Das automatische Pensionssplitting: keine echte Lösung gegen Altersarmut von Frauen

03. April 2023

Seit vielen Jahren wird über eine Überarbeitung des freiwilligen Pensionssplittings gesprochen, das bisher nur wenig genutzt wird. Immer wieder steht ein Automatismus bei der partnerschaftlichen Aufteilung der Pensionsansprüche zur Diskussion. So hat die Bundesregierung das verpflichtende Splitting 2022 als Maßnahme im Rahmen des Aufbau- und Resilienzfonds der EU angekündigt, weshalb durchaus mit einer Umsetzung gerechnet werden muss. Ziel des Pensionssplittings ist die dringend notwendige Bekämpfung der Altersarmut von Frauen. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme ist jedoch kritisch zu sehen.

Das Problem der niedrigen Frauenpensionen

Wenn man nur die Alterspensionen der unselbstständig Beschäftigten betrachtet (ohne Ausgleichszulage, Kinderzuschuss) ergibt sich bei den Pensionshöhen 2021 ein Gender Pension Gap von über 37 Prozent. Die Altersarmutsgefährdung von Frauen über 65 Jahren liegt mit 17 Prozent deutlich über dem Bevölkerungsschnitt. Dass hier Handlungsbedarf besteht, steht somit außer Streit.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Die aktuelle Regelung zum Pensionssplitting

Nach § 14 APG haben Eltern die Möglichkeit, eine Übertragung von Pensionskontogutschriften bei Kindererziehung zu vereinbaren. Bis zu 50 Prozent der Teilgutschriften des erwerbstätigen Elternteils können auf das Pensionskonto des überwiegend erziehenden Elternteils übertragen werden. Dies ist für Teilgutschriften ab der Geburt bis zum siebten Geburtstag des Kindes möglich. Bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres des Kindes muss ein Antrag beim Pensionsversicherungsträger gestellt werden.

Aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom Juli 2022 geht hervor, dass die Möglichkeit im Jahr 2021 von insgesamt 1.043 Paaren in Anspruch genommen wurde. Damit ist sie nach wie vor ein Minderheitenprogramm. Die Regierung hat daher angekündigt, zur Bekämpfung der Altersarmut von Frauen ein automatisches Splitting einführen zu wollen.

Die Umrisse des automatischen Pensionssplittings

Die Regierung hat sich in ihrem Programm 2020–2024 Maßnahmen zur Bekämpfung von Altersarmut, vor allem zur Verringerung der Frauenaltersarmut, durch unterschiedliche Modelle partnerschaftlicher Aufteilung von Familienarbeit und Pensionsansprüchen vorgenommen. Seit zwei Jahren verhandelt die Koalition über einen Entwurf zum automatischen Pensionssplitting.

Wie genau das Modell aussehen soll, ist noch nicht bekannt. Klar ist aber, dass ein Automatismus kommen soll, der wohl mit einer Opt-out-Möglichkeit entschärft werden soll. Dieses Opt-out wird aber voraussichtlich nur zeitlich begrenzt möglich sein. Es gibt unzählige Problemstellungen, die sich aus diesen Plänen ergeben und für die es bisher keine zufriedenstellenden Lösungsansätze gibt. Dazu zählt insbesondere der Umgang mit Pensionskontogutschriften, die nicht aus Erwerbstätigkeit stammen (z. B. Arbeitslosigkeit, Notstandshilfe) oder mit ausländischen Gutschriften, aber auch die Frage, wie bei Patchwork-Familien vorgegangen wird. Zusätzlich sind bisherige Evaluierungen zu dem Ergebnis gekommen, dass das Pensionssplitting kein wirksames Instrument zur Bekämpfung der Altersarmut von Frauen darstellt.

Zu bedenken ist auch, dass die Einführung eines verpflichtenden Pensionssplittings zum jetzigen Zeitpunkt erst Einfluss auf die Höhe der Frauenpensionen in rund 30 Jahren hätte und damit jedenfalls keine unmittelbar relevante Maßnahme wäre.

Kritikpunkte am automatischen Pensionssplitting

Überwälzung des Problems in den innerfamiliären Bereich

Anstatt einen gesellschaftlichen Ausgleich für die notwendige, unbezahlte Betreuungsarbeit von (zumeist) Frauen zu schaffen, wird das Problem auf die Eltern selbst abgewälzt. Das birgt insbesondere bei Jungfamilien massives Konfliktpotenzial. Zusätzlich ist es damit vorrangig ein Modell für Besserverdienende, bei denen sich eine solche Aufteilung auch finanziell mehr lohnt. Bei einem ohnehin geringen Familieneinkommen verhindert das Pensionssplitting die Altersarmut nicht, da es hier nur wenig zu verteilen gibt. Zu bedenken ist dabei auch, dass es nach wie vor kollektivvertragliche Löhne gibt, die unter der Beitragsgrundlage für Kindererziehungszeiten liegen.

Auch die Autor:innen der TRAPEZ-Studie des Bundeskanzleramts (BKA) kommen zu folgendem Ergebnis: „Beim Pensionssplitting findet hingegen nur eine Umverteilung innerhalb von Paaren statt, wenngleich es zu einer Sensibilisierung der Männer für die langfristigen Folgen der Betreuungsarbeit beitragen kann.“

Die Absicherung im Alter ist eine staatliche Aufgabe und sollte daher mittels derartiger Maßnahmen nicht in den privaten Bereich verschoben werden. Vielmehr sollte der Staat Lösungen finden. Vorschläge der Arbeiterkammer, wie eine Verbesserung bei den Kindererziehungszeiten auf dem Pensionskonto, liegen seit Jahren vor. Dieses Modell wirkt insbesondere auch für jene Frauen, die bereits jetzt eine niedrige Pension beziehen, aber in der Vergangenheit Kindererziehungszeiten hatten.

Keine bessere Vereinbarkeit von Familie und Arbeit

Für die Frauen- und Familienpolitik bedeutet das automatische Pensionssplitting eher einen Rückschritt. Es werden sogar Anreize für Frauen geschaffen, weniger Erwerbsarbeit zu leisten bzw. später in das Berufsleben zurückzukehren. Ohne den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen können viele Eltern maximal Teilzeit arbeiten. Aufgrund der durchschnittlich schlechteren Bezahlung von Frauen betrifft das in der Regel die Mütter.

Ein automatisches Pensionssplitting leistet damit keinen Beitrag, um Müttern eine höhere Erwerbsbeteiligung oder eine schnellere Rückkehr ins Berufsleben zu ermöglichen, sondern stützt das aktuelle System, das Mütter dazu drängt, unbezahlte Betreuungsarbeit zu übernehmen.

Kein Anreiz für eine partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit

Nach wie vor übernehmen Frauen den überwiegenden Anteil der Care-Arbeit, was insbesondere die Kinderbetreuung umschließt. Der einzige Pluspunkt des automatischen Splittings ist es, dass diese Aufteilung unter Umständen diskutiert oder zumindest thematisiert wird, wie auch von den Autor:innen der TRAPEZ-Studie festgestellt. Gleichzeitig legitimiert das Splitting bis zu einem gewissen Grad die vorherrschende Aufteilung der Familienarbeit, da ja ein innerfamiliärer „Ausgleich“ über das Splitting der Pensionsgutschriften stattfindet.

Eine zeitgemäße Familienpolitik sollte aber Anreize für die partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit schaffen und beispielsweise Modelle entwerfen, die auch auf eine höhere Inanspruchnahme von Väterkarenz abzielen.

Unterschiedliche Familienmodelle nicht mitbedacht

Das automatische Pensionssplitting setzt ein „klassisches“, mittlerweile wohl eher antiquiertes Familienmodell voraus: Die Mutter bleibt bei den Kindern zu Hause bzw. arbeitet zumindest weniger und der Vater bringt das gute Einkommen nach Hause. In diesen Fällen würde das Splitting der Pensionsgutschriften dazu führen, dass die Frau eine höhere Eigenpension hat. Wenn diese aber dann in der Pension auch noch zusammen sind, ändert das Splitting natürlich wiederum nichts am Familieneinkommen. Tatsächlich gibt es aber eine Vielzahl weiterer Fallkonstellationen, für die das Splitting entweder gar nicht infrage kommt oder zumindest nicht sinnvoll ist. So können alleinerziehende Elternteile, also immerhin rund 250.000 Personen in Österreich, von diesem Modell gar nicht Gebrauch machen. Auch Familien, in denen die Eltern nach Geburt des Kindes getrennt leben und eine „zweite“ Familie aufgebaut haben, sind bisher nicht bedacht worden. Ebenso ist das Modell für Familien, in denen auch der Vater nur ein niedriges Einkommen hat, keine zufriedenstellende Lösung.

Fazit: keine Verbesserung für die Absicherung von Frauen im Alter

Bereits in der TRAPEZ-Studie des BKA haben Mairhuber/Mayrhuber festgestellt, dass das Pensionssplitting beispielsweise für Frauen ohne Partner und für Personen mit geringem Erwerbseinkommen kein valides Mittel zur Bekämpfung der Altersarmut von Frauen darstellt.

Das automatische Pensionssplitting löst das Problem der mangelnden Vereinbarkeit von Beruf und Familie in keiner Weise. Die Absicherung im Alter wird auf die familiäre Ebene verschoben und abgewälzt. Viele Fragen hinsichtlich der konkreten Umsetzung der Maßnahme sind noch offen.

Wirksame Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenpensionen

Um die Frauenpensionen nachhaltig zu erhöhen, muss am Arbeitsmarkt angesetzt werden. Der Gender Pay Gap hat direkte Auswirkungen auch auf die Pensionshöhe, und es müssen daher Maßnahmen zur Schließung der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen ergriffen werden.

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    Die Arbeiterkammer setzt sich seit vielen Jahren für die Umsetzung dieser und weiterer Maßnahmen ein. Es besteht die Gefahr, dass die Regierung das automatische Pensionssplitting als „Feigenblatt“ einführt und damit die wirklich wirksamen Maßnahmen an Priorität verlieren. Hier ist aus frauenpolitischer und sozialversicherungsrechtlicher Sicht Vorsicht geboten.

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