Gemeinderatswahlen in NÖ: Wahlthemen und Herausforderungen für die Gemeinden

22. Januar 2020

Nach fünf Jahren ist es am 26.1.2020 wieder so weit: 1,46 Mio. Wahlberechtigte in Niederösterreich sind aufgerufen, in insgesamt 567 von 573 Gemeinden ihren Gemeinderat zu wählen. Aber was sind die Themen, welche den Wahlkampf prägen? Was sind die größten Herausforderungen für die Gemeinden?

Kleinste Gemeinde, die wählt, hat 98 EinwohnerInnen, die größte knapp45.000 EinwohnerInnen

573 der insgesamt 2.095 Gemeindenin Österreich liegen in Niederösterreich, das ist ein Anteil von über 27 Prozent.Viele der Gemeinden sind ländliche Gebiete mit weiten Distanzen zu größerenStädten, ein nicht unerheblicher Teil befindet sich im Einzugsbereich vongrößeren Städten – vor allem von Wien –, und darüber hinaus gibt es größereGemeinden/Städte, wie Wiener Neustadt, St. Pölten und Krems.

Die Unterschiedlichkeit derHerausforderungen der Wahlgemeinden erkennt man, wenn man sich ein paarwesentliche Indikatoren ansieht: Beispielsweise sind die Gemeinden von 1,47 km2(Hirtenberg im Bezirk Baden) bis 256 km2 (Zwettl imWaldviertel) groß und haben von 98 (Großhofen im Bezirk Gänserndorf) bis 45.000EinwohnerInnen (Wiener Neustadt) (als eine von sechs Gemeinden wird in St.Pölten mit knapp 55.000 EinwohnerInnen nicht am 26. Jänner gewählt). Diesehatten mit (starken) Bevölkerungszuwächsen oder -rückgängen zu kämpfen (vonminus 20 Prozent vor allem in ländlich abgelegenen Gemeinden bis + 40 Prozentvor allem im Umland von Wien in den letzten 10 Jahren). Gerade diese unterschiedlichenVoraussetzungen stellen die Gemeinden vor verschiedene Herausforderungen,welche wir hier kurz umreißen wollen.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Herausforderung 1: Gemeindefinanzen

Die finanzielle Situation in denniederösterreichischen Gemeinden ist sehr unterschiedlich, hat sich aber seitAusbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 im Großen und Ganzen stabilisiert.In Summe hatten im Jahr 2018 – laut Statistik Austria – alle Gemeinden inNiederösterreich einen Maastricht-Überschuss von ca. 71 Mio. Euro. Hierbei istzu beachten, dass ca. 40 Prozent derGemeinden (insgesamt 230 von 573) einMaastricht-Defizit aufwiesen – das ist ein leicht höherer Anteil als imÖsterreich-Schnitt von ca. 38 Prozent. Viele Gemeinden kämpfen damit, dass die finanziellenBelastungen aufgrund von gesetzlichen Änderungen auf Bundes- und Landesebeneimmer größer werden (beispielsweise durch Kofinanzierung zur Kinderbetreuung, Pflegeund Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe neu). Laut KDZ (Zentrum fürVerwaltungsforschung) reduziert sich die Finanzkraft pro EinwohnerIn derniederösterreichischen Gemeinden durch empfangene und gegebene Transfers um ca.20 Prozent, das ist nach Oberösterreich und Kärnten die dritthöchste Reduktionim Bundesländervergleich. Trotz kontinuierlicher Verbesserung der finanziellenLage der Gemeinden in den letzten Jahren, ist der Schuldenstand pro EinwohnerIn(Stand Ende 2018) in den niederösterreichischen Gemeinden mit knapp 2.100 Euroder höchste im Österreichvergleich (1.681 Euro). Und auch hier ist dieSituation zwischen den Gemeinden sehr unterschiedlich: Der niedrigsteSchuldenstand pro EinwohnerIn liegt bei 20 Euro, der höchste bei knapp 8.800Euro!

Herausforderung 2: Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur

Vorallem in flächenmäßig großen Gemeinden ist die Bereitstellung und Erhaltung vonhochwertiger Infrastruktur im Verkehrsbereich sowie vor allem bei derWasserver- und Abwasserentsorgung zu einer großen finanziellen Herausforderunggeworden. Mangelnde räumliche Verdichtung der Wohneinheiten in den Gemeindensowie die immer stärkere Verlagerung von Arbeitsplätzen in regionale bzw.überregionale Zentren haben zu einem massiven Ausbau der Verkehrs- undVersorgungsinfrastruktur geführt. Beispielsweise nahm der Anteil der Menschen,die ihre Gemeinde auf dem Weg zur Arbeit verlassen mussten, in den letzten 30Jahren kontinuierlich zu. Lediglich 21 Prozent der ArbeitnehmerInnen inNiederösterreich arbeiten in ihrer Wohnortgemeinde. Der durchschnittlicheArbeitsweg in Niederösterreich beträgt 21 Kilometer, und die Erwerbstätigenbenötigen dafür 32 Minuten (am kürzesten ist der Arbeitsweg im Mostviertel [15km] und am längsten im Weinviertel [28 km]). Rund 42 Prozent aller Wege vonErwerbstätigen in NÖ sind Arbeitswege. Die Arbeitswege werden inNiederösterreich zu 65 Prozent im motorisierten Individualverkehr zurückgelegt(davon 5 Prozent als BeifahrerInnen). 21 Prozent nutzen den öffentlichenVerkehr, 8 Prozent das Rad, und 5 Prozent gehen zu Fuß in die Arbeit. Unterdiesen Rahmenbedingungen sind für die Gemeinden unterschiedliche Strategiengefragt. In den Orten und für die kurzen Wege sollten mehr attraktive undsichere Fuß- und Radwege geschaffen werden, ebenso in den Räumen um Wien undzwischen den großen Städten in Niederösterreich ein dichteres Angebot im öffentlichenVerkehr. Alternative Konzepte für Regionen und Gemeinden ohne Erschließung mit öffentlichenVerkehr müssen einen Verzicht oder Ersatz des Pkw überhaupt erst möglichmachen.

Herausforderung 3: Kinder- und Altenbetreuung/Pflege

Die Veränderungen derAltersstrukturen innerhalb der Gemeinden hinterlässt vor allem Spuren bei derVersorgung der Menschen in den einzelnen Altersstufen. Beispielsweise ist derAnteil der Bevölkerung, welche 65 und mehr Jahre alt ist, im Bezirk Amstettenmit 17,8 Prozent am niedrigsten, im Bezirk Gmünd mit 24,8 Prozent am höchsten. DieserTrend wird sich laut den letzten Bevölkerungsprognosen nochmals verstärken. InGemeinden (vor allem rund um Wien) mit starkem Zuzug von Jungfamilien werdenvor allem zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulplätze benötigt (z. B.bei Kindertagesheimen haben die Gemeinden laut Statistik Austria einenKostenanteil von über 50 Prozent). Ländlichere Gebiete, wie der Großteil desWaldviertels, nördlichen Weinviertels sowie des alpinen Raums, kämpfen mit derstarken Abwanderung von jungen Menschen (vor allem Frauen), was zu niedrigerenGeburtenraten führt sowie zu einer Überalterung der dort lebenden Bevölkerung.Hier werden vermehrt Plätze in Pflegeeinrichtungen bzw. Konzepte derhäuslichen/mobilen Pflege benötigt. Außerdem stehen diese Gemeinden oftmals vorder Herausforderung, trotz starken Rückgangs der zu betreuenden Kinder undJugendlichen Betreuungs- und Schulplätze zu erhalten (z. B. haben fast 90 Prozentaller Kindertagesheime in Niederösterreich einen öffentlichen Erhalter, das istnach dem Burgenland der zweithöchste Anteil im Bundesländervergleich). Dazukommt, dass in den einzelnen Gemeinden die Betreuungsmöglichkeiten (und somitdie Möglichkeit der Erwerbstätigkeit von erziehenden Eltern) für Kinder sehrunterschiedlich sind: Lediglich knapp 4 Prozent der Kindertagesheime sind dasganze Jahr geöffnet (in Wien 77 Prozent), mehr als die Hälfte derKindertagesheime haben 36 und mehr Schließtage im ganzen Jahr.

Herausforderung 4: Grund und Boden/Wohnen

Die niederösterreichischen Gemeinden stehen in diesem Bereich vor unterschiedlichen Herausforderungen. Je ländlicher eine Gemeinde, desto eher steht leistbarer Grund und Boden zur Verfügung. Entlang der West- und Südachse sowie rund um Wien werden die steigenden Grundstückspreise für immer mehr Gemeinden zum Problem. Die Verstädterung in den Wiener Umlandgemeinden entspricht häufig nicht der Selbstwahrnehmung der ansässigen Bevölkerung, die sich nach wie vor im ländlichen Raum wähnt. Auf der anderen Seite gibt es Regionen, wie das Waldviertel, das nördliche Weinviertel oder das südliche Mostviertel, wo Grund und Boden relativ günstig zu haben sind. Die effiziente Nutzung – insbesondere eine kompakte Siedlungsstruktur – hat mehrerlei Vorteile, auch für diese Gemeinden. Ortschaften mit klaren Konturen und einer klaren Abgrenzung zum umliegenden Grünland und einem funktionalen Zentrum sparen letztendlich auch Kosten für die technische Infrastruktur (beispielsweise Straßenbau, Kanalbau etc.). Innerorts gilt es, das zur Verfügung stehende Bauland zu mobilisieren – insbesondere Baulücken sollen geschlossen werden.

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