Jedes Jahr weist der Equal Pension Day darauf hin, dass die Eigenpensionen der Frauen deutlich geringer sind als jene der Männer. Im aktuellen Regierungsprogramm ist ein verpflichtendes Pensionssplitting verankert, um gegenzusteuern. Die Debatte gewinnt nun neuerlich an Brisanz: Im nationalen Reformprogramm 2022 der Bundesregierung, das an die Europäische Kommission geschickt wird, ist wieder ein verpflichtendes Pensionssplitting angekündigt. Einzig: Diese Maßnahme wirkt nicht, es gibt bessere Ansätze, den Gender Pension Gap zu reduzieren.
Modell greift vorrangig bei Haushalten mit höheren Einkommen
Die Eigenpensionen der Frauen sind im Schnitt um rund 40 Prozent niedriger als jene der Männer. Der Equal Pension Day 2021 hat eine Differenz von 41,6 Prozent ausgewiesen. Die Intention, die niedrigen Frauenpensionen zu erhöhen, ist daher absolut notwendig.
BefürworterInnen eines verpflichtenden Pensionssplittings argumentieren, dass dies eine wirksame Maßnahme gegen Altersarmut von Frauen sei. Das ist es aber aus vielerlei Gründen nicht. Armutsgefährdung wird nach dem Haushaltseinkommen berechnet, und das ist auch sinnvoll. Bleibt eine Elternbeziehung bis ins hohe Alter aufrecht, erhöht das verpflichtende Pensionssplitting zwar die Pensionshöhe des einen Partners und reduziert dementsprechend die des anderen, das Familieneinkommen bleibt aber gleich. Die Armutsgefährdung dieses Paares verändert sich somit durch das verpflichtende Pensionssplitting nicht. Aber auch im Falle einer Scheidung führt das verpflichtende Pensionssplitting nicht zwangsläufig zu einer Reduzierung der Altersarmut. Wenn beispielsweise die Frau nur einen niedrigen Pensionsanspruch erworben hat, kann das verpflichtende Pensionssplitting zwar zu einer gewissen Erhöhung ihres Pensionsanspruches führen. Ist dieser jedoch auch nach einem verpflichtenden Pensionssplitting unter der Ausgleichszulage und bleibt sie alleinstehend, wird ihr Pensionsanspruch auf diese Einkommenshöhe aufgestockt (derzeit monatlich: 1.030,49 Euro). Ihr tatsächliches Einkommen im Alter bleibt somit gleich. Der Pensionsanspruch des ehemaligen Partners reduziert sich jedoch aufgrund des verpflichtenden Pensionssplittings. In dieser Konstellation bekommt ein Partner weniger, der bzw. die andere aber nicht mehr Pension. Gewonnen hat nur der Staat.
Es ist ein Irrglaube, dass ein automatisches Pensionssplitting die Pensionen von allen Frauen erhöhen würde. Wie stark man vom verpflichtenden Pensionssplitting profitieren würde, hängt davon ab, wie gut der Partner oder die Partnerin verdient. Je höher das Einkommen des Partners bzw. der Partnerin ist, umso stärker profitiert man. Wie aber soll das verpflichtende Pensionssplitting bei Paaren, die sich trennen, ausgestaltet sein? Diese Frage ist noch ungeklärt.
Modell Fairness: bessere Anrechnung der Kindererziehungszeiten
Derzeit werden in der Pensionsversicherung ab der Geburt bis zur Vollendung des vierten Lebensjahres des Kindes die sogenannten Kindererziehungszeiten angerechnet. Die Bemessungsgrundlage für Kindererziehungszeiten beträgt im Jahr 2022 2.027,75 Euro pro Monat. Werden vier Jahre der Kindererziehung angerechnet, führt dies zu einer Erhöhung der monatlichen Pension um 123,75 Euro.
Das Modell von ÖGB und AK sieht vor, dass zusätzlich zur bisherigen Anrechnung von vier Jahren die Kindererziehungszeiten bis zum achten Lebensjahr stufenweise angerechnet werden sollen.
Konkret sieht das Modell folgende stufenweise Anrechnung vor:
- für das fünfte und sechste Lebensjahr: 66 Prozent der Bemessungsgrundlage der Kindererziehungszeiten
- für das siebente und achte Lebensjahr: 33 Prozent der Bemessungsgrundlage der Kindererziehungszeiten
Mit diesem Modell würde es im Vergleich zu der bisherigen Bewertung der Kindererziehungszeiten zu einer zusätzlichen Erhöhung der monatlichen Pension von 61,88 Euro kommen. Bei einem Kind würden sich Kindererziehungszeiten somit in einer monatlichen Pensionserhöhung von insgesamt 185,63 Euro niederschlagen.
Ein weiteres Fairnessargument, das für die bessere Anrechnung der Kindererziehungszeiten und gegen das verpflichtende Pensionssplitting spricht: Bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten gilt das Prinzip: „Jedes Kind ist gleich viel wert“, im Gegensatz zum verpflichtenden Pensionssplitting. Denn dabei hängt der individuelle Gewinn bzw. Verlust vom Einkommen des (ehemaligen?) Partners bzw. der (ehemaligen?) Partnerin ab.
ÖGB und AK haben ein Modell zur besseren Anrechnung der Kindererziehungszeiten ausgearbeitet. Dieses ist nicht nur fairer, sondern wirkt auch rascher als das verpflichtende Pensionssplitting: Selbst bei einer sofortigen Einführung des verpflichtenden Pensionssplittings erhöht dies – wenn überhaupt – erst in Jahrzehnten die Pension derer, die jetzt Kinder bekommen. Im Gegensatz dazu sieht das Modell der verbesserten Anrechnung der Kindererziehungszeiten einen Bonus für jene Elternteile vor, die bereits in der Vergangenheit Kindererziehungszeiten erworben haben. Die Pensionserhöhung wirkt deshalb wesentlich rascher.
Viele offene Fragen rund um das Pensionssplitting
Es stellt sich auch die Frage, welche Auswirkungen das automatische Pensionssplitting auf wechselnde Familienkonstellationen hat. Setzt ein Mann innerhalb relativ kurzer Zeit mit zwei verschiedenen Frauen Kinder in die Welt, ist nicht geklärt, wie in einem solchen Fall das Pensionssplitting durchgeführt wird. Bekommen dann beide Frauen Teile der Pensionsgutschrift des Vaters ihres Kindes oder nur eine? Die gleiche Frage stellt sich, wenn eine Frau von zwei verschiedenen Männern Kinder bekommt. Bekommt sie dann von beiden Vätern Pensionsgutschriften oder nur von einem? Es ist auch nicht garantiert, dass die Väter sichere Arbeitsplätze haben und gut verdienen. Was, wenn er krank oder arbeitslos wird? Haben die Frauen dann einfach Pech gehabt?
Es ist klar, dass ein automatisches Pensionssplitting geschlechtsneutral ausgestaltet sein muss. Das bedeutet, dass eine Frau, die besser verdient als der Vater ihres Kindes, durch das Pensionssplitting etwas „verlieren“ und er „gewinnen“ würde. Was aber, wenn – trotz eines höheren Einkommens – die Frau die überwiegende Care-Arbeit leistet? Soll sie dann einen Teil ihrer Pension abgeben, trotz Mehrfachbelastung?
Fazit
Das automatische Pensionssplitting wirft viele Fragen auf. Eine Antwort auf die Altersarmut von Frauen ist es aber nicht. Das ÖGB-AK-Modell der besseren Anrechnung von Kindererziehungszeiten kann hier deutlich mehr bewirken. Dennoch: Wir können Altersarmut nicht erst in der Pension bekämpfen. Viel wichtiger sind Maßnahmen zur Lohntransparenz, eine Neubewertung von Arbeit und ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag.
Dieser Beitrag ist in gekürzter Form am 3.5.2022 als Gastkommentar in der Zeitung „Die Presse“ erschienen.