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Dass Alleinerzieherinnen, die am allermeisten auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen angewiesen sind, in der Praxis seltener bei solchen Arbeitgebern arbeiten, die ihnen entgegenkommen, ist alarmierend. Offenbar führt der ökonomische und zeitliche Druck dazu, dass bei der Auswahl des Arbeitsplatzes kaum Spielraum dafür vorhanden ist, auch solche Kriterien ins Kalkül zu ziehen.
Kinderbetreuung – der fehlende Schlüssel zu mehr Spielraum für Alleinerzieherinnen
In einer österreichweiten Online-Befragung von AK und ÖGB zu Kind & Job gaben Alleinerzieherinnen häufig an, dass die unzulänglichen Öffnungszeiten mit Zusatzkosten durch Babysitter verbunden sind. Zudem bilden sie auch eine Barriere für eine Vollzeitarbeit. Alleinerzieherinnen bemängelten insbesondere die Doppelmühle zwischen den Kosten für den Kindergarten, der Notwendigkeit mehr zu arbeiten, um sich den Kindergarten leisten zu können, und diese Kosten ohne Mehrarbeit nicht bezahlen zu können. Viele meinten, ohne Großeltern würde es nicht gehen. Sie wünschen sich längere Öffnungszeiten, volle Betreuung in den Ferien und keine Kosten.
Die Rückmeldungen spiegeln wider, vor welche Widersprüche Alleinerzieherinnen gestellt werden:
„Ich bin alleinerziehend und hetze nur vom Kindergarten zur Arbeit und wieder zurück.“
„(Der) Kindergarten für unter 5-Jährige ist voll zu zahlen. Als Alleinerziehende bin ich gezwungen, nun so viel mehr zu arbeiten, dass ich mir den Kindergarten leisten kann!“
„Ich arbeite in der Pflege, bin alleinerziehende Mutter und soll um 6 Uhr mit der Arbeit beginnen, aber wo soll das Kind hin, wenn der Kindergarten erst um 7 Uhr aufmacht?!“
Der Staat bietet Alleinerzieherinnen ohne Auffangnetz wenig strukturelle Unterstützung bei der Betreuung von Babys und Kleinkindern. Vor allem nun in der Pandemie, wo ihre Netzwerke wie Familie und Freunde ausfallen, ist das für Alleinerzieherinnen ein Riesenproblem.
Ein neues Konzept gesellschaftlicher Verantwortung für Kinder
Zu wenig Rücksichtnahme in der Arbeitswelt und Mängel beim Kinderbetreuungsangebot sowie beim Angebot von Ganztagsschulen sind eine große Last, insbesondere auf Kosten von Frauen. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht darauf ausgerichtet, ein eigenständiges Leben mit Kind zu führen. Während die Mehrzahl der Mütter in Partnerschaften den Weg von Teilzeit geht und ökonomische Nachteile (insbesondere auch im Alter) in Kauf nimmt, ist der Druck, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwerben, bei Alleinerzieherinnen besonders groß.
Das Konzept der Arbeitsteilung innerhalb von Familien mit einem Ernährer mit dazuverdienender Mutter, die die Sorgearbeit für Kinder übernimmt, muss endlich abgelöst werden durch ein Konzept der gesellschaftlichen Verantwortung für Kinderbetreuung, Kinderbildung, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und ein zeitgemäßes Unterhaltsrecht. Dazu zählt ein Recht auf qualitätsvolle Kinderkrippen, Kindergärten und ganztägige Schulen, eine Verkürzung der Arbeitszeit, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und ein existenzsichernder Unterhalt für Kinder.
Das Motto emanzipierter Familienpolitik muss sein: Eigenständige Existenzsicherung für Frauen mit Kindern ist machbar und zwar unabhängig vom privaten Netzwerk und ob sie in Partnerschaft leben oder alleinerziehend sind.
Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, wie weit wir von diesen Zielsetzungen noch entfernt sind. Wenn ein Virus ganze Wirtschaftsbereiche zum Stillstand bringen kann, so ist die Forderung nach familienfreundlichen Arbeitsbedingungen und die Rücksichtnahme auf Betreuungspflichten ein Klacks dagegen. Auch die ausreichende Finanzierung von Kindergärten und Ganztagsschulen ist machbar. Wie schon die Bankenkrise gezeigt hat und nun noch mehr die Corona-Krise, kann der Staat enorme finanzielle Ausgaben stemmen, wenn es für notwendig erachtet wird. Ein Recht auf kostengünstige und hochwertige Kinderbetreuung, Ganztagsschulen und Unterhaltssicherung muss endlich in die Kategorie notwendige Finanzierung aufgenommen werden.
Der Titel des Blogs nimmt Bezug auf die Veranstaltung von AK, ÖGB, FEM.A und ABZ*Austria vom 1.12.2020: siehe Alleinerzieher*innen: „Wer nicht nach der Norm lebt, wird bestraft“ | Arbeiterkammer
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