Millionäre besteuern statt Aushungern des Staates!

02. Juli 2014

Die Debatte über die längst überfällige Steuerreform spitzt sich auf die Frage der Notwendigkeit einer Gegenfinanzierung durch vermögensbezogene Steuern – insbesondere durch eine sogenannte „Millionärssteuer“ – zu. Der nachfolgende Beitrag fasst die neuesten Fakten zur Verteilung des Reichtums zusammen und hinterfragt die Behauptungen, durch Einsparungen in der Verwaltung wäre eine Lohnsteuersenkung locker finanzierbar.

Bei den Positionen „Einsparungen“ und „Millionärssteuer“ prallen zwei wirtschaftspolitische Ansätze aufeinander: der eine – er kann kurz als neoliberal bezeichnet werden – plädiert für einen abgemagerten Staat und will staatliche Aktivitäten (mit Ausnahme solcher, die der Gewinnpflege oder Privilegierung kleiner Gruppen dienen) sowie ihre Finanzierung über Steuern reduzieren. Die Alternative ist ein wirtschaftspolitisch aktiver Staat, der durch öffentliches Investieren und durch eine gerechte (Um- bzw. Rück-)Verteilung (vgl. Truger) die reale Nachfrage stärkt und damit dauerhaft Vollbeschäftigung anstrebt. Das ist auch im Interesse der lohnabhängig Werktätigen.

„Sparen“ bei öffentlicher Verwaltung?

Doch in der derzeit in Österreich laufenden Steuerreformdebatte fordern die Einen eine Absenkung der sogenannten Abgabenquote und die Finanzierung der Lohnsteuersenkung durch „Sparen“ (siehe VK Spindelegger) – durch weniger Staatsausgaben, also durch weniger Nachfrage. Die anderen sehen die Notwendigkeit einer Gegenfinanzierung, bevorzugt durch Mehreinnahmen aus vermögensbezogenen Steuern. Das Ziel einer geringeren Abgabenquote ist aus mehreren Gründen sehr fragwürdig: diese Zahl zeigt nur an, wie viel von der Wirtschaftsleistung (BIP) an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen an die öffentliche Hand zur Finanzierung ihrer Leistungen geht. Dabei gibt es zudem unterschiedliche Berechnungskonzepte, die für Österreich zwischen 43 und über 45 Prozent ergeben. Die Quote zeigt nicht an, wie viel Steuern jeweils von den ArbeitnehmerInnen, von den KonsumentInnen, von den GewinnbezieherInnen, von den Vermögenden kommen. Sie zeigt insbesondere nicht die zu hohe Belastung der Löhne und Gehälter an (vgl. EU-KOM).

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Und in der Realität ist erkennbar, dass höhere Abgabenquoten die wirtschaftliche Entwicklung nicht behindern. Im Gegenteil, im Sinne einer umfassenden Wohlstandsmehrung ist ein aktiver Staat notwendig. Und bei Pflege, Kinderbetreuung, Bildung gibt es hohen Verbesserungs- und somit Finanzierungsbedarf.

Der nächste Schritt in diesem Propagandaszenario ist, „die Politiker“ als verschwenderisch, den Staat als Fass ohne Boden, wo die Steuergelder für eine unnütze Bürokratie verschwinden, usw. darzustellen. Dabei wird mit absurden Milliardenbeträgen nur so herum geworfen, die angeblich einsparbar wären, ohne dass die StaatsbürgerInnen etwas über verminderte öffentliche Leistungen merken würden. Es geht offensichtlich ohnehin nur darum, den Sozialstaat generell in der Meinung der Bevölkerung mies zu machen.

Verwaltungsausgaben im Mittelfeld

Sicherlich gibt es Einsparungspotenziale in der Verwaltung, die auch gehoben werden sollen. Die viel bemühten 599 Einsparungsvorschläge des Rechnungshofes sollen geprüft und wenn möglich auch umgesetzt werden. Hier geht es meist um Einsparungen in ein- bis zweistelliger Millionenhöhe. Der Rechnungshof distanziert sich davon, dass in diesem Zusammenhang Einsparungspotentiale von mehreren Milliarden Euro genannt werden. Und wenn dann noch – wie von der Industriellenvereinigung gefordert – nach den ohnedies bereits durchgeführten Spitals-, Gesundheits- und Pensionsreformen Milliarden eingespart werden sollen, ist klar, dass einer massiven Verschlechterung der Alters- und der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung das Wort geredet wird (IV-Präsident Kapsch).  Auch eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes aus 2008 kommt zum Ergebnis, dass bei den Ausgaben für die Verwaltung im engeren Sinn Österreich im Mittelfeld der EU-Staaten liegt. Nur im Vergleich mit „magersüchtigen“ Staaten kommt man auf ein Einsparungspotenzial von mehreren Milliarden Euro – hier stellt sich die Frage, ob derartige Staaten als Vorbild dienen sollen.

Öffentliche Verwaltung von der Bevölkerung geschätzt

Die Staatsquote ist in Österreich höher als anderswo, was an der guten Qualität öffentlicher Leistungen liegt – sie resultiert also aus höheren Sozial- und Gesundheitsausgaben.

In der vom Klub der Industriestaaten (OECD) veröffentlichten Studie „Government at a Glance“ wird der öffentlichen Verwaltung in Österreich grundsätzlich ein positives Zeugnis ausgestellt: gemessen an der Zufriedenheit mit und am Vertrauen in die öffentlichen Leistungen werden diese von der Bevölkerung – im internationalen Vergleich überdurchschnittlich – hoch geschätzt. Auch laut einer Eurobarometer-Befragung zum Sozialklima stellt Österreichs Bevölkerung seiner öffentlichen Verwaltung Mitte 2013 ein überdurchschnittlich positives Zeugnis aus: mehr als zwei Drittel (69 %) beurteilen sie als gut bis sehr gut, im EU-Schnitt sagen dies nur 40 Prozent. Für rund jede/n Zehnte/n hat sich die Staatstätigkeit in den letzten fünf Jahren sogar verbessert – doppelt so viel wie EU-weit, wo dies nur fünf Prozent so sehen (Eurobarometer).

Es ist also nicht weit her mit dem Einsparungspotenzial in der öffentlichen Verwaltung (siehe auch Feigl). Potenzial für Mehreinnahmen an Vermögensteuern – derzeit zählt Österreich im internationalen Vergleich zu den Schlusslichtern  – ist durch die enorme Höhe privater Vermögen und seine Konzentration auf die Reichen und Superreichen vorhanden: 

Konzentration des Reichtums in Österreich ist immens ….

Der private – aus Geld- und Sach- bzw. Immobilienwerten bestehende – Reichtum in Österreich ist mit geschätzt rund 1,3 Billionen Euro immens hoch. Zum Vergleich die gesamte Staatsverschuldung macht betragsmäßig mit rund 230 Milliarden Euro 2013 nicht einmal ein Fünftel davon aus. Jene, die den Interessen der Wirtschaft und der Besitzenden verbunden sind, wollen die Verteilungsschieflage kleinreden, indem sie das Ausmaß der Vermögenskonzentration in Frage stellen. Doch die Erhebung der europäischen Zentralbank (EZB),  die Korrekturberechnung zur Reichtumskonzentration in Österreich und zuletzt ein aktuelles EZB-Workingpaper belegen: eine kleine Reichtumselite besitzt sehr viel, während die meisten in der Bevölkerung wenig bis gar nichts haben. In Österreich ist dieses Missverhältnis besonders eklatant: die reichsten zehn Prozent hierzulande besitzen mehr als zwei Drittel des Privatreichtums, neunzig Prozent der Bevölkerung teilen sich weniger als ein Drittel. Allein das reichste EINE Prozent verfügt über etwa ein Vermögensdrittel.

 … und wachsend – „Reichtumsticker“

Und die Vermögenskonzentration verschärft sich, wie Modellrechnungen von ForscherInnen der Uni Linz ergeben und im „Reichtumsticker“ der AK OÖ sichtbar gemacht wird. Demnach vermehrt sich das Vermögen der reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in Österreich fast dreimal so schnell wie der Besitz der restlichen 90 Prozent. Rund 380.000 Haushalte besitzen mit 920 Milliarden Euro  mehr als zwei Drittel des Gesamtvermögens. Sie werden pro Stunde um rund 3,2 Millionen Euro reicher. Die 90-prozentige Bevölkerungsmehrheit (rund 3,4 Millionen Haushalte) besitzt zusammen weniger als ein Drittel des Vermögens – in Summe  rund 410 Milliarden Euro. Ihr gemeinsamer Besitz wächst mit 1,2 Millionen pro Stunde viel langsamer.

Auch die alljährlich von Vermögensverwaltern oder den Medien erstellten Reichtumsberichte zeigen, dass nur wenige richtig reich sind und ihr Reichtum wächst: so sind laut Trend allein die 33 Personen bzw. Familien in Österreich mit einem Privatvermögen von mindestens einer Milliarde Euro zusammen schwerer als die Hälfte des österreichischen Bruttoinlandsprodukts. Sie sind 2014 um neun Prozent reicher geworden.

Vermögenssteuer für Reiche bringt Milliarden

Allen interessengeleiteten Unkenrufen zum Trotz gilt: die Einhebung einer kleinen, gestaffelten Steuer auf Vermögensteile ab einem hohen Freibetrag von zum Beispiel einer Million Euro (netto, also abzüglich von Krediten) kostet der kleinen Vermögenselite in Österreich vergleichsweise wenig und kann aus den Vermögenserträgen finanziert werden, bringt aber dem Staat mehrere Milliarden Euro an jährlichen Steuereinnahmen – laut Berechnungen der Uni Linz je nach Modell zwei bis fünf Milliarden Euro Geld, das dringend benötigt wird für Zukunftsinvestitionen und zur Gegenfinanzierung einer spürbaren Lohnsteuerreform.

Daher: Schluss mit der Einnahmenverweigerung des Staates, her mit der Vermögenssteuer und runter mit der Lohnsteuer! Die ÖGB-Unterschriftenaktion kann unterstützt werden unter http://www.lohnsteuer-runter.at/.