Lok- und Kranführer:innen – wenn sich Traumberufe bei 40 °C in Luft auflösen

12. August 2021

Für viele ist es ein Kindheitstraum: einmal als Lokführer:in einen Zug steuern oder als Kranführer:in hoch über einer Baustelle arbeiten. Ein Blick auf die Arbeitsrealität und die gesundheitlichen Belastungen bei Triebfahrzeugführer:innen und Kranführer:innen zeichnet aber ein anderes Bild. Durch die Klimakrise angeheizt, werden diese Arbeitsplätze – nur allzu oft unklimatisiert – im Sommer zu gesundheitsgefährdenden Brennpunkten.

Auswirkungen der Klimakrise am Arbeitsplatz besonders spürbar

Schienenfahrzeuge und Krane haben eine lange Lebensdauer und sind Jahrzehnte im Einsatz. So ist bei Loks und Waggons eine Verwendungsdauer von 30 und mehr Jahren keine Seltenheit. Das ist für den Ressourcenverbrauch und aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein enormer Vorteil. Es wird aber zum Fluch, wenn es darum geht, auf geänderte Rahmenbedingungen wie dem Klimawandel oder geänderten Anforderungen der Reisenden und der Beschäftigten (Barrierefreiheit, Hitzefreiheit, Digitalisierung usw.) rasch zu reagieren. Egal ob Triebfahrzeuge oder Krane, viele Arbeitsplätze sind nicht mit Klimaanlagen ausgestattet. Die zunehmenden Hitzeperioden im Sommer sorgen dafür, dass im Innenraum gesundheitlich massiv bedenkliche Temperaturen erreicht werden.

Der Trend zu immer heißeren Sommern wird sich in den nächsten Jahren wohl weiter fortsetzen, wie auch Daten zur Temperaturentwicklung in Österreich zeigen. Fakt ist: Unter den zehn wärmsten Sommern der 254-jährigen Messgeschichte (1767–2020) fanden 14 der 15 heißesten Sommer nach 1995 statt. Auch dieses Jahr wurden bereits Temperaturen von 37,5 °C gemessen.

Besonders hitzeexponierte Arbeitsplätze geraten immer öfter in einen gesundheitsgefährdenden Grenzbereich. Auf betrieblicher Ebene braucht es dringend aktuelle Messungen, um die tatsächliche Exposition an den Arbeitsplätzen von den zuständigen Arbeitsmediziner:innen bewerten lassen zu können. Die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber:innen und die Vorgaben des Arbeitnehmer:innenschutzgesetzes sehen eine allgemeine Verpflichtung zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer:innen vor. In Bezug auf die zunehmende Hitze und die ebenso ansteigende UV-Strahlung fehlt es jedoch an konkreten gesetzlichen Schutzvorgaben. Dazu zählt etwa, ab welchen Temperaturen die Erbringung von Arbeiten eingestellt werden muss. Die nun auftretenden Belastungen in dieser Form sind relativ neu, es besteht Handlungsbedarf.

Triebfahrzeug und Krankabine – Arbeitsplätze als Hitzefalle

Die Rekordsommer der letzten Jahre haben aufgezeigt, dass es gerade bei hitzeexponierten Arbeitsplätzen dramatische Auswirkungen gibt. Betriebsräte und die Gewerkschaften haben an Arbeitsplätzen stichprobenartig Messungen durchgeführt. Dabei wurden, beispielsweise in Führerständen von Lokomotiven, vielfach Temperaturen über 40 °C gemessen.

Messungen der AUVA in Kranen, aus dem Sommer 2019, zeigen ähnliche Werte. Gemessen wurde dabei in zwei unterschiedlichen Krankabinen unter Nutzung der begrenzt vorhandenen Schutzmaßnahmen (Beschattung, Fenster usw.). Dabei wurden auch die Auswirkungen von vorhandenen Beschattungen oder die Kühleffekte des Fensteröffnens auf die Temperatur in der Kabine erfasst. Zeitgleich wurde eine Messung der Schattentemperatur im Freien durchgeführt, um auf den Zusammenhang mit der Innentemperatur in der Krankabine rückschließen zu können. Bei Schattentemperaturen von ca. 28 °C wurden in den Kabinen bereits Temperaturen von 35 bis 37 °C erreicht – abhängig von den jeweiligen Schutzmaßnahmen in der Kabine. Bei Schattentemperaturen von 30 °C wurden bereits 44 bis 46 °C im Inneren der Krankabine gemessen.

Die Messergebnisse liegen in einem gesundheitlich massiv bedenklichen Bereich – besonders wenn man die Belastung in einen Kontext mit den dort geleisteten Arbeitsstunden und Arbeitszeiten in der warmen Jahreszeit setzt. Die festgestellten Temperaturen liegen zudem eindeutig über den Empfehlungen der ÖNORM EN 13557 zur Gestaltung von Kranen. Diese sieht für das Führer:innenhaus eine maximale Temperatur von 30 °C vor.

Die Problematik der raschen Erhitzung kleiner, geschlossener Bereiche oder Fahrzeuge ist hinlänglich bekannt. Meist wird sie in Zusammenhang mit Kleinkindern, die an heißen Sommertagen von Passanten oder Rettungskräften aus Autos befreit werden müssen, deutlich. Bereits eine Viertelstunde bei praller Sonne im geschlossenen Auto kann für Babys, Kleinkinder und Tiere lebensgefährlich sein. Als Faustregel gilt: Bei direkter Sonneneinstrahlung heizt sich der Innenraum pro Minute um ein Grad auf. Herrschen Temperaturen von 30 °C, sind innerhalb kürzester Zeit Werte bis zu 70 °C  erreicht. Ab 46 °C Innentemperatur wird es für Kinder und Vierbeiner kritisch. Diese Temperaturen können zu Sonnenstich, Ohnmacht oder Kreislaufkollaps führen. Im Extremfall droht sogar der Hitzetod.

Unterschätzte Gefahr für Sicherheit und Gesundheit

Die AK Wien hat eine Literaturstudie in Auftrag gegeben, um die gesundheitlichen Belastungen durch Hitze arbeitsmedizinisch zu bewerten und um notwendige Maßnahmen zum Schutz von Arbeitnehmer:innen voranzutreiben (Belastungen am Arbeitsplatz durch Hitze am Beispiel der Triebfahrzeugführer:innen und Baukranführer:innen). Der Autor kommt zu dem Schluss, dass Hitzebelastungen zu einer massiven Reduktion der Arbeitsproduktivität führen. Sie verringern die Leistungsgenauigkeit und es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Arbeitsunfällen und Hitzestress.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Nicht minder dramatisch können die Folgen für die Gesundheit für Arbeitnehmer:innen sein. Hitzestress hat starke Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System. Die Herzfrequenz erhöht sich und die Fähigkeit des Herzens, sich zusammenzuziehen, sinkt. Hitzebelastungen führen zu einem starken Anstieg der Menge des Blutes, die das Herz pro Minute durch den Kreislauf pumpt. Hitzestress hat sich als umweltbedingter Auslöser von Herzinfarkten erwiesen und beeinflusst die Nierenfunktion negativ. Männliche Arbeitnehmer, die lange Zeit Hitze ausgesetzt waren, haben mit erhöhtem Auftreten von Unfruchtbarkeit zu rechnen. Es können außerdem die biochemischen Parameter des Blutes negativ beeinflusst und DNA-Schäden hervorgerufen werden.

Aus arbeitsmedizinischen und arbeitswissenschaftlichen Überlegungen heraus wäre, so der Studienautor, „das Anstreben einer möglichst geringen Hitzebelastung bis hin zur Normaltemperatur von 19 bis 25 °C für geringe körperliche Belastung für einen achtstündigen Arbeitstag vorzuschlagen“.

Sicher und gesund trotz Hitze am Arbeitsplatz

Arbeiten in nicht klimatisierten Krankabinen ist bei höheren Temperaturen arbeitsmedizinisch nicht vertretbar. Technische Verbesserungen, um die Temperatur zu senken, sind unausweichlich. Viele Krantypen können mit einer Klimaanlage nachgerüstet werden. Die Fürsorgepflicht verbietet Neuanschaffungen von Kranen „ohne“ Klimaanlage oder zumindest deren Betrieb an Hitzetagen. Gleiches gilt für Lokomotiven, deren Zulassung („eisenbahnrechtliche Baugenehmigung“) nach dem Juli 2005 erteilt wurde. Für sie gibt es keine Nachrüstpflicht, somit sind ältere, nicht klimatisierte Garnituren trotzdem noch im Einsatz. Alternativen zum Einbau von Klimaanlagen gibt es hier nicht, da weder eine Beschattung (eingeschränktes Sichtfeld) noch das Öffnen von Fenstern (hoher Lärmpegel sowie gesundheitliche Belastung durch Zugluft) praxistauglich sind.

Verglichen mit den Anschaffungskosten der Krane und der Triebfahrzeuge ist eine Nachrüstung mit Klimaanlagen preislich ein wahres Schnäppchen. Die Tätigkeit als Kran- oder Lokführer:in erfordert von den Arbeitnehmer:innen eine hohe Konzentration. Ein Ablenken durch Überhitzung sollte daher eigentlich ausgeschlossen werden, gerade auch im Interesse der Allgemeinheit – der Fahrgäste, der Kolleg:innen auf der Baustelle oder in Produktionsbetrieben und aller weiteren Verkehrsteilnehmer:innen.

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