Die Atypisierung der Arbeitswelt und ihre Folgen

16. September 2013

Die neuesten Zahlen von Statistik Austria bestätigen einen langjährigen Trend: die Zahl der atypisch Beschäftigten nimmt weiter zu, während der Anteil zeitlich unbegrenzter Vollzeitbeschäftigung zurückgeht. Waren 2004 noch rund 853.000 Menschen unselbständig atypisch beschäftigt, so stieg ihre Zahl bis 2012 auf 1,132 Mio. Personen, was einem Anstieg von beinahe einem Drittel entspricht. Damit beträgt der Anteil der Atypischen an der Gesamtzahl der unselbständig Beschäftigten mittlerweile 31,2 Prozent, 6,1 Prozentpunkte mehr als noch 2004. Umgekehrt bedeutet das, dass der Beschäftigungsanstieg seit dem Jahr 2000 praktisch zur Gänze aus Arbeitsverhältnissen abseits stabiler Vollzeitbeschäftigung entstanden ist.

Zu den unselbständig atypisch Beschäftigten zählen nach Definition von Statistik Austria Teilzeitbeschäftigte, inklusive Personen, die geringfügig beschäftigt sind, sowie Leih- und ZeitarbeiterInnen und befristet Beschäftigte. Teilzeitbeschäftigte, die zwischen 12 und 35 Stunden pro Woche arbeiten, machen mit knapp über 60 Prozent den mit Abstand größten Teil dieser Gruppe aus.

Nicht inkludiert sind selbständig atypisch Beschäftigte, eine Gruppe, die quantitativ kaum abgrenzbar ist. Sie besteht zum einen aus den Versicherten in der gewerblichen Sozialversicherung (GSVG) ohne Gewerbeschein (Sondertatbestand) unter Herausrechnung der freien Berufe, die etwa 30.000 Personen ausmachen. Dazu kommt eine unbestimmbare Zahl von Personen, die wirtschaftlich praktisch zur Gänze von einem bestimmten Unternehmen abhängig sind, einen Gewerbeschein besitzen (oftmals auf Verlangen des Unternehmens, um ihren Status als Selbständige für die Sozialversicherung zu betonen) und ihre Tätigkeiten vor der Liberalisierung der Arbeitswelt im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt hätten.

Starker Anstieg von Teilzeitbeschäftigung

Laut Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria sind fast drei Viertel (73 Prozent) aller seit 2000 zusätzlich beschäftigten Personen Frauen. Diese Entwicklung ist wenig überraschend, da der Frauenanteil bei den Beschäftigten unter jenem der Männer liegt, jedoch seit Jahrzehnten kontinuierlich wächst. Bei der Mehrzahl dieser neuen Arbeitsverhältnisse beträgt die Arbeitszeit jedoch weniger als 36 Stunden, die statistische Grenze unter der von Teilzeitbeschäftigung zu sprechen ist. So ist es auch wenig verwunderlich, dass mittlerweile beinahe die Hälfte (45 Prozent) aller erwerbstätigen Frauen Teilzeit arbeiten, gleichzeitig aber nur 9 Prozent der Männer.

Der Beschäftigungsanstieg zwischen 2000 und 2012 ist bei den Männern zu 86 Prozent, bei den Frauen sogar zu 97 Prozent (!) auf den Anstieg von Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen (siehe Abbildung).

Entwicklung der Frauenbeschäftigung 2000 bis 2012

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Quelle: Statistik Austria, eigene Darstellung. Werte bis 2003 mit Werten ab 2004 nur bedingt vergleichbar.

Die Krise verstärkt den Trend zur Atypisierung

Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise, kam es ab 2008 zu einem Rückgang der Beschäftigung, die erst 2010 wieder das Vorkrisenniveau erreichte. Besonders betroffen waren unter anderem LeiharbeiterInnen, da ihre Arbeitsverträge, anders als jene der Stammbelegschaften, vergleichsweise leicht zu beenden sind. ArbeitsmarktexpertInnen gehen davon aus, dass aus diesem Grund Unternehmen zukünftig verstärkt auf Leiharbeit zurückgreifen werden. Um die negativen Effekte der Krise auf die Beschäftigung abzuschwächen, wurde in österreichischen Betrieben in großem Ausmaß Kurzarbeit eingesetzt, eine zeitlich begrenzte Reduktion der Arbeitszeit.

Die Folgen der Atypisierung

Atypische Beschäftigung hat für manche der Betroffenen Vorteile, wie beispielsweise eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, oder eine höhere Unabhängigkeit. Für viele allerdings vor allem Nachteile: Geringe Arbeitsplatzsicherheit von befristet Beschäftigten oder Leiharbeitskräften, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld freier DienstnehmerInnen, oftmals keine soziale Absicherung von geringfügig Beschäftigten und in der Folge keine oder nur eine niedrige Pension im Alter. Die Beiträge atypisch Beschäftigter in die Sozialversicherungstöpfe sind langfristig vielfach geringer als jene der Normalbeschäftigten. Da der österreichische Staat in erheblichem Ausmaß auf die Beträge der arbeitenden Menschen zurückgreift, um sozial umzuverteilen, hat diese Entwicklung zusätzliche, gesamtgesellschaftlich gesehen negative Konsequenzen.

Ein Blick in die Zukunft

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre lassen wenig Zweifel an der Richtung, in die es zukünftig gehen wird. Ein relevanter Anstieg von Vollzeitarbeitsplätzen erscheint unwahrscheinlich. Die Zahl der geringfügigen und der teilzeitbeschäftigten Frauen könnte bald höher sein als jene der vollzeitbeschäftigten. Auch eine weitere Zunahme von Formen selbständig atypischer Beschäftigung ist nicht unwahrscheinlich.

Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Höhere Sozialversicherungsabgaben und eine striktere Auslegung des ArbeitnehmerInnenbegriffs durch die Sozialgerichte haben in den letzten Jahren zu einem Rückgang der freien Dienstverträge und damit zu einer besseren sozialen Absicherung vieler Betroffener geführt. Die Novelle zum Arbeitskräfteüberlassungsgesetz in Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie hat die Benachteiligungen für diese Gruppe reduziert. Auch sollte – bei aller berechtigen Klage über die Beschäftigungssituation – nicht vergessen werden, dass immer noch mehr als 2 von 3 Arbeitsverhältnissen unbefristete Vollzeitjobs sind. In jedem Fall wird es auch zukünftig überaus wichtig sein, Arbeitsplätze zu schaffen, die eine finanzielle und soziale Absicherung der Erwerbstätigen gewährleisten.