FahrradbotInnen aller Länder, vernetzt euch! Internationales Foodora-Treffen in Wien

01. Juni 2018

Wir leben zunehmend in einer „Dienstbotengesellschaft“. Dementsprechend prekär sind die Arbeitsbedingungen bei neuen digitalen Dienstleistern, wie beispielsweise Foodora. Andererseits ist es in Österreich gelungen, bei diesem Unternehmen einen Betriebsrat zu etablieren. Um einen Erfahrungsaustausch zwischen FahrradbotInnen zu initiieren und voneinander zu lernen, kam es Mitte April 2018 in Wien zu einem internationalen Vernetzungstreffen.

Delivery Hero – der Multi in Sachen Essensauslieferung

Wer kennt sie nicht: die flinken RadfahrerInnen von Foodora mit den pinken Rucksäcken? Dahinter steckt kein harmloses Start-up, sondern der deutsche Konzern Delivery Hero, in dessen Berliner Zentrale mehr als 1000 Menschen werken und managen. Der Umsatz betrug im Vorjahr 544 Mio. Euro, der Verlust stattliche 94 Mio. Euro.

Konzernmutter Delivery Hero beschäftigt sich in mehr als 40 Ländern der Welt mit Essensauslieferung und hat in wenigen Jahren ein dichtes Geflecht an Tochterunternehmen aufgebaut bzw. zugekauft. In Österreich sind dies z. B. die Firmen Foodora und Mjam.

Das Firmenimperium des Foodora-Mutterkonzerns Delivery Hero:

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Auch die ZustellerInnen können sich vernetzen

Foodora selbst gibt es in mehr als 260 Städten in 22 Ländern. Rund 22.000 FahrradbotInnen stellen die Verbindung zwischen 36.000 Vertragsrestaurants und den bequemlichkeitsgeleiteten KundInnen her. Um der internationalen Vernetzung des Konzerns eine Vernetzung der Beschäftigten entgegenzustellen, organisierte die Gewerkschaft vida gemeinsam mit dem ÖGB und der AK ein internationales Treffen. Aus Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Norwegen und Österreich nahmen jeweils „Tandems“ von einem Fahrradboten/einer Fahrradbotin und einem/einer GewerkschaftssekretärIn teil. Nach einer Begrüßung durch vida-Vorsitzenden Roman Hebenstreit berichteten die LändervertreterInnen über deren aktuelle Situation bzw. spezifischen Herausforderungen. Danach wurden im Rahmen eines World Cafés folgende fünf Themen bearbeitet:

  • Art und Ausgestaltung der Arbeitsverträge
  • In welche Richtung geht Foodora?
  • Arbeitsbedingungen
  • Datenschutz
  • Möglichkeiten der Gewerkschaftsarbeit

Allgemeiner Tenor war: „Foodora ist nicht Foodora“. Gemeint ist damit, dass das Unternehmen in jedem Land die Arbeitsverträge hat, die jeweils am vorteilhaftesten sind: Nur „freie“ Dienstnehmer in Frankreich, freie Dienstnehmer und Angestellte in Österreich und der BRD, nur Angestellte (Norwegen, Niederlande); teilweise mit Null-Stundenverträgen. In manchen Ländern setzt das Unternehmen bewusst auf hohe Fluktuation, in anderen auf langfristige Beschäftigung. Oft beruft sich das lokale Management auf Vorgaben aus der Konzernzentrale. Foodora ist eindeutig auf Wachstum ausgerichtet und will in allen Ländern gewinnbringend werden. Damit verbunden sind punktuelle Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, z. B. durch Auflassen von Stützpunkten, Aufenthaltsräumen und Werkstätten. Bezüglich Datenschutz ist ein Hauptproblem, dass die gesamte Kommunikation über die privaten Smartphones der FahrerInnen läuft. So wissen die KundInnen die Namen und Telefonnummern der ZustellerInnen. Die FahrerInnen werden vom Unternehmen permanent „getrackt“. Auch die Fahrräder müssen die sie selbst bereitstellen und in Schuss halten.

Hindernisse bei der Gewerkschaftsarbeit sind kulturelle Unterschiede (Lebensphilosophie von FahrradbotInnen versus Gewerkschaftsstrukturen) und die hohe Fluktuation. Hier müssen die Gewerkschaften ihre Arbeits- und Kommunikationsweise an die neuen Bedingungen anpassen. Deren Stärken sind wiederum die hohe Kompetenz bei den Kollektivvertragsverhandlungen, der Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen und dem politischen Lobbying. Auch konkrete Hilfestellungen bei der Infrastruktur (Besprechungsräume, Aufenthalts- und Reparaturräume) wurden angesprochen.

Wie weiter?

Was die wichtigsten Aspekte in Bezug auf Gewerkschaftsarbeit sind, wurde von den TeilnehmerInnen gewertet:

  1. ordentliche Arbeitsverträge für alle
  2. internationale Treffen mit anderen Beschäftigten der Branche (nicht nur Foodora)
  3. sofortiger Rechtsschutz mit Gewerkschaftsbeitritt

Das Treffen wurde durch die Bank als sehr nützlich, lehrreich und spannend bewertet. Die Grundlagen für die weitere internationale Vernetzung sind geschaffen. Sie basiert einerseits auf verstärkter internationaler Kooperation der Betriebsräte, anderseits soll es ein Nachfolgetreffen geben. Es wird im Herbst in Belgien stattfinden und auch FahrradbotInnen anderer Firmen erfassen.