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Diese spezielle Situation wurde von vielen Arbeitgeber*innen während des Lockdowns leider nicht gesehen. Auch seitens der Lehrer*innen gab es vor allem zu Beginn oft hohe Erwartungen an Schüler*innen und Eltern. So waren laut einer Studie des ZSI besonders Kinder von Alleinerziehenden vom Home-Schooling belastet. Fast jedes zweite Kind in Ein-Eltern-Familien gab an, von der Lernsituation im Ausnahmezustand belastet zu sein. Dieser immense Druck von mehreren Seiten äußert sich nicht zuletzt in vermehrten Konflikten mit den Kindern. Auch hier sind Alleinerziehende und ihre Kinder besonders betroffen, wie eine Studie der Uni Wien zeigt.
In der Praxis der Beratungsarbeit von JUNO – Zentrum für Getrennt- und Alleinerziehende zeigen sich die Folgen dieser monatelangen Überlastung aktuell durch vermehrte Kontaktaufnahme von Alleinerziehenden, die sich in akuten psychischen Krisen und Erschöpfungszuständen befinden. Hier müssen dringend passende Angebote geschaffen werden, um diese Familien rechtzeitig auffangen zu können.
Ein ganzheitliches Konzept der Regierung zur Unterstützung von Familien während der Corona-Maßnahmen hätte hier viel abfangen können.
Wohnraum während der Corona-Krise
Ein entscheidender Faktor während des Lockdowns war der Wohnraum. Aus einer Studie von JUNO geht hervor, dass es in Ein-Eltern-Familien in Wien an Rückzugsraum mangelt. So hat ein Drittel der Befragten Alleinerziehenden kein eigenes Schlafzimmer und ein Drittel der Kinder kein eigenes Kinderzimmer. Hier wird also teilweise in sehr beengten Verhältnissen gelebt, was die belastende Situation zusätzlich verschärft. Insbesondere wenn man den Wohnraum nicht nur zum Wohnen, sondern gleichzeitig auch für Arbeit, Lernen und Bewegung verwenden muss. In Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und geschlossenen Spielplätzen kommt auch privaten Freiräumen eine besondere Bedeutung zu. Quarantäne mit Garten hat eine völlig andere Qualität als in einer winzigen Stadtwohnung ohne Balkon und ohne zu Fuß erreichbaren Grünraum.
Betreuungsregelungen
Eine spezielle Herausforderung für getrennte Eltern war die Frage der Betreuungsregelung während der Corona-Maßnahmen. In vielen Trennungsfamilien gab es vor allem zu Beginn große Unsicherheiten über den angemessenen Umgang mit den Wechseln der Kinder zwischen den Elternteilen. Hier war von den Eltern Dialogbereitschaft, Flexibilität und ein guter Blick für die Bedürfnisse der Kinder gefordert. In manchen Trennungsfamilien wurden der Wechsel der Kinder zwischen den Haushalten in dieser Zeit ausgesetzt. Manchmal in beidseitigem Einvernehmen, manchmal durch den hauptbetreuenden Elternteil ohne Einverständnis des anderen. In den meisten dieser Fälle gibt es in einem der beiden Haushalte Risikogruppen-Angehörige, die durch diese Maßnahme geschützt werden sollten. Speziell in Familien mit gerichtlichen Kontaktregelungen und/oder schlechter Kommunikationsbasis gab es hier mitunter große Konflikte, die jetzt teilweise bei den Gerichten aufgearbeitet werden. Für zusätzliche Verwirrung hat hier ein Erlass des Justizministeriums gesorgt, dass Kinder für die Dauer der Corona-Maßnahmen nicht mehr zum zweiten Elternteil wechseln dürfen. Dieser wurde jedoch umgehend wieder außer Kraft gesetzt.
Einkommensverluste und der Corona-Familienhärtefonds
Ein-Eltern-Haushalte sind laut Statistik Austria mit einer Quote von 46 Prozent (2019) der am meisten von Armut und Ausgrenzung bedrohte Haushaltstyp. Und das, obwohl alleinerziehende Mütter zu einem höheren Stundenausmaß berufstätig sind als Mütter in Paar-Familien. In dieser finanziell ohnehin prekären Situation wirkt sich jeder Einkommensverlust direkt auf die Deckung der Grundbedürfnisse der Familie aus. Einkommensverluste gab es in den letzten Monaten für Alleinerziehende nicht nur durch ihre eigene Erwerbssituation, durch Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Einkommensverlust bei Selbstständigen. Auch die Einkommenssituation des unterhaltspflichtigen Elternteils wirkt sich unmittelbar auf die Höhe des Kindesunterhalts und damit auf die Höhe des Haushaltseinkommens von Ein-Eltern-Haushalten aus. Die Antwort der Regierung auf Familien in finanziellen Notlagen ist der Corona-Familienhärtefonds. Dieser umfasst jedoch nicht den Einkommensverlust durch ausbleibenden oder gesenkten Kindesunterhalt, sondern berücksichtigt nur den Einkommensverlust aus der eigenen Erwerbstätigkeit von Alleinerziehenden. Das führt zu einer Benachteiligung von Alleinerziehenden gegenüber Zwei-Eltern-Familien. Hier wäre eine Nachbesserung wichtig, die auch die Lebensumstände von Trennungsfamilien berücksichtigt.
An den Schlüsselthemen ansetzen
In der Krise zeigt sich besonders gut, wo angesetzt werden muss. Einerseits für die dauerhafte Verbesserung der Lebensqualität von Familien, andererseits um besser durch eine eventuelle nächste Krise zu kommen. Das eine hängt eng mit dem anderen zusammen. Ein-Eltern-Familien leben die Familienform, die finanziell und sozial am meisten unter Druck steht. Hier Rahmenbedingungen zu schaffen, die entlasten und unterstützen, ist eine wichtige Aufgabe der Familien- und auch Frauenpolitik. Die Hebel, bei denen angesetzt werden muss, sind im Grunde altbekannt: leistbarer Wohnraum, flexible Kinderbetreuung, Unterhaltssicherung oder Kindergrundsicherung, höhere Löhne und Absicherung von Familien im Sozialsystem.
Die Kinder sind unsere Zukunft. Wenn man will, dass es Familien gut geht, muss man etwas dafür tun und sie im Fokus haben. Besonders Ein-Eltern-Familien, die überwiegend unter großem Druck stehen. Das ist mein großer Wunsch, nicht nur für diese Krise.
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