Institutionelle Kinderbetreuung in Wien

03. April 2018

Die qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und -bildung ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Insbesondere die frühkindliche Erziehung ist prägend für den weiteren Lebensverlauf eines Kindes. Wien hat im Vergleich zu den Bundesländern das beste Angebot hinsichtlich der Zahl der Plätze und den Öffnungszeiten. Es unterscheidet sich aber bei der Struktur der Anbieter. Es stellt sich die Frage, ob diese Unterschiede Auswirkungen auf die Qualität des Angebots haben.

Zahlreiche Studien zeigen die Bedeutung einer bedarfsgerechten Kinderbetreuung für die Chancengerechtigkeit im Bildungsbereich. Auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist Kinderbetreuung eine zentrale Voraussetzung. Wien hat österreichweit die höchsten Betreuungsquoten und längsten Öffnungszeiten. Doch wie genau ist dieses Angebot für elementare Kinderbetreuung ausgestaltet? Welche institutionellen Anbieter sind in diesem Sektor zu finden? Wodurch unterscheiden sich die Betreuungsangebote der jeweiligen Institutionen voneinander? Welche Entwicklungen gab es in den letzten Jahren?

Vielfältige Angebotsformen in der Kinderbetreuung

Insgesamt gibt es in Wien vielfältige Betreuungsangebote, wie u. a. Krippen, Kindergärten und alterserweiterte Betreuungseinrichtungen. Diese unterscheiden sich in vielen Aspekten, wie beispielsweise in Bezug auf Angebotsformen, Altersstrukturen, Öffnungszeiten, Schließtage sowie Gruppengrößen. Die breite Angebotspalette ist vor allem für Eltern von Vorteil, da diese nach ihren individuellen Bedürfnissen und jenen ihrer Kinder eine geeignete Betreuungseinrichtung wählen können.

Eigenständige NPOs und Stadt Wien wichtigste Anbieter

Wiener Kindertagesheime werden entweder von privaten oder öffentlichen Anbietern betrieben. Das Zusammenwirken dieser beiden Bereiche führt zu einer großen Dichte an Kinderbetreuungseinrichtungen. Private Anbieter umfassen gewinnorientierte und nicht gewinnorientierte Kindertagesheime. Gewinnorientierte Anbieter machen im Bereich der Wiener Kinderbetreuung nur einen sehr geringen Anteil aus und werden nicht näher betrachtet. Nicht gewinnorientierte Organisationen gliedern sich in weltliche und eigenständige sowie religiöse NPOs (Non-Profit-Organisationen).

Zentrale Akteure im Bereich der Bereitstellung institutioneller Kinderbetreuung in Wien sind öffentliche Organisationen, insbesondere die Stadt Wien und Non-Profit-Organisationen (insbesondere weltliche und eigenständige NPOs), die in direkter Konkurrenz miteinander stehen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Stetiger Zuwachs betreuter Kinder bei eigenständigen NPOs

Die Anzahl der betreuten Kinder in Wiener Kindertagesheimen ist ausgehend vom Jahr 2003 bis zum Jahr 2014 stetig gestiegen. Besonders hervorzuheben ist die Entwicklung der Kinderzahl in Kindertagesheimen, die von eigenständigen Non-Profit-Organisationen betrieben werden. Vergleicht man die Jahre 2003 und 2014, so ist die Anzahl der betreuten Kinder um das Zweieinhalbfache angewachsen (von rund 16.000 auf über 42.000). Es handelt sich demnach um einen Bereich, der durch Wachstum und Dynamik gekennzeichnet ist, auch wenn im Gegensatz dazu die Kinderanzahl in öffentlichen Kindertagesheimen annähernd konstant geblieben ist.

Doch warum konnten gerade Non-Profit-Organisationen einen derartigen Anstieg bei der Anzahl der betreuten Kinder verzeichnen? Bevor diese Frage geklärt werden kann, ist zu erwähnen, dass zu den zentralen Einnahmequellen von NPOs u. a. staatliche Subventionen und Zuschüsse zählen. Hinter dem Wachstum kann also ein Politikwechsel vermutet werden, der auf eine kostengünstigere Auslagerung elementarer Kinderbetreuungseinrichtungen an Non-Profit-Organisationen abzielt. Gerade unter diesem Aspekt ist es wichtig zu wissen, wieviel ein Kinderbetreuungsplatz kostet.

Informationen zu den Kosten eines Betreuungsplatzes können als Informationsbasis für Entscheidungsträger aus den Bereichen Politik und Wirtschaft dienen. Leider gibt es kaum derartige Untersuchungen, die Aufschluss über die Kosten der Kinderbetreuung für die Träger geben, weder für Wien noch für Österreich.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Öffentliche Kinderbetreuung hat die längsten Öffnungszeiten

Die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen spielen vor allem für berufstätige Eltern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine wichtige Rolle. Ein Vergleich der geöffneten Stunden im Jahr zeigt, dass allgemeine Kindergärten der Stadt Wien die längsten Öffnungszeiten aufweisen. Gerade für vollzeiterwerbstätige Mütter und Väter sind Kindergärten in der Bundeshauptstadt dadurch sehr attraktiv.

Die Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen sind nicht nur ein zentraler Bestandteil der Vereinbarkeitsindikatoren für Familie und Beruf (VIF), sondern rücken auch durch die aktuellen Debatten rund um den 12-Stunden-Tag in den Fokus. Der stetige Wandel des Arbeitsmarktes führt dazu, dass ArbeitnehmerInnen immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind. Eine Ausweitung der Öffnungszeiten nach dem Vorbild öffentlicher Kinderbetreuung kann demnach zu einer Entlastung berufstätiger Eltern führen. Wichtig anzumerken ist, dass eine Verlängerung der Öffnungszeiten allerdings nicht die Lösung für längere Arbeitszeiten ist und nicht die Zielsetzung verfolgt wird, Kinder möglichst lange in institutionellen Betreuungseinrichtungen unterzubringen.

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Fehlende Daten zu Kosten und Qualifikationen

Die Analyse zeigt: Der Wiener Kinderbetreuungsmarkt setzt sich aus einer Vielzahl von Anbietern zusammen. Das umfassende Betreuungsangebot ist vor allem für Eltern von Vorteil, da deren heterogene Nachfrage befriedigt werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass das Angebot auch für alle KonsumentInnen gleichermaßen zugänglich ist. Dabei spielen vor allem die Preise sowie die Verteilung der Einkommen eine wichtige Rolle.

Für den Wiener Kinderbetreuungsmarkt sind jedoch keine Daten zu den Kosten/Preisen eines Betreuungsplatzes vorhanden. Auch Informationen zum Betreuungspersonal (Qualifikationen und Ausbildung) stehen nicht zur Verfügung, könnten allerdings wertvolle Einblicke liefern. Gerade aus sozialpolitischer Sicht ist eine Verbesserung der Datenlage wünschenswert. Die Erhebung sollte ausgeweitet und der Datenzugriff erleichtert werden.

Nur so können weitere Untersuchungen des Marktes für Kinderbetreuung durchgeführt werden, die als Grundlage für evidenzbasierte Politikberatung dienen. Im Hinblick auf die sich stetig verändernden Rahmenbedingungen (z. B. politisches Umfeld, Wandel des Arbeitsmarktes, Ausweitung der täglichen Arbeitszeit) gewinnt dieser Aspekt besonders an Bedeutung.

Die Masterarbeit „Institutionelle Kinderbetreuung in Wien – Eine Analyse des Betreuungsangebots von Nonprofit-Organisationen“, auf welcher der Blogbeitrag basiert, wurde im Rahmen einer Forschungsassistenz in der Abteilung für Frauen und Familie der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien fertiggestellt. Die vollständige Arbeit kann in der Bibliothek der WU Wien entlehnt werden.