Österreichs Wirtschaft investiert mehr als die deutsche

04. Februar 2016

Die Investitionen sind eine Schlüsselgröße für die konjunkturelle aber auch die langfristige wirtschaftliche Entwicklung. Die Investitionsquote ist in den letzten zwanzig Jahren merklich zurückgegangen und ein neuerlicher Anstieg ist nicht in Sicht. Allerdings investiert die österreichische Wirtschaft allen Unkenrufen zum Trotz nach wie vor deutlich mehr als jene der Eurozone oder Deutschlands. Der Investitionsbedarf ist angesichts des starken Bevölkerungswachstums dennoch hoch – vor allem bei der öffentlichen Infrastruktur.

Finanzboom und Finanzkrise bremsen Investitionen

Die Investitionsquote, der Anteil der nominellen Bruttoanlageinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt, war in Österreich über die letzten beiden Jahrzehnte rückläufig: Während sie 1995 noch 25,4% betrug, lag sie 2014 nur noch bei 22,4% (-3 Prozentpunkte). Dies dürfte vor allem drei strukturelle Ursachen haben:

  • Den internationalen Finanzboom zwischen Mitte der 1990er und Mitte der 2000er Jahre, im Rahmen dessen wirtschaftliche Tätigkeiten in erheblichem Umfang von der Realwirtschaft – und damit den materiellen Investitionen – zur Finanzwirtschaft verlagert wurden.
  • Die Tertiärisierung der Wirtschaft, die zu einer tendenziellen Abnahme materieller Investitionen führt; allerdings sind die wachsenden immaterielle Investitionen (Geistiges Eigentum, darunter v.a. F&E Ausgaben) seit dem Übergang zum ESVG 2010 im Rahmen der Investitionen erfasst.
  • Die starke Unterauslastung, die ungünstigen Absatzerwartungen und die verbreitete Unsicherheit, die seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 die Rahmenbedingungen für die Investitionstätigkeit der Unternehmen massiv verschlechtert haben.

Es ist bemerkenswert, dass der Rückgang der Investitionsquote trotz starker Zunahme der Gewinnquote erfolgte: Der Anteil der Einkommen aus Besitz und Unternehmung erhöhte sich von etwa 25% auf über 30% hat. Statt die Gewinne für Lohnsteigerungen und Investitionen volkswirtschaftlich wohlstandsschaffend zu verwenden, wurde ein wachsender Teil an die Eigentümer ausgeschüttet und dann auf den Finanzmärkten verspekuliert.

Österreichs Wirtschaft investiert relativ viel

Die oben skizzierten Rahmenbedingungen gelten für die gesamte Eurozone, wo ein markanter Rückgang der Investitionsquote feststellbar ist: Betrug der Investitionsanteil 1995 noch 21,6% des BIP, so lag er – nach einer mehrjährigen Aufwärtstendenz im Zuge der Immobilienblase bis zum Beginn der Finanzkrise – 2014 nur noch bei 19,7%. In Deutschland ging die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote im gleichen Zeitraum von 23,4% auf 20,1% des BIP zurück (-3,3 Prozentpunkte).

Dekoratives Bild © A&W Blog
Datenquelle: Eurostat. © A&W Blog
Datenquelle: Eurostat.

Für die wirtschaftspolitische Debatte ist also weniger der strukturelle Rückgang des Anteils der Investitionen am BIP in Österreich bemerkenswert, als vielmehr ihr im Vergleich mit der Eurozone und auch gegenüber Deutschland nach wie vor recht hohes Niveau.

Die österreichische Wirtschaft investiert deutlich mehr als die deutsche. Die Unterschiede im Niveau der Investitionstätigkeit betreffen vor allem die Investitionen in Ausrüstungen (Maschinen, Fahrzeuge und Elektrogeräte) und sonstige Anlagen (geistiges Eigentum), kaum hingegen die Bauinvestitionen. Wollte Deutschland das österreichische Investitionsniveau erreichen, dann müssten pro Jahr mehr als 60 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden.

Deutsche Infrastruktur verfällt

Relevant sind jedoch auch die öffentlichen Investitionen: Ihr Anteil am BIP ist in Österreich über die letzten Jahre mit etwa 3% konstant. In der Eurozone war er 2014 mit 2,7% leicht niedriger, hingegen beträgt er in Deutschland nur etwa 2% des BIP. Der schleichende Verfall der Infrastruktur und ein hoher Investitionsbedarf werden regelmäßig von den deutschen Forschungsinstituten beklagt.

Seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 haben sich die gesamtwirtschaftlichen Investitionen in Österreich und Deutschland recht ähnlich entwickelt: Während sie in der Eurozone real um 0,8% pro Jahr geschrumpft sind, haben sie sich in Deutschland (+2,4%) und in Österreich (+2%) erhöht. Nur 2014 und (laut vorläufiger Rechnung auch) 2015 leisteten die Bruttoanlageinvestitionen in Deutschland einen höheren Beitrag zum Anstieg des BIP als in Österreich.

Die seit dem Frühjahr 2015 bemerkbare Erholung der Konjunktur, die vom Export ausgegangen ist und die Sachgütererzeugung erfasst hat, zeigt sich mittlerweile auch in Form einer leichten Belebung der Ausrüstungsinvestitionen. Das WIFO rechnet 2015 bis 2017 mit einem realen Anstieg um 2½% bis 3% pro Jahr (nach 1,3% 2014). Auch die Bauinvestitionen dürften 2016 und 2017 wieder etwas wachsen (nach drei Jahren realen Rückgangs). Doch ein kräftiger Investitionsaufschwung nach traditionellen Mustern mit Zuwachsraten von 5% bis 6% pro Jahr ist angesichts der anhaltenden Unterauslastung der Kapazitäten nicht absehbar.

Koordinierter Investitionsimpuls in der Eurozone notwendig

Umso wichtiger ist ein kräftiger Impuls durch öffentliche Investitionen, der angesichts des raschen Bevölkerungswachstums ohnehin dringend geboten ist. Dafür muss zum ersten Spielraum auf EU-Ebene durch die Flexibilisierung der Fiskalregeln im Wege der Einführung einer Goldenen Investitionsregel geschaffen werden. Zum zweitens müssen alle Mitgliedsländer der Währungsunion koordiniert ihre Investitionen erhöhen, weil dadurch die Multiplikatorwirkung auf Nachfrage und Beschäftigung potenziert wird. Wann, wenn nicht bei einem so niedrigen Zinsniveau wie heute, sollten wichtige öffentliche Infrastrukturinvestitionen umgesetzt werden?