Monitoring des effektiven Pensionsantrittsalters - Bisherige Pensionsreformen weitgehend wirkungslos?!

07. November 2013

In den Medien ist seit Wochen unter Berufung auf die Pensionskommission und verschiedene „Pensionsexperten“ immer wieder zu lesen bzw. zu hören, dass die bisherigen Pensionsreformen weitgehend wirkungslos geblieben wären und keine nennenswerten Veränderungen beim Pensionsantrittsverhalten gebracht hätten. Die tatsächliche Entwicklung schaut gänzlich anders aus!

Verzerrte Darstellung auf Basis ungeeigneter Indikatoren

Begründet werden die angeblich nur geringfügigen Änderungen im Pensionsantrittsverhalten mit Ausschnitten aus dem Monitoring-Bericht der Pensionskommission zum Pensionsantrittsalter 2012‎, in denen der Anstieg des Durchschnittsalters der Direktpensionen von 2005 bis 2012 mit 0,3 Jahren (Frauen) bzw. 0,4 Jahren (Männer) ausgewiesen wird. Für diese Erkenntnis hätte man allerdings nicht auf die Vorlage des (140 Seiten starken) Monitoring-Berichtes der Kommission warten müssen, da diese Werte bereits seit April 2013 im Handbuch der österreichischen Sozialversicherung  2013 (S. 96) nachzulesen sind!

Der Grund für die Erstellung des umfangreichen Berichtes liegt aber genau darin, dass diese Werte nur eine geringe Aussagekraft besitzen und daher für ein Monitoring von Veränderungen im Pensionsantrittsverhalten ungeeignet sind!

Das resultiert einerseits aus der ungenauen Berechnungsweise. Es handelt sich hierbei nämlich nur um eine Grobberechnung des Pensionsantrittsalters auf Jahresbasis (Pensionsantrittsalter = Jahr der Pensionierung minus Geburtsjahr), andererseits sind die Ergebnisse durch Veränderungen in der Altersstruktur, der Auslandspensionsanteile etc. verzerrt.[1]  Dieses Faktum ist an sich unter Pensionsexperten unbestritten, umso verwunderlicher ist es, dass manche ihre Schlussfolgerungen nunmehr genau damit begründen.

Genauere Analyse zeigt ein anderes Bild

Diese bekannten Mängel der bisherigen Berechnungsweise sind der Grund, warum im Rahmen des umfangreichen Monitoring-Berichtes nunmehr genauere Berechnungen angestellt wurden.

Exakte Berechnungen des Antrittsalters unter Bezugnahme auf Inlandspensionen bzw. auch unter Bereinigung der Veränderungen der Altersstruktur ergeben einen Anstieg der tatsächlichen Antrittsalters seit 2005 bei Männern um 1,2 bzw. 1,4 Jahre und bei Frauen um 0,8 bzw. 0,7 Jahre! Diese Ergebnisse werden  aber in der bisherigen medialen Berichterstattung beharrlich ignoriert.

Bei diesen Ergebnissen ist weiter zu bedenken, dass die weitreichenden Verschärfungen der Pensionszugangsbedingungen (Abschaffung bestimmter vorzeitiger Alterspensionen, Anhebung der Altersgrenzen, Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen) bereits mit 2000 beschlossen wurden. Die von 2000 bis 2005 bereits erfolgten Anhebungseffekte bleiben in der Analyse des Antrittsalters von 2005 bis 2012 gänzlich ausgeblendet. Die insgesamt  bereits realisierte Erhöhung des durchschnittlichen Antrittsalters liegt merklich über den oben genannten Werten. Insofern ist auch die Wahl des Analysezeitraumes im Monitoring-Bericht nicht nachvollziehbar.

Eine weitere Einschränkung ist bei einer korrekten Interpretation der Ergebnisse zu beachten: Die bisherigen Reformen haben sich weitgehend auf die Altersgruppen 55-60 (Frauen) bzw. 57-62 (Männer) bezogen, mit der Invaliditätspensions-Reform werden in weiterer Folge auch jüngere Altersgruppen betroffen sein. Natürlich beschränken sich auch die Auswirkungen der pensionsrechtlichen Änderungen auf das Pensionsantrittsverhalten der betroffenen Altersgruppen.  Bei der Berechnung des durchschnittlichen Pensionsantrittsalters insgesamt fließen aber sämtliche Neuzuerkennungen aller Altersgruppen (Invaliditätspensionsantritte in jüngeren Jahren, Antritte zum Regelpensionsalter) ein. Selbst sehr deutliche Änderungen im Pensionsantrittsverhalten der betroffenen Altersgruppen wirken sich daher nur merklich abgemildert in einem Anstieg des Durchschnittsalters insgesamt aus. Wesentlich aussagekräftiger wäre daher eine (genaue und bereinigte) Berechnung differenziert nach Altersgruppen.

Erhebliche Veränderungen im Erwerbs- und Pensionsantrittsverhalten in der Altersgruppe 55+ seit dem Jahr 2000

Dass die weitreichenden pensionsrechtlichen Änderungen seit 2000 sehr wohl erhebliche Auswirkungen auf das Pensionsantrittsverhalten hatten, zeigt auch ein Blick auf den Verlauf der Erwerbsquoten in den Altersgruppen 55-64 (Männer) bzw. 55-59 (Frauen) mehr als deutlich. Die Behauptung, die bisherigen Pensionsreformen seien weitgehend wirkungslos geblieben und daher sei auch „wenig Optimismus“ hinsichtlich der erst künftig wirkenden Maßnahmen angesagt, erweist sich vor diesem Hintergrund als nahezu grotesk.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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[1] Das errechnete Durchschnittsalter wird wesentlich von der Altersstruktur beeinflusst. Bei z.B. unverändertem Pensionsantrittsverhalten und stärkerer Besetzung jüngerer (pensionsrelevanter) Altersgruppen ergibt sich allein aus der veränderten Altersstruktur eine Reduktion des errechneten Antrittsalters.