Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet die ungleiche Entlohnung gleicher oder gleichwertiger Arbeit zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. In der Realität verdienen Frauen jedoch nach wie vor weniger als Männer. Mehr als die Hälfte des so genannten Gender-Pay-Gaps bleibt selbst unter Heranziehung unterschiedlicher Faktoren (Bildung, Beruf, Branche etc.) unerklärt, weshalb es sich bei diesem „Rest“ um eine geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung handelt.
Auf diese Lohnungleichheit macht der Equal-Pay-Day aufmerksam. Um die geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung bekämpfen zu können, bedarf es einerseits der Entgelttransparenz in den Unternehmen, andererseits müssen Maßnahmen für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf getroffen werden. Die Lohndiskriminierung kann nachhaltig jedoch nur durch die Wertsteigerung der Frauenarbeit erreicht werden.
Gender-Pay-Gap
Der Equal-Pay-Day, welcher im Jahr 2020 österreichweit am 22. Oktober war, markiert jenen Tag, ab welchem Frauen aufs Jahr gerechnet gratis arbeiten. „Gratis“ deswegen, weil Frauen um 19,3 Prozent weniger verdienen als Männer. In Oberösterreich beträgt dieser Einkommensunterschied sogar 23,8 Prozent. Die bestehende Einkommenslücke hat sich dabei in den vergangenen zwanzig Jahren kaum verringert und betrug im Jahre 2018 mit 36,7 Prozent nur um 1,6 Prozentpunkte weniger als 1997.
Der unbereinigte Gender-Pay-Gap demonstriert den Unterschied zwischen den durchschnittlichen Jahres-Bruttoeinkommen. Beim bereinigten Gender-Pay-Gap werden bestimmte Faktoren – wie beispielsweise Bildung, Beruf, Branche, Arbeitszeit, das Alter, Berufsunterbrechungen sowie Teilzeit wegen Kinderbetreuungsarbeit – berücksichtigt, sozusagen „herausgerechnet“. Je mehr Faktoren in die Berechnung miteinbezogen werden, umso geringer wird die Lücke.
Gleiches Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit
Die Gewährung von gleichem Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit ist gesetzlich in § 3 Z 2 Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verankert. Der Entgeltbegriff ist weit auszulegen. Er umfasst sämtliche Geld- und Sachleistungen, welche ArbeitnehmerInnen aufgrund der Zurverfügungstellung ihrer Arbeitsleistung zustehen (beispielsweise kollektivvertragliche Lohngruppen, Betriebspensionen, Überstundenpauschalen, Sonderprämien und Funktionszulagen).
Beim Begriff der gleichen bzw. gleichwertigen Arbeit handelt es sich um einen rein qualitativen, dieser bezieht sich auf die Art der betreffenden Arbeitstätigkeit. Es bedarf einer Einzelfallbeurteilung der konkreten Arbeitstätigkeit, der Anforderungen der Beschäftigung sowie der Art der Aufgaben, um festzustellen, ob gleiche oder gleichwertige Arbeit vorliegt. Wird von den ArbeitnehmerInnen die gleiche oder gleichwertige Arbeit geleistet, so kann der Arbeitgeber eine unterschiedliche Lohnvergütung nur unter Anwendung sachlich gerechtfertigter Kriterien vornehmen.
Der Schein kann trügen – und diskriminieren!
Vordergründig geschlechtsneutral formulierte Regelungen, die auf den ersten Blick unbedenklich wirken, können Frauen massiv benachteiligen. Dies trifft besonders dann zu, wenn Firmen scheinbar neutrale Kriterien wie Mobilität, Flexibilität bei der Arbeitszeit, Vollzeitbeschäftigung, durchgängige Beschäftigung oder lange Betriebszugehörigkeit zur Voraussetzung für den Zugang zu bestimmten Positionen, Beförderungen oder gar die Einstellung machen. Frauen, die überwiegend die familiäre Care-Arbeit, insbesondere die Kinderbetreuung, übernehmen, können diese Kriterien typischerweise nicht so leicht erfüllen und sind somit öfter von solchen Positionen am Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Obwohl also scheinbar geschlechtsneutrale Formulierungen gewählt werden, diskriminieren diese entlang der Geschlechtergrenze Frauen, da diesen der Zugang zu solchen oftmals finanziell lukrativen beruflichen Positionen verwehrt bleibt.
Hier spricht man von mittelbaren Diskriminierungen gemäß § 5 Abs 2 GlBG. Eine Unterscheidung kann allerdings ausnahmsweise zulässig sein, wenn die betreffenden Regelungen, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt werden können, die Mittel zur Zielerreichung angemessen und erforderlich sind.
Glaubhaftmachung des Vorliegens eines geschlechtsspezifischen Lohnunterschiedes
Ob tatsächlich eine Entgeltdiskriminierung vorliegt, ist je nach individuellem Einzelfall zu beurteilen. Im Rahmen der Beweislastregeln des GlBG hat eine Person, die von einer Diskriminierung betroffen zu sein scheint, diese lediglich glaubhaft zu machen, indem Tatsachen vorgebracht werden, die die Diskriminierung wahrscheinlich machen. Der potenziell Diskriminierende muss in der Folge beweisen, dass nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen wurde. Im Falle der Entgeltdiskriminierung müsste der Arbeitgeber also sachliche Gründe darlegen, die zu einem geschlechtsspezifischen Lohnunterschied führen.
In einem kürzlich verfassten Gutachten der Gleichbehandlungskommission war ein innerbetriebliches Gehaltsschema zu beurteilen, welches sowohl bei den Angestellten als auch den Arbeiterinnen und Arbeitern aus jeweils vier Stufen bestand. In Stufe 4 des Angestelltenbereiches waren fast nur Frauen beschäftigt, während in Stufe 1 des ArbeiterInnenbereiches überwiegend Männer tätig waren. Die Beschäftigten beider Gruppen verfügten jeweils über eine einschlägige Fachausbildung und eine hohe Eigenverantwortung. Trotzdem wurde die Gruppe der hauptsächlich weiblichen Angestellten wesentlich schlechter entlohnt als die Gruppe der hauptsächlich männlichen Arbeiter. Es gelang dem Antragsgegner nicht, zu beweisen, dass der Lohnunterschied zwischen den beiden Gruppen auf sachlichen Gründen beruht, weshalb die Gleichbehandlungskommission das Vorliegen der mittelbaren Diskriminierung der hauptsächlich weiblichen Angestellten feststellte und die Firma anwies, ein diskriminierungsfreies Gehaltsschema zu schaffen.
In der Praxis wagen die Arbeitnehmerinnen im aufrechten Dienstverhältnis – häufig aus Angst, ihren Job zu verlieren – nicht, ihr Recht gerichtlich geltend zu machen. Dazu kommt, dass die betroffene Person oft gar nicht erfährt, dass ein Arbeitnehmer mehr verdient als sie selbst, da das Thema Gehalt in Österreich nach wie vor ein Tabuthema ist.
Lohntransparenz durch den Einkommensbericht?
Mit dem Einkommensbericht, welcher in § 11a GlBG normiert ist, wurde ein Instrumentarium geschaffen, welches die Erkennbarkeit des Vorliegens von Entgeltdiskriminierungen leichter machen soll. Eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung geschlechtsspezifischer Einkommensberichte besteht lediglich für Unternehmen mit mehr als 150 ArbeitnehmerInnen. Da diese in anonymisierter Form erstellt werden, ist es allerdings nicht möglich, Rückschlüsse auf Entgeltunterschiede zwischen konkreten Vergleichspersonen zu ziehen. Das macht den Beweis des Vorliegens einer Entgeltdiskriminierung oftmals unmöglich.
Es wäre aussagekräftiger, wenn man die Lohnungleichheit anhand einer konkreten Vergleichsperson des anderen Geschlechts demonstriere, als einen bloß abstrakten Einkommensbericht zur Feststellung, ob eine Geschlechterdiskriminierung vorliegt, heranzuziehen.
Wie kürzlich in einem Rechtsgutachten dargestellt, verfolgt die Weitergabe konkreter Gehaltsdaten zur Beurteilung, ob ein Fall der Entgeltdiskriminierung vorliegt, einen berechtigten Zweck. Im Besonderen wiegt das Rechtsschutzinteresse der diskriminierten Person schwerer als das Geheimhaltungsinteresse der Vergleichsperson. Die Weitergabe der Gehaltsdaten durch den Betriebsrat an bestimmte Einrichtungen zum Zweck der Ahndung von Entgeltdiskriminierungen ist sowohl aus datenschutzrechtlicher als auch aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich.
Maßnahmen zur Erreichung von Lohngleichheit
Um gegen den bestehenden Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern vorgehen zu können, bedarf es der Enttabuisierung des Themas der Gehaltshöhe und somit der vollständigen Einkommenstransparenz innerhalb der Unternehmen. Dies würde die Beweisbarkeit von geschlechterdiskriminierender Entlohnung erleichtern und bestehende diskriminierende Strukturen in den Unternehmen aufdecken.
Ergänzend zur Lohntransparenz in allen Unternehmen müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, um Entgeltgleichheit zu schaffen. Frauen leisten nach wie vor den Großteil der unbezahlten Sorge- und Pflegearbeit von Kindern und Angehörigen, unterbrechen somit auch häufiger ihren Beruf und arbeiten Teilzeit. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern und Frauen einen Vollzeitarbeitsplatz zu gewährleisten, ist es notwendig, das Kinderbetreuungsangebot auszubauen und die Väterbeteiligung zu erhöhen. Immerhin gab es im Jahr 2019/20 zu wenige vollzeittaugliche oder VIF-konforme Betreuungsplätze.
Corona-Pandemie und Ausblick
Die Corona-Pandemie verstärkt die bestehende Ungleichbehandlung von Frauen und zeigt einmal mehr, wie viel Frauen täglich im Beruf, aber auch im Privat- und Familienleben leisten. Die Kombination von Homeoffice und Homeschooling stellt für Familien eine besondere Herausforderung dar. Die traditionelle Rollenverteilung wurde durch die Corona-Krise verstärkt, denn der Großteil der zusätzlichen Kinderbetreuungsaufgaben wurde von den Frauen erbracht.
Während der Pandemie wird von jenen Personen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, wie beispielswiese im Gesundheitswesen, in der Grund- und Lebensmittelversorgung sowie in der Kinderbetreuung – mehrheitlich sind das Frauen –, besonders viel gefordert. Aber entgegen der Bezeichnung als systemrelevant werden diese Berufe unterdurchschnittlich entlohnt. Es wäre an der Zeit, diese Tätigkeiten entsprechend zu remunerieren, anstatt die Leistungen der Arbeitnehmerinnen nur mit Worten zu loben. Dies wäre auch ein großer Schritt in Richtung Verringerung und Beseitigung der Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen.
Die Entgeltdiskriminierung von Frauen ist letztendlich auf stereotype Rollenbilder sowie die strukturelle Benachteiligung von Frauen zurückzuführen. Zwar tragen die genannten Maßnahmen zu einer fairen Entlohnung von Frauen bei, aber ohne den Wert der von Frauen verrichteten Arbeit zu steigern, werden geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierungen nicht nachhaltig beseitigt werden können.