Ungleiche Lebensbedingungen zeigen sich neben der Einkommens- und Vermögensverteilung auch am ungleichen Zugang zu sonstigen Ressourcen oder am Ausmaß, in dem unterschiedliche Personengruppen bestimmten Belastungen ausgesetzt sind. Unter dem Schlagwort Umweltgerechtigkeit wurde im deutschen Sprachraum vor rund zwei Jahrzehnten die Diskussion zu Environmental Justice aufgegriffen, die insbesondere in den USA seit fast 40 Jahren geführt wird. Dabei geht es zuvorderst um die Frage, welche sozialen Gruppen durch schlechte Umweltbedingungen besonders stark belastet sind.
Wie in den USA liegt der Schwerpunkt europäischer Studien zu umweltbezogener Ungleichheit meist auf regionalen Analysen, beispielsweise zur Luftqualität oder zur Lärmbelastung. Das zeigen unter anderem die Ergebnisse einer Studie, die ein WU-ForscherInnenteam im Jahr 2017 im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführt hat. Nicht zuletzt angesichts der klimapolitischen Herausforderungen stellen sich aber noch andere überaus relevante Fragen: Um Emissionen in der gebotenen Geschwindigkeit und in sozial gerechter Form reduzieren zu können, müssen beispielsweise auch die Zusammenhänge zwischen klimaschädlichem Verhalten und Einkommen besser verstanden werden.
Ein weiterer Baustein in diesem Untersuchungsfeld ist eine jüngst veröffentlichte Studie, die Statistik Austria im Auftrag der Arbeiterkammer Wien erstellt hat. In dieser wurde der Datensatz des Mikrozensus Umweltbedingungen, Umweltverhalten 2015 – eine repräsentative Befragung unter der österreichischen Wohnbevölkerung – mit Einkommensinformationen verknüpft. Das Projekt schließt an den Bericht zu Umweltbetroffenheit und -verhalten von Personengruppen abhängig von Einkommen und Kaufkraft aus dem Jahr 2014 an, verwendet für den Großteil der Einkommensinformationen aber Verwaltungsdaten. Durch die höhere Datenvalidität konnten die im Vorläuferbericht vorgenommenen Analysen zu umweltbezogener Ungleichheit (bzw. Umweltgerechtigkeit) vertieft werden.
Die Abgrenzung der Einkommensgruppen wurde bei einem Workshop mit ExpertInnen festgelegt. Neben dem gesamten Haushaltseinkommen (eingeteilt in Terzile) wurden nunmehr auch Äquivalenzeinkommen (unterstes, 2. bis 4. und oberstes Quintil) betrachtet und ein Fokus auf die Lage von Armutsgefährdeten gelegt. Der im Vorläuferprojekt nachgewiesene Einfluss des Einkommens auf einen Großteil der Variablen des Mikrozensus Umwelt konnte dadurch weiter statistisch abgesichert werden.
Vordringlichste Umweltprobleme aus Sicht der ÖsterreicherInnen
Klimawandel und steigendes Verkehrsaufkommen werden von allen ÖsterreicherInnen als vordringlichste Umweltprobleme wahrgenommen. Allerdings dreht sich mit steigendem Einkommen die Reihenfolge um: Während Personen mit kleinem Einkommen den Verkehr – wenn auch nur knapp – als größtes Problem sehen (23,8 Prozent), steht bei der einkommensstärksten Gruppe der Klimawandel mit relativ großem Abstand an erster Stelle (28,3 Prozent gegenüber 21,3 Prozent).