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Alleinerzieher:innen in der COVID-19-Krise besonders belastet
Alleinerziehende gehörten zu den Verlierer:innen der Corona-Krise. Deren prekäre Lage (Einkommensarmut, Zeitarmut, Doppel- und Mehrfachbelastungen aufgrund von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung) hat sich durch die Pandemie weiter verschärft. Einerseits haben Arbeitslosigkeit oder Kürzungen beim Kindesunterhalt durch Arbeitslosigkeit (oder Kurzarbeit) des Kindesvaters die finanzielle Situation von Alleinerzieherinnen verschlechtert. Dazu kamen zusätzliche Ausgaben, beispielsweise aufgrund gestiegener Energiekosten, da mehr Zeit zu Hause verbracht oder technische Ausstattung fürs Homeschooling beschafft werden musste. Auch die gesundheitliche Gefährdung von Alleinerzieherinnen war vergleichsweise hoch, da diese häufiger in „systemrelevanten“ Berufen arbeiten und in geringerem Ausmaß aufs Homeoffice ausweichen konnten als andere Bevölkerungsgruppen.
Zudem haben die Schließungen von Schulen und Kindergärten sowie der Wegfall informeller Unterstützungsnetzwerke durch Freunde und Verwandte aufgrund der Kontaktbeschränkungen zu enormen Belastungen (und Überlastungen) bei der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung (inklusive Heimunterricht) geführt. Eine Studie zu den Auswirkungen des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 auf die Verteilung unbezahlter (Kinderbetreuungs-, Pflege- und Haushaltsarbeit) und bezahlter Erwerbsarbeit in Haushalten hat gezeigt, dass Alleinerzieherinnen auf die höchste Stundenanzahl im Vergleich zu Eltern in Paarfamilien gekommen sind.
Von den Corona-Hilfen für Familien, wie z. B. dem Corona-Familienhärtefonds, haben Alleinerziehende in vielen Fällen weniger profitiert. Denn getrennt lebende Eltern bekamen keine Unterstützung, wenn der nicht im Haushalt lebende Elternteil seinen Job verlor oder Einkommenseinbußen aufgrund von Kurzarbeit hatte und sich dadurch die Unterhaltszahlung reduzierte.
Kindesunterhalt wichtiger Teil des Haushaltsbudgets: Ein Drittel bekommt ihn nicht
Einer Erhebung der Statistik Austria zufolge erhalten 36 Prozent der Alleinerziehenden keinen oder keinen regelmäßigen Kindesunterhalt vom anderen Elternteil. Das ist besonders nachteilig für die betroffenen Kinder, denn (private) Transferzahlungen wie Unterhalt, Alimente machen einen beträchtlichen Anteil am Haushaltseinkommen von Ein-Eltern-Familien aus (2019: 10 Prozent) und sind fast ebenso bedeutsam wie staatliche Familienleistungen (2019: 12 Prozent).
Kommt bei getrennt lebenden Eltern der andere Elternteil seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nach, kann ein Antrag auf staatlichen Unterhaltsvorschuss gestellt werden. Im Durchschnitt erhalten Kinder einen gesetzlichen Unterhaltsvorschuss von rund 250 Euro pro Monat. Dieser Betrag ist völlig unzureichend, um die tatsächlichen Kinderkosten auch nur annähernd zu decken. Denn die Regelbedarfssätze, an denen sich der Unterhalt für Kinder von Alleinerziehenden orientiert, basieren auf einem völlig veralteten Haushaltswarenkorb aus dem Jahr 1964 und bilden die tatsächlichen Kinderkosten bei Weitem nicht ab (z. B. Wohnungs- und Energiekosten, IKT-Geräte).
Neue Kinderkostenstudie zeigt: Familienleistungen für Alleinerzieherinnen sind zu gering
Die im Dezember 2021 veröffentlichte Kinderkostenstudie, die von Kinder- und Jugendorganisationen und der AK seit Jahren gefordert wurde, zeigt Handlungsbedarf auf. Denn die gesetzlichen Regelungen zum Kindesunterhalt bilden die tatsächlichen Kinderkosten keineswegs ab.
Die monatlichen Kosten von Kindern betragen im Schnitt in einem Paarhaushalt 494 Euro und in einem Alleinerziehendenhaushalt 900 Euro. Grund dafür ist, dass sich bei geringerer Haushaltsgröße die Fixkosten, etwa für Wohnen oder Energie, auf weniger Personen verteilen. Dadurch steigen die Kosten pro Person und damit auch die Kinderkosten. Eine Gegenüberstellung der tatsächlichen Kinderkosten mit den staatlichen Familienleistungen (z. B. Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag) sowie steuerlichen Begünstigungen (z. B. Familienbonus Plus) zeigt, dass die Lücke zwischen Kosten und Familienleistungen in Ein-Eltern-Haushalten deutlich höher ist als in Paarfamilien: In Ein-Eltern-Haushalten wird im Durchschnitt nur rund ein Drittel der Kosten durch staatliche Leistungen abgedeckt (bei Paarfamilien zwei Drittel). Die Differenz zwischen tatsächlichen Kinderkosten und staatlichen Familienleistungen steigt mit dem Alter der Kinder; bei Kindern über 14 Jahren steigen die Ausgaben auf rund das Doppelte wie bei jüngeren Kindern, während die staatlichen Familienleistungen für die Altersgruppe der über 14-Jährigen kaum ansteigen.
Lückenhafter gesetzlicher Unterhaltsvorschuss
Mit dem Unterhaltsvorschuss springt der Staat ein, wenn der Unterhalt Zahlende – zumeist der getrennt lebende Vater – den Unterhalt nicht zahlen kann. Dabei handelt es sich nur um eine Art Kredit, denn das Geld wird vom Unterhaltsschuldner wieder zurückgefordert. Aus Sicht der Kinder bestehen in diesem System aber gravierende Lücken. Beispielsweise gibt es keinen Unterhaltsvorschuss, wenn der geldunterhaltspflichtige Elternteil langfristig zahlungsunfähig, verstorben oder unbekannten Aufenthalts ist.
Zahlt der getrennt lebende Elternteil aufgrund seiner Lebensumstände einen nur sehr geringen Unterhalt, gibt es keine Aufstockung. Damit bekommen manche Alleinerzieher:innen nur 20 oder 30 Euro Unterhalt. Die Höhe des Unterhaltsvorschusses ist also in vielen Fällen zu niedrig, um die tatsächlichen Kinderkosten auch nur annähernd zu decken. Und obwohl in den letzten Jahren Maßnahmen zur Beschleunigung der Gerichtsverfahren umgesetzt wurden, dauert es immer noch zu lange, bis die Leistung beim Kind ankommt.
Unterhaltsgarantie endlich umsetzen
Trotz eines grundsätzlichen Bekenntnisses aller politischen Parteien, Verbesserungen bei der Unterhaltssicherung herbeizuführen, ist die auch im Regierungsübereinkommen der aktuellen Regierung festgeschriebene Unterhaltsreform noch immer nicht umgesetzt.
Folgende Eckpunkte einer Unterhaltsreform sind erforderlich, um die finanzielle Absicherung von Kindern möglichst unabhängig vom Wohlstand der Eltern zu garantieren:
- Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss müssen rasch und unbürokratisch zumindest auf die Höhe des Regelbedarfssatzes ergänzt werden.
- Die aktuelle Kinderkostenstudie soll die Grundlage für eine Erhöhung der Regelbedarfssätze bilden, da diese trotz jährlicher Indexanpassung die durchschnittlichen Bedürfnisse von Kindern nicht mehr abbilden.
- Die im Regierungsprogramm festgeschriebene Reform des Unterhaltsrechts muss zügig umgesetzt werden: Verfahren zu Unterhalt und Unterhaltsvorschuss müssen vereinfacht und beschleunigt werden.
- Anspruch auf Unterhaltsgarantie und Unterhaltsvorschuss für den gesamten Zeitraum des Familienbeihilfenbezugs erweitern, um auch über 18-jährige Kinder in Ausbildung finanziell abzusichern.
Die Umsetzung der Unterhaltsgarantie würde nicht nur der Tatsache Rechnung tragen, dass immer mehr Eltern getrennt leben, sondern wäre vor allem eine extrem wirksame, kostengünstige und zielgenaue Maßnahme, um Kinderarmut in Österreich zu verringern.
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