Konfliktmineralien - Der steinige Weg zu höherer Rechenschaftspflicht im Rohstoffsektor

27. Februar 2017

Ein Smartphone enthält bis zu 50 verschiedene Metalle. Ihr Abbau erfolgt nur allzu oft unter sehr problematischen sozialen und ökologischen Bedingungen. Nun soll die EU-Verordnung zu Konfliktmineralien nach jahrelanger Diskussion im März 2017 endlich in Kraft treten. Obwohl lückenhaft, stellt sie einen Schritt nach vorne dar. Zu befürchten ist allerdings, dass die neue Trump-Regierung die erzielten Fortschritte wieder rückgängig macht. Das bliebe auch für die EU nicht ohne Konsequenzen. Eine aktuelle Studie beschäftigt sich mit der Wirksamkeit aktueller Regulierungsinitiativen und leitet Empfehlungen für die Umsetzung dieser EU-Verordnung ab. Sie wird am 21. März in Wien präsentiert und mit verschiedenen AkteurInnen diskutiert.

Von Blood in the mobile

Anfang der 2000er Jahre lenkten UNO-Berichte und NGO-Kampagnen die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Finanzierung des Bürgerkriegs in der Demokratischen Republik Kongo (DRC). Sie zeigten auf, dass genau jene Rohstoffe, die in vielen Elektronikprodukten enthalten sind, bewaffneten Gruppen als Einnahmequelle dienten. Die Verantwortung von Unternehmen für die Gestaltung ihrer Lieferkette rückte damit verstärkt ins öffentliche Bewusstsein.

2011 veröffentlichte die OECD Leitsätze zu Konfliktmineralien. Diese bieten Unternehmen eine Anleitung, wie sie durch die Einhaltung gebotener Sorgfaltspflichten („due diligence“) vermeiden können, mit ihren Beschaffungspolitiken zu schweren Menschenrechtsverletzungen oder zur  Finanzierung von Konflikten beizutragen. Die Konflikte in der DRC waren zwar der Anlass für die Formulierung der Leitsätze. Sie beschränken sich jedoch nicht auf dieses Gebiet, sondern beziehen sich grundsätzlich auf alle Mineralien aus „konfliktbetroffenen Regionen und Hochrisikogebieten“.

Die USA waren der erste westliche Staat, der Regelungen zu Konfliktmineralien in den Gesetzesrang erhob. Waren erste Anläufe für Regulierungsinitiativen zu Konfliktmineralien 2008 und 2009 noch gescheitert, trat 2012 ein diesbezügliches Gesetz (Artikel 1502 des Dodd-Frank Act) in Kraft. Als Konfliktmineralien definiert das Gesetz Tantal, Wolfram, Zinn sowie Gold („3TGs“) aus der DRC und ihren Nachbarstaaten. Es verpflichtet börsennotierte Unternehmen, deren Produkte die betreffenden Mineralien enthalten, jährlich zu überprüfen, ob sie aus dieser Region stammen. Falls dies der Fall ist, müssen die Unternehmen einen Bericht über alle Maßnahmen vorlegen, die sie für die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Lieferkette der Rohstoffe getroffen haben.

…zu verantwortungsbewusster Rohstoffbeschaffung in der EU

Durch dieses Gesetz wuchs auch in der EU der Druck, Regeln für eine verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung einzuführen. Zwei Jahre nachdem das US-Gesetz in Kraft getreten war, veröffentlichte die EU-Kommission einen ersten Verordnungsentwurf. Dieser enthielt allerdings nur eine freiwillige Umsetzung von Sorgfaltspflichten für ImporteurInnen von unverarbeiteten Rohstoffen. Das EU-Parlament setzte sich in der Folge für eine strengere Regulierung ein. Es schlug verbindliche Sorgfaltspflichten sowie eine Erweiterung des Anwendungsbereichs vor. Betroffen sollten alle Firmen sein, deren Produkte Konfliktmineralien enthalten und die diese Produkte zugleich erstmals auf den EU-Markt bringen.

Nach zweijährigen Verhandlungen einigten sich EU-Parlament und Rat Ende November auf einen Kompromiss: Die Endfassung der Verordnung  enthält zwar lediglich Sorgfaltspflichten für Importeure von unverarbeiteten Rohstoffen und Hüttenprodukten. Allerdings sind die Sorgfaltspflichten verbindlich umzusetzen und nicht freiwillig, wie ursprünglich von der Kommission und vom Rat vorgeschlagen. In den Detailausführungen wurden jedoch relativ hohe Grenzwerte festgelegt, welche vorgeben, ab welcher Einfuhrmenge Sorgfaltspflichten zu berücksichtigen sind. Dies nimmt wiederum viele Unternehmen von der Umsetzung aus. Im Unterschied zu dem US-Gesetz beschränkt sich der Anwendungsbereich der Verordnung nicht auf die DRC und ihre Nachbarländer, sondern bezieht sich auf alle „Konflikt- und Hochrisikogebiete“. Zur Definition dieser Gebiete soll von der EU-Kommission eine indikative Liste veröffentlicht werden. Nach welchen Kriterien diese erstellt werden wird, ist derzeit noch unklar.

EU-Parlament stimmt im März 2017 zu Konfliktmineralien ab

Der Rat hat der finalen Version der Verordnung im Dezember 2016 zugestimmt, das EU-Parlament wird dies voraussichtlich Mitte März 2017 tun, womit die Verordnung fast drei Jahre nach dem ersten Entwurf in Kraft tritt. Die Berichtslegung durch die betroffenen Unternehmen muss nach einer vierjährigen Übergangsfrist ab 2021 erfolgen. In dieser Zeit sollen sowohl die Unternehmen als auch die jeweiligen nationalen Institutionen, die für die Umsetzung und Überprüfung der Sorgfaltspflichten verantwortlich sind, dementsprechende Strukturen und Abläufe festlegen.

Die Einführung von verbindlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen kann als wichtiger Schritt und beispielgebend für andere Sektoren eingeschätzt werden. Aktuell ist jedoch der Anwendungsbereich – durch die Bezugnahme auf nur wenige Rohstoffe und eine eingeschränkte Anzahl von Unternehmen – sehr begrenzt. Eine Ausweitung des Geltungsbereichs der Verordnung böte die Chance, einen größeren Teil der Industrie zu höherer Sorgfalt hinsichtlich ihrer Rohstoff-Lieferkette zu verpflichten. Dadurch könnte ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung von Abbaubedingungen von Rohstoffen geleistet werden.

Ein Schritt nach vorne, zwei Schritte zurück?

Während viele Nichtregierungsorganisationen die aktuellen Regulierungen in den USA und der EU als zahnlos kritisieren, zeigt sich, dass selbst diese umkämpft sind. Paradoxerweise wird genau zu dem Zeitpunkt, an dem das Inkrafttreten der EU-Verordnung absehbar ist, das Gesetz in den USA wieder in Frage gestellt. Ende Jänner hat der Leiter der US-Finanzmarktaufsicht zu Kommentaren aufgerufen, ob Bestimmungen des US-Gesetzes zu Konfliktmineralien gelockert werden sollten. Nach der Notwendigkeit einer Verschärfung wurde nicht gefragt. Am 8. Februar 2017 veröffentlichte die britische Zeitung The Guardian einen geleakten Entwurf eines Dekrets von Präsident Trump, durch welches das Gesetz für zwei Jahre suspendiert werden würde. Das wäre wiederum Wasser auf die Mühlen jener AkteurInnen in der EU, die sich gegen verbindliche Sorgfaltspflichten einsetzen. Es bleibt abzuwarten, ob die US-amerikanische Zivilgesellschaft eine Aufweichung der ohnehin bereits schwachen Sorgfaltspflichten verhindern kann.