Die Hartz-Reformen folgten dem sogenannten Aktivierungsparadigma, das tradierte sozialstaatliche Ziele und Prinzipien neu interpretiert. Darüber hinaus war die Flexibilisierung des deutschen Arbeitsmarktes ein weiteres zentrales Element dieser Reformpolitik. Die Konsequenzen waren eine Polarisierung sowohl der Arbeitsmarktteilhabe wie auch der Einkommen bzw. die Verfestigung von Armut. Notwendig ist daher, dass die unteren Einkommenssegmente sozialpolitisch stärker unterstützt und der Arbeitsmarkt sowie die Löhne re-reguliert werden.
Im Mittelpunkt stand dabei die Reorganisation der Arbeitsvermittlung, die Reform der Transfersysteme für Arbeitslose sowie die Umgestaltung der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Insbesondere die Streichung der Arbeitslosenhilfe und die Einführung einer steuerfinanzierten Grundsicherungsleistung, die zumeist nach einem Jahr Arbeitslosigkeit eintritt, hat viel Aufmerksamkeit hervorgerufen. Um einen niederschwelligen Arbeitsmarktzugang zu eröffnen, wurden Leiharbeit, Befristungen sowie Teilzeitarbeit, einschließlich der Expansion der sogenannten Mini-Jobs (ohne individuelle Sozialversicherungspflicht), dereguliert und deren Inanspruchnahme ausgeweitet. Ferner bewirkten die verschiedenen Instrumente der Arbeitsförderung zur Unterstützung von Existenzgründungen eine bedeutende Zunahme an Solo-Selbstständigen.
Um die Investitionsbedingungen zu verbessern und die Nachfrage nach Arbeit zu steigern, wurde auch die Flexibilisierung der Tarifpolitik vorangetrieben, u. a. in Form der Öffnungsklauseln in Tarifverträgen. Der Rückgang der Tarifdeckung in Verbindung mit der Zunahme flexibler Beschäftigungsformen, aber auch die Verpflichtung von (Langzeit-)Arbeitslosen, Tätigkeiten anzunehmen, deren Entgelt unterhalb des Tariflohns liegt, begünstigten die Ausbreitung des Niedriglohnsektors. Die Einführung von Branchenmindestlöhnen oder Landesmindestlöhnen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bildete ein vergleichsweise schwaches Gegengewicht, um das Absinken vor allem der unteren Löhne zu verhindern. Entsprechend kam es 2015 schließlich zur Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns, der allerdings deutlich unter der Niedriglohnschwelle liegt.
Die zu beobachtende Abnahme der Arbeitslosigkeit sowie die Zunahme der Beschäftigung gingen mit einer Polarisierung sowohl der Arbeitsmarktteilhabe wie auch der Einkommen bzw. der Verfestigung von Armut einher.
Sinken der Arbeitslosigkeit – Beschäftigungsexpansion durch atypische Beschäftigungsformen
Nachdem in 2005 ein absoluter Höhepunkt der Arbeitslosenquote erreichte wurde, gehen die entsprechenden Zahlen seitdem massiv zurück. Dieser Trend wurde allein durch die Finanzkrise im Jahr 2009 kurz unterbrochen. 2015 lag die Arbeitslosenquote bereits bei 7,1 Prozent. Im April 2018 lag sie mit 5,3 Prozent noch deutlich unter diesem Niveau.
Dies ging mit einem Anstieg der Beschäftigten seit 2005 einher. Aktuell werden in Deutschland 44,46 Millionen Erwerbstätige gezählt. Davon sind 2018 knapp 34 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das bis vor kurzem eher mäßige Wirtschaftswachstum erklärt die aufgezeigte Beschäftigungsentwicklung nur bedingt. Entscheidend scheint vielmehr die demografische Entwicklung, die einen Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zur Folge hatte. Dies wird begleitet vom Trend der steigenden Frauen- bzw. Müttererwerbstätigkeit, der im Zuge der Aktivierungspolitik vor allem durch den Ausbau der Kinderbetreuung massiv verstärkt wurde. Gleichwohl arbeitet die Mehrheit der Mütter in Teilzeit. Der Anteil der im Normalarbeitsverhältnis (unbefristet, Vollzeit) beschäftigten Frauen (im erwerbsfähigen Alter) liegt mittlerweile bei nur noch knapp 30 Prozent, während dieser bei Männern trotz Flexibilisierungswelle weitgehend konstant bei über 60 Prozent liegt. Entsprechend haben insbesondere die verschiedenen Teilzeitformen, also sowohl sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit als auch Mini-Jobs (ausschließlich geringfügige Teilzeit sowie Nebenjobs), massiv an Bedeutung gewonnen. Weitere atypische Beschäftigungsformen wie Leiharbeit und Solo-Selbstständigkeit haben ebenfalls stark zugenommen, sind jedoch insgesamt weniger relevant. Der Befristungsanteil stagniert weitgehend.