Achtung heiß – Maßnahmen gegen Hitze in der Stadt

20. August 2019

Es wird immer heißer in der Stadt, der Hitze zu entkommen ist meistens auch eine Frage der Leistbarkeit. Umso wichtiger ist es, kühlendes Grün und Frische allen zugänglich zu machen.

Hitzetage in Wien

Stadtregionen sind vom Klimawandel besonders betroffen, denn die dichte Bebauung sowie konzentrierte Emissionen verstärken die Hitzebelastung. Die Folgen des Klimawandels sind in Wien bereits deutlich spürbar. Die Jahresdurchschnittstemperatur erhöhte sich in den vergangenen vier Jahrzehnten um etwa zwei Grad Celsius. Hitzewellen, Starkregenereignisse und Trockenperioden nahmen zu. Das Jahr 2018 verzeichnete 42 sogenannte Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad. Und auch 2019 setzt sich diese Entwicklung fort. Im Juli sorgten Hitzewellen für eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Hitzetagen, in einigen österreichischen Regionen doppelt so viele wie in einem durchschnittlichen Juli.

Hitzetage in Wien © A&W Blog
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Städtische Hitzeinseln

Es sind nicht alle Gebiete Wiens in gleichem Ausmaß betroffen. Aufgrund von unterschiedlichen Bebauungsdichten, der Verteilung von Grünräumen und Wasserflächen sowie der Luftzirkulation gibt es markante, teilweise kleinräumige Temperaturunterschiede.

Wien besteht zwar etwa zur Hälfte des Stadtgebiets aus Parkanlagen, landwirtschaftlich genutzten Flächen oder Wäldern, aber diese Grünflächen sind nicht gleich über die Stadt verteilt. So ist in den Innenstadtbezirken der Anteil an Grünflächen am geringsten. Am anderen Ende stehen – die an den Wienerwald angrenzenden Bezirke – Penzing und Hietzing. Mit großen landwirtschaftlichen Flächen weist auch die Donaustadt einen überdurchschnittlichen Grünflächenanteil auf. Dementsprechend kam die Wiener Innenstadt im Jahr 2017 auf 28 Tropennächte, bei der Messstation Hohe Warte wurden nur neun gezählt. Stadtgebiete angrenzend an den Wienerwald und entlang der Donau sind deutlich kühler als aufgeheizte Innenstadtbezirke. Nicht versiegelte Böden speichern Feuchtigkeit und geben diese durch Verdunstung wieder ab. Das wirkt kühlend auf die Umgebung, während sich versiegelte Flächen wie Straßen oder Gebäudefassaden stark aufheizen und die Wärme speichern. Und schließlich kühlt die bebaute Speichermasse weniger gut ab. Dicht bebaute Flächen bilden darüber hinaus oft eine Barriere für den Frischluftaustausch. Auch das Regenwasser fließt auf versiegelten Böden schnell ab und fehlt für kühlende Verdunstung. Städtische Oberflächen können je nach Beschaffenheit bis zu 50 Grad Celsius wärmer sein als die sie umgebende Luft. Diese Temperaturunterschiede werden als städtischer Hitzeinseleffekt bezeichnet. Fehlende Beschattung, aber auch die Abwärme der Kraftfahrzeuge, der Klimaanlagen und Betriebe verstärken zusätzlich den Hitzeeffekt.

Wenig grün in den innerstädtischen Bezirken © A&W Blog
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Gesundheitliche Belastung

Stadtklimatische Zusammenhänge sind wie aktuell in diesem Sommer für jede einzelne Bewohnerin und jeden einzelnen Bewohner erlebbar. Höhere Temperaturen und langanhaltende Hitzewellen können erhebliche Belastungen und eine Beeinträchtigung der Gesundheit bedeuten. Insbesondere ältere Menschen, Säuglinge und Kinder sowie chronisch Kranke sind betroffen. Individuell kann die Gesundheitsgefährdung durch Hitze stark variieren. Fehlt die Abkühlung in der Nacht, leidet der Schlaf und somit die für den Körper wichtige Erholung und Regeneration – die Leistungsfähigkeit ist vermindert. Die zunehmende Hitze ist je nach Tätigkeit auch in der Arbeitswelt mitunter eine massive Belastung. Das gilt nicht nur im Außenbereich, wie etwa auf Baustellen, sondern ebenso in Innenräumen. Hitzestress kann das Wohlbefinden, die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit massiv beeinträchtigen.

Besonders betroffen sind zudem Menschen mit wenig Einkommen. Der Hitze in der Stadt zu entkommen ist mitunter eine Frage der Leistbarkeit.

Was wird in Wien getan?

Die Stadt Wien beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Klimaschutz. Es gibt eine große Zahl von Strategien, Konzepten und Initiativen: das Klimaschutzprogramm, die „Smart City Wien“-Rahmenstrategie oder das Fachkonzept Grün- und Freiraum. Darüber hinaus gibt es seit 2015 den „Urban Heat Islands – Strategieplan Wien“ für eine klimasensible Stadtplanung.

Die Bauordnung ist noch unverbindlich

Diese Grundlagen sind essenziell, da sie wichtige Handlungsanweisungen aufzeigen – sie bleiben allerdings auf der Strategie- und Fachkonzeptebene oft zu zahnlos. Es fehlt die Verbindlichkeit. Das wird auf der konkreten Projektebene sichtbar. Bei stadtklimawirksamen Maßnahmen wie Fassadenbegrünungen, Regenwassermanagement oder Versickerungsflächen gibt es einzelne Beispiele mit Vorreiterfunktion. Gute Lösungen sind allerdings noch nicht Standard.

Bei der konkreten Umsetzung stellen sich oft Herausforderungen in finanzieller oder auch technischer Hinsicht (Kanal, Einbauten), die eine Umsetzung verhindern. Dazu kommen die in der Stadt bestehenden unterschiedlichen Zuständigkeiten bezüglich Entscheidungs- und Umsetzungsebenen sowie lokale Befindlichkeiten. Sinnvolle städtische Ziel- bzw. Prioritätensetzungen können ganz einfach von den Bezirken „overruled“ werden.

Eine klimasensible Bauordnung

Mit der letzten Novellierung der Bauordnung wurden zwar die Planungsziele um klimarelevante Zielvorstellungen ergänzt und erstmalig ressourcenschonende Mobilitätsformen sowie die Senkung des Energieverbrauchs als städtische Entwicklungsziele verankert, gleichzeitig wurde aber die Möglichkeit, Stadtgebiete festzulegen, in denen die Einleitung von Niederschlagswässern in die Kanalisation nicht zulässig ist, wieder gestrichen.

Verpflichtende Begrünung

Es ist daher notwendig, wichtige klimarelevante Grundlagen und Mindestausstattungen auf eine verbindliche Ebene zu heben und beispielsweise stärker in der Bauordnung zu verankern.

Es braucht verpflichtende Begrünungsmaßnahmen bei Neubau und Sanierung ebenso wie die verpflichtende Priorisierung intensiver, nutzbarer Dachbegrünung. Begrünte Dächer speichern Regenwasser und geben es durch Verdunstung langsam an die Umgebung ab. Im besten Fall lassen sich intensiv begrünte Dächer wie ein Garten nutzen. Laut Erhebung der Stadt Wien existieren in Wien über 5.000 Hektar Dachflächen, von denen nur rund fünf Prozent begrünt sind. Die gesamte Dachfläche Wiens entspricht etwa der Gesamtfläche von Favoriten und Simmering zusammen. Der klimawirksame kühlende Grünraum, der durch intensive Dachbegrünung geschaffen werden könnte, ist enorm. Diesen Umstand gilt es in Zukunft stärker zu forcieren und bei der Projektrealisierung verbindlich vorzuschreiben. Es braucht darüber hinaus eine verbindliche Prioritätensetzung bezüglich eines qualitativ gestalteten, für alle zugänglichen und begrünten öffentlichen Raums (Mikrofreiräume mit Sitzgelegenheiten in regelmäßigen Abständen). In Kombination mit Frischluftschneisen lässt sich so adäquat auf die Anforderungen reagieren.

Auf diese Weise könnte ein entscheidender Beitrag zur Sicherung einer hohen Lebensqualität geleistet und auch für Teile der Bevölkerung mit wenig Einkommen die Lebensqualität verbessert werden.

 Bewusstsein für mehr Qualität schaffen

Eine sozial gerechte städtische Klimaanpassung muss jedenfalls allen Bevölkerungsteilen zugutekommen. Klimasensible Stadtentwicklung ist nicht eindimensional. Maßnahmen müssen Hand in Hand mit Zielvorgaben einer wachsenden Stadt umgesetzt werden. Von der Errichtung leistbaren Wohnraums über lebenswerte Stadtteile bis hin zur Berücksichtigung der Ressourcenschonung.

 

Dieser Artikel ist in Langfassung in der „AK Stadt“ / „In der Hitze der Stadt“ erschienen.