Asset und Mitarbeiter*innen-Tracking am Arbeitsplatz: Mehrwert schlägt Bedenken?

22. November 2021

Immer mehr Unternehmen verfolgen in der digitalisierten Arbeitswelt automatisch die Position und die Zustände von Produktionsmitteln – und können mit dieser Technologie genauso auch die Position der Mitarbeiter*innen erfassen. Das kann die Arbeitssicherheit erhöhen, wirft aber auch Fragen zum Umgang mit personenbezogenen Daten der Mitarbeiter*innen auf. Ein durch den Projektfonds Arbeit 4.0 der AK Niederösterreich gefördertes Projekt der Fachhochschule St. Pölten gemeinsam mit der TU Wien hat untersucht, wie die Privatsphäre der Mitarbeiter*innen beim Einsatz von solchen Systemen geschützt werden kann.

Tracking- & Tracing-Systeme immer mehr im Einsatz

Im Zuge der digitalen Vernetzung in der Industrie 4.0 werden sogenannte Tracking- & Tracing-Systeme immer bedeutender. Sie erfassen mittels Funktechnologien wie WLAN, Bluetooth oder RFID die Position von Objekten wie z. B. Ladungsträger, Produktionsaufträge oder Werkzeuge. Damit erreicht man einen besseren Überblick über den aktuellen Produktionsverlauf, kann Suchzeiten reduzieren und kann bei Engpässen schneller reagieren. Das Aufzeichnen und Nutzen echtzeitnaher Positions- und Zustandsdaten – das sogenannte „Asset Tracking“ – ist in vielen Industriezweigen bereits Standard, und der Einsatz dieser Nachverfolgungssysteme wird in Zukunft sicher noch zunehmen.

Die eingesetzte Technik ermöglicht aber auch neue Wege zum Erfassen und Auswerten des zeitlichen Positionsverlaufes von Mitarbeiter*innen. Dies kann einerseits aktiv geschehen, um die Arbeitssicherheit an gefährlichen Arbeitsplätzen zu erhöhen oder um Mitarbeiter*innen im Falle eines Unfalls zu lokalisieren. Die Systeme könnten aber auch passiv Positionsdaten von mobilen Geräten der Mitarbeiter*innen wie Smartphones und Smartwatches ohne deren Zustimmung erfassen.

Daten zum Standort der Mitarbeiter*innen sind sensible Informationen. Aus Datenschutzsicht sollten die Informationen nur bei Zustimmung und einem direkten Mehrwert für die betroffenen Personen erhoben werden.

Forschungsprojekt SensiTrack

Das Forschungsprojekt „SensiTrack – Tracking vs. Privacy in der Arbeitswelt 4.0“ untersuchte vor allem zwei Fragen: Wie kann gewährleistet werden, dass die Nutzung von Lokalisierungsdiensten keine Datenschutzprobleme verursacht, und welche Rolle spielt die transparente Information über die aufgezeichneten Daten.

Als Projektergebnis wurden unter anderem Richtlinien entwickelt, die es ermöglichen sollen, die positiven Aspekte der Technologie zu unterstützen, aber das Potenzial zur Überwachung der Arbeitgeber bewusst einzuschränken. Betroffene Mitarbeiter*innen sollen so feststellen können, ob die Systeme hinsichtlich der Mitarbeiter*innen-Privatsphäre kritisch zu beurteilen sind. Weiters sollen diese Richtlinien Unternehmen bei der Einführung und dem Betreiben von Tracking- & Tracing-Systemen unterstützen, den wirtschaftlichen Nutzen zu erhalten, ohne Strafen durch die DSGVO zu riskieren.

Im Rahmen der Untersuchungen wurden einerseits Expert*innen-Interviews (n = 19) mit Unternehmen und öffentlichen Organisationen, die bereits Erfahrung mit Tracking- und Tracing-Systemen am Arbeitsplatz haben, durchgeführt. Weiters wurde ein Experiment (n = 135) in der Pilotfabrik der TU Wien durchgeführt, um die Auswirkungen von Tracking am Arbeitsplatz auf Mitarbeiter*innen zu untersuchen. Dazu wurden Testpersonen während ihrer Montagetätigkeiten mit verschiedenen Tracking-Equipments ausgestattet und Positions- und Performancedaten erfasst.

Die Ergebnisse aus Interviews und dem Experiment wurden anschließend zusammengeführt und Richtlinien erstellt, um diese Systeme einerseits datenschutzrechtlich unbedenklich und andererseits einen Mehrwert für Betreiber und Nutzer*innen dieser Systeme zu gestalten.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

So ist es zum Beispiel wichtig zu beachten, welches Ziel bei der Verwendung im Vordergrund steht. Sollen Objekte wie Rohwaren, Boxen oder Werkzeuge nachverfolgt werden, dann spricht man von Asset-Tracking. Hier ist es eher unwahrscheinlich, dass es zu Verletzungen der Privatsphäre kommt.

Jedoch ist es, gerade bei kommerziellen Lösungen, möglich, dass man durch mobile Geräte, die man bei sich trägt, wie z. B. Fitnessarmbänder, Smartwatches oder Ähnliches, passiv Bewegungsprofile an dieses System sendet und dadurch der Positionsverlauf erfasst wird. Um dies zu vermeiden, sollte man dort Bluetooth und WLAN am Gerät deaktivieren.

Bei Systemen, die zum Zweck von Mitarbeiter*innen-Tracking verwendet werden, ist vor allem wichtig zu hinterfragen, welcher Hintergrund für die Einführung dieser Maßnahme besteht. Handelt es sich um Anwendungen zur Erhöhung von Arbeitssicherheit, z. B. bei gefährlichen Arbeitsbedingungen oder zur schnelleren Evakuierung im Alarmfall, dann ist hier grundsätzlich ein Mehrwert für die Mitarbeiter*innen gegeben. Jedoch sollten die Maßnahmen stets ausgewogen sein und dem realen Risiko entsprechen. Mitarbeiter*innen-Tracking ist grundsätzlich abzulehnen, wenn dadurch kein direkter Mehrwert für die betroffenen Personen entsteht, außerdem ist hier zu erwarten, dass in diesem Fall die Akzeptanz seitens der Mitarbeiter*innen sehr gering ist.

Transparenz enorm wichtig

Ein wichtiger Faktor ist auch die Transparenz bei der Einführung und dem Betrieb dieser Systeme. Transparenz bedeutet in dem Fall, wie seitens der Unternehmen mit der Erfassung und Auswertung der Daten umgegangen wird. Werden die Daten ohne weitere Erklärungen erfasst, oder bekommen die Mitarbeiter*innen selbst auch Auswertungen zur Verfügung gestellt, die ihnen im Arbeitsalltag helfen können? Hier war ein Ergebnis der Studie, dass Transparenz nur dann die Akzeptanz steigert, wenn die Mitarbeiter*innen einen hohen Mehrwert bei der Verwendung wahrnehmen. Dies könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn sie dadurch Suchzeiten reduzieren können oder man besser darüber informiert wird, welche Arbeitsaufträge in nächster Zeit auf sie zukommen. Dies führt für Mitarbeiter*innen direkt zu einer Erleichterung beim Erledigen ihrer Tätigkeiten oder mehr Überblick, was Stress reduzieren kann. Ist dieser wahrgenommene Nutzen hoch, dann kann transparentes Vorgehen der Unternehmen dabei helfen, dass die Mitarbeiter*innen das Datenschutzrisiko geringer einschätzen. Wurde dieser Mehrwert nicht wahrgenommen, dann führte die hohe Transparenz über die Datenaufzeichnung sogar dazu, dass die Technologie weniger akzeptiert wurde. Darum sind Unternehmen gefordert, in erster Linie darauf zu achten, dass eine direkte Unterstützung im Arbeitsalltag entsteht und die Mitarbeiter*innen von Beginn an in die Planung miteinbezogen werden. Ansonsten ist zu erwarten, dass diese Systeme abgelehnt werden und es im schlechtesten Fall zur Umgehung des Trackings (z. B. durch bewusste Nichtnutzung) kommt.

Frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter*innen unerlässlich

Abschließend kann gesagt werden, dass es durchaus Vorteile bei der Verwendung von Tracking- & Tracing-Systemen für Mitarbeiter*innen geben kann, wie z. B. die Erhöhung der Arbeitssicherheit in gefährlichen Umgebungen oder ein besserer Überblick über aktuelle Abläufe im Unternehmen. Dies rechtfertigt jedoch in keiner Hinsicht die missbräuchliche Auswertung dieser Daten, wie z. B. durch die Auswertung von Bewegungsprofilen, oder Überwachung der Mitarbeiter*innen.

Wichtig beim Einsatz von Tracking- & Tracing-Systemen ist deshalb, dass man die betroffenen Mitarbeiter*innen von Beginn an bei der Konzeption miteinbezieht und gemeinsam erarbeitet, wie sie beim Erledigen ihrer Arbeiten damit unterstützt werden können. Dafür ist auch eine starke Arbeitnehmer*innen-Vertretung im Unternehmen wichtig, die auf die Umsetzung der erstellten Richtlinien in diesem Projekt hinweisen kann. Dies führt somit einerseits dazu, dass diese Systeme den erwünschten wirtschaftlichen Nutzen erzielen, aber auch dazu, dass Mitarbeiter*innen diese akzeptieren und optimal nutzen.

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