Der Klagsverband: mit Recht gegen Diskriminierung

11. Juli 2018

Den Klagsverband einzigartig zu nennen, mutet schnell etwas wichtigtuerisch an. Aber er ist tatsächlich die einzige Organisation in Europa, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Antidiskriminierung und Gleichstellung in allen Facetten rechtlich durchzusetzen. Während andere NGOs und Einrichtungen der Zivilgesellschaft meistens auf einen Diskriminierungsaspekt z. B. Rassismus spezialisiert sind, führt der Klagsverband Verfahren nach allen Gründen, die im österreichischen Antidiskriminierungsrecht angeführt sind. Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, dass die Förderungen seitens der Frauenministerin nun gekürzt werden sollen. Eine Reihe von erfolgreich bestritten Fällen zeigt aber, wie wichtig der Klagsverband für die Betroffenen ist.

Vor allem bei Diskriminierungen, die außerhalb der Arbeitswelt passieren, kann der Klagsverband mit rechtlicher Expertise punkten. In diesem Bereich gibt es kaum rechtliche Unterstützung, die für die Betroffenen finanziell leistbar ist. Der Klagsverband jedoch verfügt über ein überschaubares Budget, mit dem pro Jahr drei bis fünf Zivilrechtsverfahren geführt werden können.

Mit dem Klagsverband ein Gesetz zum Leben erwecken

Gegründet wurde der Verein 2004. Es war das Jahr, in dem die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie in Österreich umgesetzt wurde und in ein Gleichbehandlungsgesetz und zahlreiche Landes-Antidiskriminierungsgesetze mündete. Die Ausrichtung war von Anfang an klar: Um dieses völlige neue Rechtsgebiet musste sich jemand kümmern. Sonst würde das Gleichbehandlungsgesetz tote Materie bleiben.

Bis zum Jahr 2004 hatte das Diskriminierungsverbot ausschließlich für die Arbeitswelt gegolten und auch da nur für Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts. Drei couragierte Vereine, ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismusarbeit, die Homosexuelle Initiative Wien (HOSI Wien) und BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben, gründeten den Klagsverband und schnell kamen die ersten Anfragen an den neuen Verein.

Erste richtungsweisende Entscheidungen

Bereits 2005 wurde erstmals in Österreich eine Klage wegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung eingebracht. Mit durchschlagendem Erfolg: In einem richtungsweisenden Urteil hat das Gericht die Belästigung durch die Arbeitskollegen des Klägers anerkannt. Der Schadenersatz war relativ gering: Jeder der beiden Arbeitskollegen musste 400 Euro zahlen. Das Signal war jedoch eindeutig: Homophobe Belästigung am Arbeitsplatz ist verboten.

Es folgten weitere Präzedenzfälle – auch im Bereich des Behindertengleichstellungsrechts, das seit 2006 in Kraft ist. Seit 1. Jänner 2018 ist der Klagsverband auch befugt, Verbandsklagen nach dem Behindertengleichstellungsrecht zu führen.

Erstmals richterliche Entscheidung zum Naheverhältnis

Aber zurück zu den Fällen: Zahlreiche Verfahren wegen rassistischer Einlassverweigerung stellten klar, dass es verboten ist, eine Person wegen ihrer Herkunft oder ihrer vermuteten Herkunft aus einem Lokal auszuschließen. Eine Einlassverweigerung war es auch, die 2016 erstmals in Österreich eine richterliche Entscheidung zum Naheverhältnis brachte. Drei Personen wurden nicht in einen Club eingelassen, in dem schon eine Gruppe von Freund_innen wartete. Die Party war somit für alle acht Personen zu Ende und nach einer Klage wurde vom Gericht anerkannt, dass nicht nur die drei nicht eingelassenen, sondern auch die Freundesgruppe von der Einlassverweigerung betroffen waren.

Barrieren abbauen

Auch im Bereich des Behindertengleichstellungsrechts war der Klagsverband erfolgreich: Der Kampf gegen bauliche Barrieren war lange Zeit ein Schwerpunkt, aber Barrieren müssen nicht immer aus Holz oder Beton sein. 2010 klagte ein gehörloser Niederösterreicher den ORF, weil eine DVD nicht untertitelt war. Auch hier stellte das Gericht klar, dass dies eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung war und verlangte vom ORF 1.000 Euro Schadenersatz.

Diskriminierung aufgrund des Kopftuches in der Arbeitswelt: Das ist für viele muslimische Frauen, die das Kopftuch aus religiösen Gründen tragen ein großes Problem. Diese Fälle zeigen auch sehr deutlich die Intersektionalität der Diskriminierung, die besonders bei Frauen häufig vorkommt. Kopftuchträgerinnen, die bei der Bewerbung nicht berücksichtigt oder gebeten werden, das Tuch abzulegen, betreffen gleich zwei Diskriminierungsmerkmale: Geschlecht und Religion.

Gleichstellung von Drittstaatsangehörigen

Besonders erfolgreich war der Klagsverband auch bei der Bekämpfung von Diskriminierungen aufgrund von Landesgesetzen. 2012 wandte sich ein türkischer Arbeitnehmer aus Niederösterreich an den Klagsverband. Obwohl er seit 40 Jahren in Österreich arbeitete und Steuern zahlte, wurde ihm die niederösterreichische Pendlerhilfe verweigert. Der Klagsverband unterstützte den Arbeitnehmer bei einer Klage gegen das Land Niederösterreich und bekam Recht: Der Ausschluss von Drittstaatsangehörigen von Landesleistungen ist nicht gerechtfertigt. Aber damit nicht genug: Schon im nächsten Jahr wurden die Voraussetzungen für die Pendlerhilfe in Niederösterreich reformiert. Nun zählt nicht mehr die Staatsbürgerschaft als Voraussetzung für den Bezug, sondern der Wohnort.

Ähnlich war ein Fall in Tirol gelagert: Ein alleinerziehender Vater mit kroatischer Staatsbürgerschaft – damals war Kroatien noch nicht in der EU – erhielt vom Land keine Schulstarthilfe für seine Kinder. Auch hier wurde erstmals das Land Tirol nach dem Landes-Antidiskriminierungsgesetz geklagt und der Kläger bekam recht. Auch dieses Urteil hatte nachhaltige Auswirkungen. Das Land Tirol änderte ebenfalls die Bedingungen für den Erhalt der Schulstarthilfe zugunsten von Drittstaatsangehörigen.

Die Liste der erfolgreichen Verfahren ließe sich noch lange fortsetzen. Der Klagsverband kommt seinem Ziel, das Antidiskriminierungsrecht umfassend auszulegen, mit jeder Klage einen Schritt näher. Der Erfolg zeigt sich aber auch bei den Mandant_innen: Das Gefühl, Rechte zu haben und sich wehren zu können, führt bei allen Betroffenen zu einem Empowerment, einer Ermächtigung, selbst wenn das Verfahren nicht gewonnen wird oder in einem Vergleich endet.

UN-Individualbeschwerde

2012 hat der Klagsverband einen blinden Linzer unterstützt, der die Linz Linien geklagt hat. Grund war fehlende Barrierefreiheit bei neuen Straßenbahnstationen. Der fleißige Öffi-Nutzer konnte die Fahrgastinformationen nicht mehr akustisch abrufen. Zwei Instanzen werteten dies nicht als Diskriminierung. Damit blieb als einzige Möglichkeit noch eine Beschwerde beim UN-Behindertenrechtskomitee. Es war dies die erste Beschwerde aus Österreich nach der UN-Behindertenrechtskonvention. Das Komitee in Genf prüfte die Beschwerde und war in seinen Empfehlungen an die Republik Österreich ganz deutlich: In den öffentlichen Verkehrsmitteln müsse umfassende Barrierefreiheit herrschen, lautete die leider unverbindliche Forderung. Für diese Beschwerde brauchte es einen langen Atem, aber nun, im Jahr 2018 steht die Novelle der österreichischen Straßenbahnverordnung vor der Tür, die jene Empfehlungen aus Genf berücksichtigt.

Service für 50 Mitgliedsvereine

Der Klagsverband qualifiziert sich aber nicht nur durch seine Musterverfahren. Inzwischen nehmen 50 Mitgliedsvereine seine Serviceleistungen in Anspruch. Die Vereine decken alle Diskriminierungsgründe ab, die im österreichischen Gleichstellungsrecht genannt sind, sie bekämpfen Rassismus, engagieren sich für die Rechte von Frauen, Migrant_innen und Menschen mit Behinderungen, sie unterstützen Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von Benachteiligung betroffen sind und repräsentieren religiöse Gruppen.

Mit kompetenter Rechtsberatung hilft der Klagsverband seinen Mitgliedern, Diskriminierungsfälle zu erkennen und dagegen vorzugehen. Ein umfangreiches Fortbildungsangebot bietet dafür die Grundlage. Aber auch bei der Gesetzwerdung sieht der Klagsverband seine Verantwortung, wenn es um die Weiterentwicklung des Antidiskriminierungsrechts geht. Da kann es schon einmal passieren, dass vom Klagsverband eine Stellungnahme zum Wiener Fischereigesetz kommt. Denn auch der Angelsport ist nur dann gesetzeskonform, wenn er barrierefrei gestaltet ist.

Antidiskriminierungsarbeit braucht Ressourcen

Seit 14 Jahren kämpft der Klagsverband erfolgreich an vorderster Front, wenn es um gleiche Rechte für alle geht. Und das mit einem Mini-Budget und drei Angestellten in Teilzeit. Der Klagsverband übernimmt Fälle, die sonst niemand vertreten könnte und vertreten würde und schafft damit richtungsweisende Judikatur. Diese Arbeit kann nur mit entsprechenden Ressourcen gelingen. Deshalb: #klagsverband_unterstützen #klagsverband_retten.