Die „Ampel-Koalition“ in Deutschland hat in ihrem Programm unter anderem „das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals)“ angekündigt, nachdem die deutsche Grunderwerbsteuer (GrESt) erst mit 1.7.2021 zu diesem Zweck novelliert worden war. Nur wenig später erregten aber bereits neue Fälle von legaler Steuerumgehung mediale Aufmerksamkeit. So soll etwa der Konzern Vonovia beim Kauf eines Mitbewerbers GrESt in Höhe von rund einer Milliarde Euro vermieden haben.
Derartige „Share Deals“ betreffen auch die österreichische GrESt, deren Regelungen auf ein deutsches Gesetz von 1940 zurückgehen. Obwohl die Entwicklung nach der Übernahme in den österreichischen Rechtsbestand anders als in Deutschland verlaufen ist, bestehen noch immer strukturelle Parallelen. Die Reformbemühungen in Deutschland werfen daher die Frage auf, ob auch hierzulande „Share Deals“ umfassender besteuert werden sollten. Das ist gerade für die Gemeinden bedeutend, denen auf Grund des Finanzausgleichs 93,7 % der GrESt als gemeinschaftliche Bundesabgabe zustehen. Gemessen am Aufkommen des Jahres 2021 ist das ein Ertragsanteil von etwa 1,5 Mrd Euro.
„Share Deals“ als historischer Tatbestand in der GrESt
Der Hauptanwendungsfall der GrESt ist seit jeher der zivilrechtliche Übergang von Immobilien von einem Rechtsträger auf einen anderen. Schon im Gesetz von 1940 finden sich aber zusätzliche Umgehungstatbestände, die auch verschiedene „mittelbare“ Übertragungen von Grundstücken der Steuer unterwarfen. Steuerpflichtig war etwa auch der Erwerb sämtlicher Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, in deren Vermögen sich Grundstücke befanden. Wenngleich die Grundstücke im Gesellschaftsvermögen „mitübertragen“ wurden, blieb das zivilrechtliche Eigentum an diesen nämlich unverändert bei der Gesellschaft selbst, sodass der Haupttatbestand der Steuer nicht greifen konnte. Der Handel mit Gesellschaftsanteilen statt Immobilien („Share Deals“) hätte die GrESt daher stets vermieden.
Dieses „Schlupfloch“ wurde von der historischen Gesetzgebung erkannt und geschlossen – aber nur für den deutlichsten Fall, dass alle Anteile (100 %) der grundstückshaltenden Gesellschaft an eine einzelne Person übergingen. Der Verwaltungsgerichtshof legte die dementsprechende Regelung im österreichischen § 1 Abs 3 GrEStG auch eng aus. Keine Steuer fiel demnach an, wenn auch nur ein Zwerganteil (z.B. 0,1 %) bei einer weiteren Person (z.B. einem Treuhänder oder der Gesellschaft selbst) verblieb. Anders als in Deutschland wird auch ein „Durchblick“ auf höhere Ebenen in einer Beteiligungskette verneint, sodass der Erwerb einer Gesellschaft mit Grundvermögen die Steuer auslösen kann, der Erwerb deren Muttergesellschaft aber stets steuerfrei bleibt.
Erste Verschärfung mit der Steuerreform 2015/2016
Die österreichische Gesetzgebung reagierte auf diese bekannten Vermeidungsvarianten erst im StRefG 2015/2016 und erweiterte die Erfassung von „Share Deals“ nach deutschem Vorbild. Seitdem fällt die GrESt bereits an, wenn zumindest 95 % (statt zuvor 100 %) einer Gesellschaft mit Grundvermögen erworben werden. Personengesellschaften unterliegen der Steuer außerdem auch dann, wenn 95 % der Anteile innerhalb von 5 Jahren an neue (auch mehrere) Beteiligte übergehen. Als österreichisches Unikum werden seitdem auch Gesellschaftsanteile von Treuhändern an ihre Treugeber zugerechnet. Der Steuersatz wurde für alle diese Fälle mit 0,5 % des Wertes der Grundstücke festgesetzt. Die Schlagkraft dieser Ausdehnung der Steuerpflicht ist aber zu bezweifeln. Um die Steuer zielsicher zu vermeiden, müssen nun lediglich 5,1 % einer Gesellschaft bei einem Dritten bzw. Altgesellschafter verbleiben, der kein Treuhänder ist.
Deutsche Novelle 2021
Vor der Reform 2021 war die Rechtslage in Deutschland ähnlich, wenngleich dort in Konzernen auch höhere Beteiligungsebenen mit einer komplexeren „Durchrechnung“ betrachtet werden und die Steuer insoweit bereits umfassender angewendet wird als in Österreich. Der Deutsche Bundestag entschied sich bei der Reform – nach umfangreicher rechtswissenschaftlicher Debatte – für eine graduelle Verschärfung und gegen Systemänderungen. Die steuerauslösenden Beteiligungsgrenzen wurden von 95 % auf 90 % reduziert, die Regelung zum Übergang einer Gesellschaft auf neue Beteiligte von Personen- auf (nicht börsenotierte) Kapitalgesellschaften erweitert und die diesbezügliche Beobachtungsfrist von 5 auf 10 Jahre verlängert. Deutlichere Absenkungen der Schwellenwerte oder alternative Besteuerungen von Anteilsübertragungen wurden zwar erwogen, aus verfassungsrechtlichen Gründen aber nicht gewagt. Indes zeigen schon erste Erfahrungen, dass auch die neuen Schwellenwerte bereits ausgenützt werden, um einen Steueranfall zu verhindern (z.B. durch Transaktionen mit knapp weniger als 90 % der Anteile an einer Gesellschaft).
Reformoptionen für Österreich
Welches Aufkommen an GrESt für den österreichischen Fiskus (und damit insbesondere die Gemeinden) im Bereich der „Share Deals“ zur Debatte steht, ist schwer zu eruieren. Aber auch jenseits finanzieller Überlegungen wird es vielfach als steuerpolitisch unbefriedigend empfunden, wenn gerade für größere Immobilientransaktionen unter Einsatz von Gesellschaftsstrukturen einfach zugängliche Möglichkeiten zur Steuervermeidung bestehen. Das könnte auch der Rechtfertigung und Akzeptanz der GrESt als Ganzes schaden. Im Lichte der Entwicklungen in Deutschland scheinen folgende Möglichkeiten zur besseren Absicherung der Steuer gegen „Share Deals“ erwähnenswert:
- Absenkungen der steuerauslösenden Beteiligungsgrenzen (unter die derzeitigen 95 %) müssten wohl sehr deutlich ausfallen, um gegen Steuervermeidung effektiv zu sein. Eine Besteuerung von z.B. 75%- oder gar 50 %-Erwerben würde sich aber immer weiter vom bisherigen Recht entfernen und verfassungsrechtlich fraglicher erscheinen, besonders wenn unverändert der volle Wert aller Grundstücke einer Gesellschaft der Steuer unterworfen werden soll. Weiters würden vermehrt Unternehmenserwerbe betroffen sein, die keiner Steuerumgehung dienen (z.B. weil sich ein Grundstück im operativen Vermögen befindet). Ähnlich scheint etwa das bloße Verlängern von Beobachtungsfristen für gezielte Steuerplanung keine endgültige Hürde darzustellen, zugleich aber Reorganisationen sämtlicher Unternehmen mit Grundstücken zu erschweren.
- Die „Durchschau“ auf höhere Beteiligungsebenen würde eine Planungsvariante schließen und könnte auf die Erfahrungen in Deutschland aufbauen. Allerdings zeigen gerade diese, dass derartige Regelungen komplex sind und besonders bei Konzernverflechtungen ins Ausland rasch an Vollzugsschwierigkeiten stoßen.
- Unseres Erachtens wäre statt dieser „Tiefenbetrachtung“ eine Absicherung „in die Breite“ zielführender, welche eine Zusammenrechnung der Anteile von verbundenen oder wirtschaftlich zusammenwirkenden Personen ermöglicht. Derartige Regelungen sollten einen Balanceakt zwischen Rechtssicherheit und dem Erfassen möglichst vieler Fälle bieten und gerade das Aufgreifen gezielter Planungen ermöglichen.
- Mehrere europäische Staaten kennen auch Systeme, welche nur eigens definierte „Immobiliengesellschaften“ (bei denen z.B. ein bestimmter Anteil am Vermögen aus Grundstücken besteht) in der GrESt erfassen. Verschärfungen im österreichischen Recht könnten auf vergleichbar definierte Gesellschaften beschränkt werden. Groß angelegte Umgehungsfälle würden so erfasst, Unternehmen ohne Immobilienschwerpunkt aber von steuerlichen Verschärfungen geschont werden.
Der Artikel wurde bereits am 6.10.2022 in der ÖGZ veröffentlicht und basiert auf einer Studie im Auftrag der AK Wien.