Österreich, Deutschland und andere EU-Mitglieder müssen die öffentlichen Investitionen steigern, um die Klimaziele zu erreichen. Doch aktuelle Entwicklungen rund um die Fiskalregeln, die den Spielraum für Klimainvestitionen einschränken, gehen in die falsche Richtung. Das zeigt sich in Deutschland rund um die Schuldenbremse und in Europa mit Blick auf die Reform der EU-Fiskalregeln. Die Einführung eines neuen EU-Klimainvestitionsfonds bietet einen sinnvollen Lösungsweg.
Klimainvestitionen unzureichend in Fiskalregelreform berücksichtigt
Das EU-Ziel, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden, erfordert erhebliche zusätzliche Investitionen. Infrastruktur und Kapitalvermögen in öffentlicher sowie privater Hand bedürfen einer Investitionsoffensive für eine grüne Umstellung. Die öffentlichen Investitionen müssten für die Umstellung des Energie-, Gebäude- und Transportsektors um mindestens 1 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung pro Jahr ausgeweitet werden. Eine detaillierte Studie zu Österreich kommt auf ähnliche Werte.
Doch wie soll die Ausweitung der öffentlichen Klimainvestitionen sichergestellt werden, wenn die öffentlichen Haushalte wegen der Auswirkungen der Krisen der letzten Jahre unter Konsolidierungsdruck stehen, die Alterung der Gesellschaft weiteren Aufwärtsdruck bei den Gesundheits- und Sozialausgaben bringt und zudem die Zentralbanken die Zinsen stark angehoben haben und damit die Finanzierung verteuern? Die nationalen und europäischen Institutionen erkennen zwar weitgehend die investiven Anforderungen, doch in der Praxis werden sie weiter auf die lange Bank geschoben.
EU-Fiskalregelreform: mäßiger Entwurf, problematische Ratsverhandlung
Während der Fokus der Reform der EU-Fiskalregeln auf dem mittelfristigen Abbau der öffentlichen Schuldenquoten liegt, soll es keine weitreichenden Ausnahmen für Klimainvestitionen geben. Österreich wird jedoch ebenso wie andere EU-Mitgliedstaaten kaum in der Lage sein, die zusätzlichen öffentlichen Klimainvestitionen im erforderlichen Ausmaß zu tätigen, während man gleichzeitig die öffentliche Schuldenquote zurückführt. Das Finanzministerium selbst meldete im Frühjahr in seinen mittelfristigen Budgetplänen eine ab 2023 wieder rückläufige öffentliche Investitionsquote bis 2026 an die EU-Kommission.
Wir befinden uns aktuell in der heißen Verhandlungsphase der Reform. Die Zeit drängt, da sie nach einem jahrelangen Prozess noch vor den Wahlen zum EU-Parlament innerhalb weniger Monate abgeschlossen werden sollte. Die Debatte hat sich mittlerweile auf eine Auseinandersetzung zugespitzt, wie ausgeprägt die Mindest-Konsolidierungsvorgaben („Safeguards“) sein sollen.
Die spanische Ratspräsidentschaft hat eine „Landezone“ als Kompromissvorschlag vorgelegt. Das spanische Papier ist nun die Grundlage für weitere Verhandlungen der EU-Finanzminister:innen. Deutschland führt die Riege derer an, die deutlich strengere Schuldenabbauregeln fordern als im Gesetzesvorschlag der EU-Kommission vorgesehen.
Die Positionierung für einen schnelleren und umfassenderen Abbau der öffentlichen Schuldenquote auf Basis strikterer EU-Fiskalregeln ist widersprüchlich. Der Internationale Währungsfonds (IWF) kam erst vor Kurzem auf Basis einer Analyse von Daten für 17 entwickelte Volkswirtschaften – darunter Deutschland und Österreich – für die letzten vierzig Jahre zu dem Schluss: „Im Durchschnitt führen Budgetkonsolidierungen nicht zu einer Verringerung der Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.“ Budgetkonsolidierung verlangsame das Wirtschaftswachstum, so der IWF. Nur in einem guten wirtschaftlichen Umfeld mit vorteilhaften Begleitumständen führen Kürzungen zu den erwünschten Ergebnissen. Tatsächlich kann das Insistieren auf strengere Fiskalregeln und Konsolidierungsvorgaben also sogar kontraproduktiv sein, wenn die aus der Kürzungspolitik resultierende Verlangsamung des Wirtschaftswachstums Aufwärtsdruck auf die Staatsschuldenquote auslöst.
Deutsches Verfassungsgerichtsurteil stellt Klimainvestitionen infrage
Das Eintreten Deutschlands für härtere Fiskalregeln in der aktuell heißen Verhandlungsphase rund um die EU-Fiskalregeln ist nicht zuletzt problematisch, weil gerade erst ein Urteil des deutschen Verfassungsgerichts die Spielräume der deutschen Regierung eingeschränkt hat: Am 15. November hatte das Bundesverfassungsgericht verkündet, dass das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 mit dem Grundgesetz unvereinbar und darum nichtig sei. Die 60 Milliarden Euro aus ungenutzten Krediten, die die deutsche Bundesregierung aus der Corona-Zeit in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) übertragen hatte, dürfen deshalb nicht ausgegeben werden. Zentrale Klima-Koalitionsvorhaben – wie zusätzliche Bahninvestitionen und thermische Gebäudesanierungen – hätten aus dem besagten KTF finanziert werden sollen.
Es ist eine merkwürdige Optik, wenn Deutschlands Finanzminister Lindner andere EU-Regierungen über Haushaltsdisziplin und die Notwendigkeit strengerer EU-Fiskalregeln belehrt, während das deutsche Bundesverfassungsgericht die Umgehung der eigenen Schuldenbremsen-Regel durch einen Schattenhaushalt zurückweist.
Deutschland hat kein Schuldenproblem, tatsächlich ist die Staatsschuldenquote Deutschlands die niedrigste aller G7-Länder und liegt auch unter jener Österreichs, wie die Grafik unten zeigt. Doch Deutschland hat massive juristische Probleme mit der Schuldenbremse im Verfassungsrang, die angesichts bestehender politischer Verhältnisse schwierig reformierbar scheint.