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2) Die Gründe für unterschiedliche Eigentumsquoten sind länderspezifisch. Ein Beispiel: In der Slowakei wurden MieterInnen nach Ende des Kommunismus zu EigentümerInnen ihrer Wohnungen. Dies führte zur höchsten Eigentumsquote im Euroraum. In Ostdeutschland hingegen wurden die Immobilien an ihre vormaligen BewohnerInnen vorrangig weitervermietet. Politische Entscheidungen beeinflussen sowohl die Eigentumsquote als auch die Ungleichheit. Institutionen und soziale Strukturen prägen die Vermögensverteilung.
3) Niemand wird durch den Kauf eines Hauses vermögender. Nur die Zusammensetzung seines/ihres Vermögens ändert sich. Das Finanzvermögen wird weniger, da es für den Erwerb meist zu einem großen Teil aufgebraucht wird, und hypothekarisch besicherte Schulden steigen an, wenn die Eigenmittel nicht ausreichen.
4) Es muss zwischen Vermögensformen, Portfoliozusammensetzung und Höhe des Vermögens unterschieden werden. Immobilien sind nur eine Vermögensform neben anderen, wie Sparbüchern, Autos und Unternehmen. Eigentum an der Wohnimmobilie ist, vom Volumen betrachtet, eine wichtige Komponente des Nettovermögens. Aber ihr Kennzeichen ist, dass sie die Vermögenskomponente der oberen Mitte ist. Sie hat kaum Bedeutung für die untere Hälfte der Vermögensverteilung. Und sie charakterisiert nicht das Vermögen der Reichen. Dort ist Unternehmenseigentum und Immobilienbesitz, der zu Einkommenszwecken vermietet wird, dominant. Wer über Eigenheime redet, spricht demnach nicht über die wirklich Reichen in der Gesellschaft. Selbst Paläste erreichen im Wert nicht die Vermögenshöhen, die bei Aktien oder Unternehmen zu finden sind.
5) EigentümerInnen sind zwar eifrigere SparerInnen als MieterInnen, es ist aber nicht klar, ob dies der Grund dafür ist, dass sie zu EigentümerInnen werden. Vielmehr ist die Sparquote vor allem einkommensabhängig.
6) Der relativ hohe MieterInnenanteil in Österreich hat viele Vorteile: Eine Haushaltsgründung wird einfacher. Junge Menschen in Österreich können früher von zu Hause ausziehen als in Italien und Spanien. In Österreich sind beinahe 40 Prozent der Haushalte Einpersonenhaushalte, während es etwa in Spanien weniger als 20 Prozent sind. Und auch im Alter, wenn sich die Haushaltszusammensetzung wieder ändert, erleichtert dies einen Wechsel. Ein hoher MieterInnenanteil unterstützt auch die Flexibilität am Arbeitsmarkt. Für Fortbildung oder Arbeit kann so leichter der Wohnort gewechselt werden.
7) Eine Lektion der Finanzkrise: Werden Haushalte mit geringem Einkommen zum Erwerb von Immobilieneigentum verleitet, geht dies mit einer hohen Verschuldung einher. Diese trägt zu Blasenbildung am Immobilienmarkt bei und gefährdet die Finanzstabilität. Ein größerer Mietmarkt vermeidet eine Überschuldung von weniger risikotragfähigen Haushalten. Der Weg zum Eigenheim ist bei einer geforderten Eigenkapitalquote von 20 Prozent zur Eigenheimfinanzierung ein langer und steiniger.
Ein Rechenbeispiel zur Veranschaulichung: Um 60.000 Euro (20 Prozent) Eigenmittel für eine 300.000-Euro-Immobilie anzusparen, braucht sogar der Median-Haushalt in Österreich, der monatlich 200 Euro sparen kann, 20 Jahre (bei einer angenommenen Verzinsung von drei Prozent und ohne Berücksichtigung der KESt). Bei dieser Sparquote sind alle Haushalte berücksichtigt, auch jene, die bereits Eigentum haben. Menschen, die ein Eigenheim kaufen wollen, sind aber meist jünger und leben in Miete. In dieser Gruppe liegt der Median der Sparquote wahrscheinlich deutlich niedriger, da das Einkommen im Lebenszyklus tendenziell steigt.
8) Die Ungleichheit beim Nettovermögen ist höher als die Ungleichheit bei den Immobilien im Eigentum. Die unteren 50 Prozent der privaten Haushalte in Österreich haben einen mickrigen Anteil von 1,6 Prozent am gesamten Sachvermögen. Beim Nettovermögen wäre ihr Anteil immer noch bescheiden, aber wenigstens doppelt so hoch, und beim Finanzvermögen beträgt er 7,2 Prozent. Wer daher Vermögensbildung bei Immobilieneigentum forcieren will, benötigt zusätzliche Argumente https://www.hfcs.at/dam/jcr:cd5c7b69-64fb-4018-adae-399ae6cbb320/HFCS-AT-2017-Standard-Output-Tabellen.xlsx
9) Das Leben im Eigenheim wird bereits jetzt in hohem Maße gefördert. Eine Ungleichbehandlung, die den meisten Menschen nicht bewusst ist, erfolgt über die nicht monetären Einkommen der Eigentümer (sogenannte „imputierte Mieten“). Während Mieter 10 Prozent Mehrwertsteuer auf ihre Miete bezahlen und die Vermieter ihre Mieteinnahmen als Einkommen versteuern müssen, fällt für die imputierte Miete der Eigentümer im Eigenheim keine Steuer an. Die imputierten Mieten sind aber sowohl laut Definition der Vereinten Nationen als auch laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung zum Einkommen zu zählen.
10) Jüngere können heute Vermögen deutlich langsamer aufbauen als frühere Generationen. Bereits akkumuliertes Vermögen wird relativ zum Arbeitseinkommen immer bedeutsamer (steigende Capital-to-Income Ratios; http://jbi.or.at/pikettys-thesen-1-die-bedeutung-von-kapital/). Dies erhöht die Bedeutung vermögender Eltern und schmälert jene des eigenen Arbeitseinkommens. Immobilieneigentum wird zu einem guten Teil vererbt. In Österreich passiert der Eigentumserwerb bei fast einem Drittel über das Privileg der unbesteuerten Erbschaft. In der Folge ist die intergenerationale Vermögensmobilität niedrig. In einer Eigentümergesellschaft ist sie noch niedriger. Chancen der Wohlhabenden und Chancenlosigkeit der Armen verfestigen sich.
Zusammenfassend: Eine Erhöhung der Eigentumsquote bei Immobilien wird nicht aus rationalen wirtschaftspolitischen Gründen angestrebt. Im Gegenteil: Flexibilität am Arbeitsmarkt, Leistungsgerechtigkeit, ökologische Überlegungen, die Alterung der Gesellschaft, aber auch Überlegungen der Finanzstabilität sprechen für das Mieten von Wohnraum. Wer daher politisch eine Erhöhung der Eigentumsquote zum Ziel hat, tut dies aus ideologischen Gründen. Das konservative Narrativ stützt sich auf Begriffe wie Boden und Familie, die schon im 19. Jahrhundert gehypt wurden.
Es macht einen entscheidenden Unterschied aus, ob die Vermögensungleichheit sinkt, weil durch einen Abbau des Wohlfahrtsstaats ärmere Menschen mehr angstsparen müssen, oder ob die Vermögenskonzentration an der Spitze der Verteilung aufgrund von steuerlichen Maßnahmen zurückgeht. In beiden Fällen sinkt zwar der Gini-Koeffizient. Doch sind beide Veränderungen gesellschaftspolitisch gleich erstrebenswert? Nein, es geht um die Überreichen, die eine Sezession vom Rest der Gesellschaft durchsetzen. Dies müsste durch striktere Anti-Monopol-Gesetze, effektiven Kampf gegen Steuerhinterziehung und Erbschafts- und Vermögenssteuern verhindert werden.
Vermögensbildung hingegen ist nur ein ideologischer Lockruf in eine Eigentümergesellschaft mit dem versteckten Ziel eines Abbaus des Sozialstaates.