Daseinsvorsorge als Teil der Krisenbewältigung

22. Juni 2021

Die kommunale Daseinsvorsorge leistet wichtige Beiträge zur Lebensqualität und zur Entwicklung der Städte und Gemeinden als attraktive Arbeits-, Bildungs-, Freizeit- und Wohnstandorte. Die Anforderungen und damit verbundenen Ausgaben in diesen Bereichen sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Gleichzeitig haben die Finanzierungsoptionen nur eingeschränkt mitgehalten, was durch die Pandemie noch verstärkt wurde.

Kommunale Daseinsvorsorge – was ist das?

Im weiteren Sinn reicht die kommunale Daseinsvorsorge von der Bildung (Kinderbetreuung und Grundschulen) über Kultur (Büchereien, Kulturveranstaltungen, Musikschulen) bis zur Straßen- und Verkehrsinfrastruktur – d. h. Gemeindestraßen, ÖPNV, aber auch Breitbandausstattung. Ebenso sind die Freizeit- und Sportinfrastruktur mit Freibädern, Sportplätzen und -hallen hinzuzuzählen. Einen wichtigen Kern der Daseinsvorsorge bildet die Ver- und Entsorgung (Wasser, Abwasser, Abfall). Angesichts der Entwicklungen im Immobilienmarkt ist auch Wohnen ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge.

Ebenso sind die Formen der Leistungserbringung vielseitig. So wird die Kinderbetreuung häufig von den Gemeinden selbst, aber auch von privaten Trägern betrieben. Der ÖPNV wird von städtischen Unternehmen, regionalen Verbünden und beauftragten privaten Unternehmen erbracht. Die Wasserver- und Abwasserentsorgung erbringen die Gemeinden selbst, häufig auch Verbände oder kommunale Unternehmen.

Wie wird die kommunale Daseinsvorsorge finanziert?

Die Finanzierung der Daseinsvorsorge ist unterschiedlich ausgestaltet:

  • Bereiche wie die Ver- und Entsorgung (Wasser, Abwasser, Abfall) werden ausschließlich durch die NutzerInnen (Gebühren) sowie von Zuschüssen anderer öffentlicher Träger finanziert.
  • Die anderen Bereiche der Daseinsvorsorge – insbesondere Bildung, Kultur, Straßen- und Verkehrsinfrastruktur sowie Freizeit- und Sporteinrichtungen – sind großteils durch allgemeine Steuermittel finanziert.

Zur Deckung der Ausgaben müssen Gemeinden daher auch auf allgemeine Steuermittel zurückgreifen. Dies sind vor allem die Ertragsanteile (Anteil an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben) und gemeindeeigene Steuern (v. a. Kommunalsteuer, Grundsteuer). Die Ausgaben jener Bereiche, welche nicht primär gebührenfinanziert sind, lagen 2018 bei 4,8 Mrd. Euro. Davon entfielen 3 Mrd. Euro auf den laufenden Betrieb, und rund 1,8 Mrd. Euro betreffen Investitionen. Besonders hohe Ausgaben finden sich in den Bereichen Infrastruktur/ÖPNV sowie Bildung (Kindergärten, Pflichtschulen, Horte etc.).

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Die Ausgabendeckungsgrade nach Aufgabenbereichen sind dabei durchaus unterschiedlich. Diese zeigen an, zu welchem Anteil den Ausgaben direkte Einnahmen (v. a. NutzerInnenbeiträge, Transfers von Bund/Ländern) gegenüberstehen. So müssen im Bereich Infrastruktur/ÖPNV 65 Prozent der Ausgaben durch allgemeine Steuermittel gedeckt werden, im Bereich Sport/Freizeit sind es sogar 76 Prozent.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Auswirkungen der Pandemie

Die Corona-Krise hat auch massive Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen, denn die allgemeinen Steuermittel brachen deutlich ein. 2020 gingen die Ertragsanteile um rund 9 Prozent zurück, die finanziellen Spielräume der Gemeinden für Investitionen haben sich fast halbiert. Die Anzahl an Abgangsgemeinden stieg deutlich an. Dies sind jene Gemeinden, welche ihre laufenden Ausgaben nicht mehr selbstständig durch laufende Einnahmen decken können.

Um den entstehenden Problemen der Finanzierung von Daseinsvorsorge und Investitionen zu begegnen, wurden daher zwei Hilfspakete vom Bund bereitgestellt. Das kommunale Investitionsprogramm soll den befürchteten Investitionseinbruch dämpfen. Das 2. Gemeindepaket soll ab 2021 die Liquidität der Gemeinden sichern und damit auch einen Finanzierungsbeitrag zur Daseinsvorsorge leisten. Allerdings muss ein Großteil des 2. Gemeindepaketes von den Gemeinden in den Folgejahren wieder zurückgezahlt werden.

In einer aktuellen KDZ-Prognose wird davon ausgegangen, dass die laufenden Einnahmen bis 2024 weniger stark steigen als die laufenden Ausgaben. Damit stehen bis 2024 jährlich um 25 bis 40 Prozent weniger Eigenmittel für Investitionen zur Verfügung. Die Investitionslücke könnte sich auf 1,0 bis 1,2 Mrd. Euro p. a. belaufen. Bis 2024 steigt daher erneut das Risiko einer hohen Anzahl an Abgangsgemeinden sowie eines Investitionsrückstaus. Dies hätte auch negative Konsequenzen für die Daseinsvorsorge.

Daseinsvorsorge sichern  

Pandemiebedingt fehlen daher in den nächsten Jahren – trotz bestehender Hilfspakete für Gemeinden – wesentliche Mittel zur Finanzierung der Daseinsvorsorge. Ohne Gegenmaßnahmen sind nicht nur die Investitionen, sondern auch Teile der Daseinsvorsorge stark betroffen.

Es wäre also höchste Zeit, längst fällige Reformen umzusetzen, welche die finanzielle Stabilität der Gemeinden langfristig absichern. Dies betrifft etwa die höchst notwendige Grundsteuerreform, eine Verringerung der Transferabhängigkeit der Gemeinden von den Ländern oder einen aufgabenorientierten Finanzausgleich, um die Mittel effizienter auf die Gemeinden zu verteilen. Bis Reformen greifen, sollten die Bundeshilfen weitergeführt werden, um die Daseinsvorsorge auch in den nächsten Jahren abzusichern.

Ergänzend dazu werden die Gemeinden über Optionen zur Haushaltskonsolidierung nachdenken müssen, wobei diese insbesondere auch in Strukturreformen liegen werden. Können wir regional flächendeckender in der Daseinsvorsorge zusammenarbeiten (Reformansatz Kooperationen) und welche Alternativen sind verfolgenswert? BürgerInnengruppen können in Genossenschaften eingebunden wie auch die Bereitschaft zur projektbezogenen Mitfinanzierung genutzt werden (Crowdfunding). Die künftige Absicherung der kommunalen Daseinsvorsorge bedarf kreativer und v. a. gemeinschaftlicher und regionaler Wege – auch zur Sicherung bzw. dem Ausbau der Gemeindeautonomie.

Beitrag zur Krisenbewältigung

Die kommunale Daseinsvorsorge garantiert nicht nur eine Mindestversorgung der Bevölkerung. Investitionen in die Daseinsvorsorge – etwa in verbesserte Kinderbetreuungsangebote, in den öffentlichen Verkehr, in Sport- und Kultureinrichtungen – verbessern auch wesentlich unsere Lebensqualität und haben weitreichende wirtschaftliche Effekte.

Eine Sicherung und Weiterentwicklung der Daseinsvorsorge hat jedenfalls positive Beschäftigungswirkungen. Die Investitionsbedarfe in klimafreundliche Infrastruktur, um dem Klimawandel zu begegnen, sind gerade in den Gemeinden sehr hoch. Die Daseinsvorsorge kann daher ein wesentlicher Hebel zur Bewältigung der aktuellen Krisen sein.

Veranstaltungstipp der Redaktion:

„Our future is public! Unsere Zukunft muss öffentlich sein!“

  • Veranstaltung 1: Gesundheit für alle: Öffentliche Gesundheitssysteme jetzt ausbauen! 21.06.2021, 18.00 Uhr
  • Veranstaltung 2: Arbeit schaffen & Klimakrise bewältigen? Öffentliche Daseinsvorsorge ausbauen! 22.06.2021, 18.00 Uhr

Anmeldung direkt unter https://eveeno.com/ourfutureispublic  

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung