französische Stelle (MAPPP) auf eine unabhängige Beratungsstelle zu reduzieren – bisher ergebnislos. In Deutschland hat sich die ÖPP Deutschland AG als scheinbar unabhängige Instanz etabliert, an die sich hilfesuchende Kommunen und Bundesländer wenden können, wenn sie Infrastruktur finanzieren wollen. Scheinbar unabhängig, denn neben dem deutschen Staat sind ausgerechnet jene Unternehmen, die bisher am PPP-Markt verdienen, als Eigentümer mit an Bord. Diese Policy-Netzwerke sind ein zweiter wesentlicher Treiber hinter der unerwarteten Rückkehr von PPP.

Die Interessen von BBB treiben PPP

Integraler Bestandteile dieser Netzwerke sind drei Akteursgruppen, die knapp mit dem Kürzel BBB umschrieben sind: BeraterInnen, Baukonzerne, Banken. Sie alle haben ein großes Interesse an der Selbstentmachtung, die die öffentliche Hand mit PPP betreibt.

Externen BeraterInnen nehmen an mehreren Punkten eine Schlüsselrolle ein: WirtschaftsprüferInnen stellen Wirtschaftlichkeitsvergleich für unterschiedlicher Variante der Projekt-Realisierungen an, nehmen die Bewertung der eingereichten PPP-Angebote vor und arbeiten an „steueroptimierten“ Projektmodellen. Ebenfalls zentrale Player sind große Anwaltskanzleien, die für die Gestaltung der – üblicherweise geheim gehaltenen – Vertragswerke verantwortlich sind und dafür entsprechende Summen lukrieren.

Zur zweiten Gruppe zählen die großen nationalen Baukonzerne, denn für sie stellt der PPP Markt ein lukratives Geschäftsfeld dar, auf dem der Wettbewerb relativ gering ist. Durch die Komplexität von PPP wird die klein- und mittelständische Bauwirtschaft von vornherein weitgehend von der direkten Beteiligung ausgeschlossen.

Banken sind die dritte Gruppe, die sich nicht zuletzt an der „innovativen“ Gestaltung der Infrastrukturfinanzierung über diverse Fonds ihrer Tochtergesellschaften beteiligen. Für sie und zunehmend auch andere Finanzinvestoren bieten PPP eine Möglichkeit, ihren „Anlagennotstand“ zu lindern, indem sie renditesuchendes Überschusskapital unterbringen können. Darüber hinaus können sie über die Beteiligung an der Infrastrukturfinanzierung eine Reihe neuer Finanzprodukte entwickeln. Zentrale KäuferInnen sind Infrastrukturfonds, die zunehmend in – erraten – Steueroasen angesiedelt sind, und die von reichen Individuen gehalten werden. Die fünf größten dieser offshore PPP Infrastrukturfonds haben in der Periode 2011-2015 demnach einen Gewinn von rund €2.1 Mrd. EUR gemacht und haben dafür exakt NULL Euro Steuer bezahlt.

Die Interessen von BBB treiben PPP

Zugespitzt kann man also resümieren, dass PPP nicht nur häufig ein Stabilitätsrisiko für die öffentlichen Haushalte sind und sich weitgehend der öffentlichen Kontrolle entziehen. Sie sind auch ein Umverteilungsprogramm – und zwar von unten nach oben. Anstatt Regulierungen zu entwickeln und Förderprogramme aufzulegen, die an der finanziellen Kommodifizierung von Infrastruktur arbeiten, wäre es geboten, diesen Bereich von den Boom-Bust-Zyklen der Finanzmärkten zu isolieren. Die zweifellos notwendigen Investitionen in die Ökonomie des Alltäglichen – Kindergärten, Schulen, Spitäler, Bahn, Wohnungen – können in der Regel günstiger und mit weniger Risiko durch bewährte Finanzierung des öffentlichen Sektors bewerkstelligt werden. Dazu müsste man aber die gegenwärtige Gestaltung der Fiskalregeln ändern, denn sie wirken in ihrer jetzigen Form wie ein Förderprogramm für PPP.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Falter-Sonderbeilage „Öffentlich/Privat – ein paradoxes Verhältnis” (die auch als PDF heruntergeladen werden kann) und wurde für den Blog überarbeitet bzw. gekürzt. Die Beilage ist Teil der Reihe „Ökonomie – Eine eine kritische Handreichung“.