Trotz gesetzlicher Schulgeldfreiheit müssen Wiener Eltern pro Kind bis zu 1.300 Euro an Schulkosten tragen. Die Eltern fühlen sich aufgrund von diversen „versteckten“ Schulkosten finanziell stark belastet; ganz besonders betroffen sind sozial schlechter gestellte Familien.
Die Arbeiterkammer Wien hat sich erstmals dem Thema „Schulkosten“ in einer Langzeiterhebung über das gesamte Schuljahr 2015/16 gewidmet. Dabei zeichneten Eltern während eines ganzen Schuljahres alle die durch den Schulbesuch ihrer Kinder anfallenden Ausgaben für insgesamt 434 Schulkinder auf.
Schulausgaben pro Schulkind
Wiener Eltern geben im Schnitt und über alle Schultypen hinweg pro Jahr 952 Euro[1] für den Schulbesuch eines jeden Kindes aus. Am stärksten ins Gewicht fallen hier die Kosten für mehrtägige Schulveranstaltungen mit durchschnittlich 267 Euro pro Kind. An zweiter Stelle folgt bereits Nachhilfe mit 135 Euro. Beiträge und Selbstbehalte (122 Euro) sowie allgemeine Schreibwaren und Materialien (104 Euro) stellen die weiteren großen Kostenfaktoren dar. Besucht ein Schulkind eine Ganztagsschule, kommen für die Eltern zusätzliche Kosten von durchschnittlich 1.695€ hinzu.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Schultypen reichen von der Volksschule mit 642 Euro bis zur AHS-Oberstufe mit 1.316 Euro. Es ist deutlich erkennbar, dass die schulbedingten Ausgaben mit zunehmender Schulstufe steigen.
Vor allem bei den sonstigen Beiträgen und Selbstbehalten summieren sich die Ausgaben der Eltern im Laufe des Schuljahres. Darunter fallen zum Beispiel folgende Ausgaben: Elternverein, Klassenkassa, Freizeitpauschale, Werkbeitrag, Kopiergeld, Milchgeld, Selbstbehalt Schülerfreifahrt, Schulobst, Musikschulbeitrag usw.
Für Haushalte mit niedrigem Einkommen verschlingt der Schulbesuch ihrer Kinder im Laufe eines Schuljahres teilweise mehr als ein gesamtes Monats-Nettoeinkommen.
Soziale Selektion im Schulsystem durch hohe Schulkosten
Etwa 3,3% der Familien mussten im vergangenen Schuljahr einem oder mehreren ihrer Kinder die Teilnahme an einer mehrtägigen Schulveranstaltung (wie z.B. Schikurs, Sprachreise, Sommer-Sportwoche) aus finanziellen Gründen verwehren. In einer Schulklasse mit 30 Kindern ist das immerhin ein Kind. Bei Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen konnte fast jedes zehnte Kind (8,9%) nicht an bestimmten Schulveranstaltungen teilnehmen.
In 3,6% der Familien konnte eines oder mehrere ihrer Kinder eine schulische Wunschausbildung (maturaführende oder berufsbildende Schule) nicht ergreifen, weil diese für die Familie zu teuer gewesen wäre. Auch hier ist das in einer Klasse mit 30 Schulkindern ca. ein Kind. Bei Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen konnten 6,7% der Familien mindestens einem ihrer Kinder eine bestimmte Ausbildung nicht ermöglichen.
Die Kosten für den Schulbesuch der Kinder empfinden 34,6 % der Familien als finanziell eher bis stark belastend. 51 % der Familien gaben eine mittelmäßige finanzielle Belastung an. Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen empfinden die Schulkosten zu 54,2 % als eher bis stark belastend.
Vorschläge zur Reduktion der Schulkosten
Um die Belastung durch Schulkosten für die Eltern zu reduzieren, braucht es mehr Kostenbewusstsein an den Schulen und ein Bündel an Maßnahmen:
- Die Schulleitungen müssen gemeinsam mit den Lehrkräften und Elternvertretungen einen Schulkostenmonitoring-Prozess starten und Wege zur Reduktion der Ausgaben für Schulveranstaltungen, Unterrichts- und Schulmaterialien finden. Dazu müssen die Eltern und Elternvertretungen stärker bei der Auswahl und Gestaltung der Schulveranstaltungen eingebunden werden.
- Um die Kosten für zusätzliche Lernmaterialien (z.B. Übungs- und Lösungshefte) und digitale Erweiterungspakete zu Schulbüchern zu reduzieren, braucht es einen verstärkten Einsatz von kostenlosen lizenzfreien Unterrichtsmaterialien (Open-Educational-Resources – OER).
- Für die Finanzierung von Laptops und Tablets in den Schulklassen braucht es ein sozial verträgliches Finanzierungsmodell. Die Kosten für die Digitalisierung des Unterrichts dürfen nicht auf die Eltern abgewälzt werden.
- Zur Entlastung der Eltern bedarf es wirksamer SchülerInnenbeihilfen und einer regelmäßigen Indexanpassung. Die Höhe der staatlichen SchülerInnenbeihilfe hat seit der letzten Anpassung 2007 ca. 20% an Kaufkraft verloren.
- Schulgeldfreiheit muss auch eine kostenfreie ganztägige Schule miteinschließen, damit sie für alle Familien leistbar ist. Damit können auch die Ausgaben für Nachhilfe stark reduziert werden.
- Ein Chancenindex bietet den Schulen die notwendigen Ressourcen für die spezifischen Herausforderungen am Standort; damit werden zielgerichtet einkommensschwache Eltern entlastet.
- Überfällig sind zusätzliche Schritte zu einer gemeinsamen Schule bis zum Alter von 14 Jahren. Durch die Verlagerung der Bildungsweg-Entscheidungen reduziert sich auch der Kostendruck für Nachhilfe.
[1] = gewichteter Wert nach der tatsächlichen Verteilung über alle Schultypen in Wien