Eltern in der Klemme: Beruf und Schule

20. Juni 2018

Das österreichische Schulsystem setzt deutlich auf Eltern als Lernressource. Es wird vorausgesetzt, dass Eltern mit ihren Kindern lernen, bei Hausübungen unterstützen und den Lernfortschritt ihrer Kinder im Auge haben. Jeder, der ein Kind hat wünscht sich, dass es in der Schule Erfolg hat, daher versuchen Eltern diesen Erwartungen gerecht zu werden. Jede/r Vierte lernt täglich mit dem eigenen Kind. Zumindest so gut man eben kann. Denn nur wenige Eltern können den Unterrichtsinhalt verständlich erklären. Weiters haben Eltern oftmals fachlich Schwierigkeiten zu unterstützen.

Michaela, Mutter von zwei Kindern, kommt um 18 Uhr von der Arbeit nach Hause, kocht schnell ein Abendessen. Andreas kommt in die Küche und hat Fragen zu seiner Hausübung, heute Weg-Zeit-Rechnungen. Was dann folgt, wird kaum jemanden überraschen, Michaela ist so wie viele Eltern von dieser Situation überfordert, kann nicht alle Fragen beantworten oder gut erklären, wird nervös und gestresst. Am Ende dieses Momentes streiten Andreas und Michaela, da es für beide zu viel ist.

Die Nachhilfe Studie der Arbeiterkammer zeigt, so wie Michaela geht es jedem/jeder dritten Mutter und Vater. Das Arbeiten für die Schule geht in der Familie weiter und belastet SchülerInnen wie Eltern.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Neben dem Versuch zu Hause zu lernen, greifen immer mehr Familien auf bezahlte und kostenlose Nachhilfe zurück. Bereits jeder Vierte braucht Nachhilfe. Besonders in den Volksschulen schockiert die Verdoppelung auf 14% der Volksschulkinder, die bereits Nachhilfe brauchen. Anzunehmen ist, dass die angekündigten „AHS-Aufnahmeprüfungen“ in der dritten Klasse Volksschule und die Wiedereinführung der Noten bereits den Druck bei sehr jungen
Kindern steigen lassen.

Hochgerechnet bis zum Schulschluss, bringen Eltern in Österreich eine unfassbare Menge von 94 bis 97 Millionen Euro für Nachhilfe auf.

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Verschränkte Ganztagsschule übernimmt Verantwortung

Doch nicht in allen Schulen stehen Familien gleich unter Druck, immer mehr Schulen übernehmen die Verantwortung für den Schulerfolg. Besonders in verschränkten Ganztagsschulen, in denen Lern-, Fördereinheiten, Freizeit- und Erholungsphasen ideal über den Tag verteilt werden, zeigen Erfolge.

Von SchülerInnen, die eine Ganztagsschule besuchen, bekommen insgesamt 12 Prozent bezahlte Nachhilfe. Das liegt unter dem Gesamtschnitt für bezahlte Nachhilfe (15 Prozent). Besonders gering ist der Nachhilfebedarf in Ganztagsschulen, die in Bezug auf die Qualität der Nachmittagsbetreuung von den Eltern sehr gut bewertet werden. In diesen Ganztagsschulen bekommen nur 5 Prozent der SchülerInnen bezahlte Nachhilfe.

Schluss mit dem Lerndruck auf die Familien

Wir brauchen eine faire Aufgabenteilung von Schule, Beruf und Platz für Freizeit. Arbeit und Schule müssen so organisiert werden, dass sich Eltern in der Arbeit auf diese konzentrieren können und darauf verlassen können, dass ihre Kinder in der Schule umfassend gefördert werden. Nach einem 12-Stunden-Tag kommen Familien noch mehr unter Druck. Zuhause soll die Beziehung, Erholung und Freizeit im Zentrum stehen und die Arbeit, auch die Arbeit für die Schule, abgeschlossen sein. Echte Familienentlastung verlangt daher ein Bündel von Maßnahmen in der Schulorganisation und ihrer Finanzierung.

Zentrale Ansatzpunkte für den Ausweg aus der Klemme zwischen Beruf und Schule

  • Ausbau der Ganztagsschulen beschleunigen – nicht verlangsamen.
  • Mehr echte, verschränkte Ganztagsschulen: Das AK Nachhilfebarometer zeigt eindeutig, dass nur die echte Ganztagsschule die Eltern vom Lernen mit den Kindern und von teurer Nachhilfe entlastet. Und: Der Besuch einer Ganztagsschule muss im Unterschied zu derzeit beitragsfrei sein.
  • In einem ersten Schritt Ausbau des regelmäßigen Förderunterrichts: Für den Förderunterricht muss ein zweckgebundener Fördertopf eingerichtet werden. So wie in den Volksschulen muss der regelmäßige Förderunterricht auch ab der Mittelstufe gleich ab Beginn des Schuljahrs leicht und unbürokratisch zugänglich sein.
  • Neue Schulfinanzierung nach einem Chancenindex: Pro Schülerin, pro Schüler, deren Eltern selber keinen Hochschulabschluss haben, soll die jeweilige Schule mehr Geld bekommen – damit sie die Kinder besser fördert.