Kürzungen oder Investitionen – Szenarien für die Budgetpolitik

21. Februar 2023

Im Kontext von Energiekrise und Klimawandel ist eine erhebliche Ausweitung der öffentlichen Investitionen nötig. Doch der Budgetkonsolidierungsdruck wird wegen der Auswirkungen der Krisen der letzten Jahre steigen. Vor diesem Hintergrund diskutiert dieser Beitrag drei Szenarien für die Budgetpolitik, die jeweils unterschiedliche Implikationen für die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen und für die Erreichung von Zielen in den Bereichen Klima, Energie und Soziales haben.

Mehr öffentliche Klima- und Energieinvestitionen erforderlich

Es bestehen erhebliche staatliche Investitionsbedarfe. Die Europäische Investitionsbank liefert vergleichende Daten zu Investitionsanforderungen bei Klima und Energie basierend auf den nationalen Klima- und Energieplänen der EU-Mitgliedstaaten. Demnach sind in Österreich die Erfordernisse für Investitionen zur Erreichung der Klima- und Energieziele gemäß dem Klima- und Investitionsplan der Bundesregierung von 2019 mit vier Prozent der Wirtschaftsleistung jährlich bis zum Jahr 2030 im EU-Vergleich hoch.

Der Anteil der dafür erforderlichen öffentlichen Investitionen liegt für Österreich bei rund 60 Prozent der Gesamtinvestitionen, das entspricht 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung des Jahres 2019 (rund 9,5 Milliarden Euro). Dabei handelt es sich um eine Untergrenze, da die Klimaziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 mittlerweile verschärft wurden.

Es ist erforderlich, einen Großteil der Klimainvestitionen durch öffentliche Schulden zu finanzieren. Die Dringlichkeit von Energie- und Klimakrise erzeugt unmittelbaren Handlungsdruck, der einen auf sich allein gestellten Privatsektor überfordern würde. Zukünftige Generationen profitieren von zusätzlichen öffentlichen Investitionen und dem damit einhergehenden Vermögensaufbau.

Budgetkonsolidierungsdruck als potenzielle Investitionsbremse

Trotz hoher Bedarfe besteht die Gefahr des Zurückschraubens öffentlicher Ausgaben für Klimaschutz. Denn die Krisen der letzten Jahre führten dazu, dass das Budgetdefizit und die Staatsschuldenquote heute deutlich höher liegen als im Jahr 2019. Für die kommenden Jahre steigt der Druck, Budgetkonsolidierungsmaßnahmen in Form von Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen durchzusetzen, um die bald wieder eingesetzten Budgetregeln einzuhalten.

Unter Budgetkonsolidierungsdruck sind Ausgaben für öffentliche Investitionsvorhaben einfacher zu kürzen als andere staatliche Ausgaben. Dass angesichts des Alterungsprozesses der Gesellschaft auch Mehrausgaben in den Bereichen Pflege, Pensionen und Bildung in Aussicht stehen, erschwert die erforderliche Erhöhung von Investitionen in Klima und Energie zusätzlich.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Zukunftsvorschlag: EU-Investitionsfonds für Klima und Energie

Im Prinzip könnte die derzeit zur Diskussion stehende Reform der EU-Budgetregeln die Spielräume für Investitionen auf nationaler Ebene vergrößern, ohne dass die erforderlichen Ausgaben in den Bereichen Pflege, Bildung und Pensionen gefährdet sein müssen. Doch die Vorschläge der Europäischen Kommission bleiben weit hinter bestehenden Konzepten für breite Ausnahmen von klimafreundlichen öffentlichen Investitionen bei Defizit- und Schuldenberechnungen zurück. Die Umsetzung ihrer Vorschläge zur Reformierung der EU-Fiskalregeln würde keinen ausreichenden Spielraum für die benötigten Klima- und Energieinvestitionen geben.

Vor diesem Hintergrund ist zusätzlich die Einrichtung eines neuen permanenten EU-Investitionsfonds für Klima und Energie erforderlich. Hier liefern wir einen konkreten Vorschlag, wie ein solcher EU-Investitionsfonds konzipiert sein könnte. Die Europäische Kommission nimmt nach dem Vorbild des Covid-19-Wiederaufbaufonds („NextGenerationEU“) Mittel auf den Finanzmärkten auf und gibt diese an die Mitgliedstaaten weiter. Die Ausschüttung der Mittel ist dabei an die Bedingung geknüpft, dass der Einsatz der Gelder der Erreichung von Klima- und Energiezielen dient. Damit würden die nationalen Haushalte entlastet, sodass es für die Regierungen realistischer wäre, die EU-Budgetregeln einzuhalten.

Für die Budgetpolitik lassen sich drei stilisierte Szenarien für die Perspektiven der Budgetpolitik unterscheiden:

1) Sparszenario mit Budgetkürzungen

Hier wird ein einseitiger budgetpolitischer Fokus auf den Abbau von Budgetdefiziten und Staatsschulden durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen gelegt, um die Budgetregeln einhalten zu können. Das Budgetregelwerk wird keiner substanziellen Reform unterzogen, sodass auch die Investitionsspielräume für Klima und Energie beschränkt bleiben. Im Sparszenario bleiben die öffentlichen Investitionen für Klima und Energie unter den erforderlichen (mindestens) 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung pro Jahr bis zum Jahr 2030 zurück. Öffentliche Investitionen werden unter Spardruck einfach auf die lange Bank geschoben oder gar nicht erst in Angriff genommen.

Die Einrichtung eines EU-Investitionsfonds für Klima und Energie bleibt aus, sodass Österreich und andere EU-Mitgliedstaaten nicht im erforderlichen Ausmaß in die Umstellung der Energie- und Transportsysteme investieren. Die Erreichung der Klima- und Energieziele rückt damit in weite Ferne. Es drohen auch verstärkte staatliche Kompensationszahlungen wegen der Nichteinhaltung der Klimaziele, teure Ankäufe von CO2-Zertifikaten und größere zukünftige wirtschaftliche Schäden durch den Klimawandel wegen fehlender Anpassungsinvestitionen. Das belastet wiederum den Staatshaushalt langfristig.

Die Austeritätspolitik im Rahmen des Sparszenarios hat negative gesamtwirtschaftliche Effekte: Unternehmen investieren weniger, wenn der Staat seine Investitionen kürzt oder auf die lange Bank schiebt, wodurch auch die privaten Investitionen in Klima und Energie geringer ausfallen. Die privaten Haushalte halten sich wegen verschlechterter Aussichten und einer unzureichenden Umstellung der Energie- und Transportsysteme zudem mit ihren Ausgaben zurück. Durch die daraus resultierende geringere Beschäftigungsdynamik entstehen Arbeitsmarktprobleme, die sich auch negativ auf die langfristige Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen auswirken, weil weniger Menschen zur Finanzierung der Leistungen des Sozialstaates beitragen.

2) Investitionsszenario mit öffentlichen Klima- und Energieinvestitionen

Die EU-Budgetregeln erfahren eine substanzielle Reform. Gleichzeitig kommt es zur Einrichtung eines permanenten EU-Investitionsfonds für Klima und Energie, der zusätzliche öffentliche Investitionen von jährlich mindestens einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung ermöglicht. Durch die erweiterten budgetpolitischen Spielräume werden die Regierungen in die Lage versetzt, die Klima- und Energieziele auf sozial ausgewogene Weise erreichen zu können und dennoch die Budgetregeln einzuhalten. Im Investitionsszenario tätigt die öffentliche Hand zusätzliche Investitionen in Klima und Energie von jährlich etwa 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dadurch können auch weitere private Investitionen angezogen werden.

Mehr öffentliche Investitionen und eine Weiterentwicklung des Sozialstaates vor dem Hintergrund der Herausforderungen des Alterungsprozesses der Gesellschaft tragen zu einer stabilen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bei. Dadurch ist ein hoher Beschäftigungsstand bei hoher Produktivität und guten Löhnen erreichbar. Das stärkt wiederum den Sozialstaat, weil viele Menschen mit stabilen Erwerbsverläufen zu seiner Finanzierung beitragen.

3) Mittelwegszenario

Das Sparszenario und das Investitionsszenario eröffnen gegensätzliche Perspektiven für die Budgetpolitik: Fixierung auf Budgetkürzungen versus investive Orientierung. Es handelt sich dabei jedoch um stilisierte Darstellungen. Tatsächlich könnten unterschiedliche Kombinationen bzw. Varianten dieser beiden Szenarien Realität werden. Ein mögliches Mittelwegszenario lässt sich etwa so beschreiben, dass es zu einer teilweisen Reform der EU-Budgetregeln kommt. Ein EU-Investitionsfonds für Klima und Energie wird jedoch nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Die investiven Spielräume der öffentlichen Hand verbessern sich damit im Vergleich zum Status quo nur geringfügig. Die Regierungen können folglich bestenfalls kleine Fortschritte bei der Umstellung der europäischen Energie- und Transportsysteme erzielen.

Während positivere Entwicklungen wie im Investitionsszenario unerreichbar sind, bleiben in einem solchen Mittelwegszenario jedoch auch ausgeprägte negative wirtschaftliche Kreislaufeffekte wie im Sparszenario aus. Diskussionen über die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen prägen dennoch weiterhin den Diskurs und verstetigen politische Konflikte.

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