Die (Weiter)Entwicklung und Finanzierung der öffentlichen Dienstleistungen und der öffentlichen Infrastruktur ist seit Jahrzehnten ein politisch heiß umstrittenes Thema. Staatsschulden und verschärfte Budgetregeln erschweren derzeit eine öffentliche, kreditbasierte Finanzierung und schaffen Anreize, privates Kapital zur Erfüllung dieser Aufgaben heranzuziehen. Diese sogenannten Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) werden als Teil der Lösung der Finanzierungsprobleme für öffentliche Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen beworben. Tatsächlich sind sie aber Teil des Problems.
Eine ÖPP, bekannt auch unter ihrer englischen Bezeichnung Public-Private-Partnership (PPP), ist ein langfristiger Vertrag zwischen der öffentlichen Hand und einem privaten Unternehmen, auf dessen Grundlage private InvestorInnen eine Infrastruktur und/oder Dienstleistung finanzieren, errichten, abwickeln oder bereitstellen. Die Vergütung erfolgt entweder über Gebühren der NutzerInnen (Konzessionsmodell) oder direkt durch die öffentliche Hand. Ein Kernelement zur Abgrenzung von ÖPP zu Miet- oder Leasingvarianten ist, dass die Gesamtverantwortung für Planung, Bau, Finanzierung, Instandhaltung und Betrieb möglichst weitgehend in den Händen des privaten Unternehmens liegt.
Historisch wurde das moderne ÖPP im Vereinigten Königreich der 1980er Jahre maßgeblich entwickelt. Ein Drittel aller ÖPP-Projekte befinden sich in Europa, wobei das Vereinigte Königreich davon den größten Anteil hält. Der Anteil von ÖPP an allen staatlichen Infrastrukturinvestitionen ist in den meisten Ländern derzeit allerdings gering (weniger als fünf Prozent). ÖPP-Projekte repräsentieren aber beträchtliche Investitionssummen. Ein weiterer Bedeutungsanstieg ist auf Grund des Anstiegs der Staatsschulden und des verschärften Fiskalregelwerks seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 zu erwarten. Denn Investitionen in den Erhalt und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur werden erschwert, gleichzeitig wären diese Investitionen dringend notwendig, um in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit und deflationärer Stagnation Konjunkturimpulse zu setzen.
ÖPP-Projekte verursachen andere staatliche Zahlungsströme als eine traditionelle öffentliche Finanzierung. Im Jahr der Anschaffung einer Infrastruktur kommt es (unter gewissen Bedingungen) nicht zu einer Erhöhung der staatlichen Defizit- und Schuldenstandsquote. Die Kosten werden über die Nutzungsdauer verteilt, die Schuldenstandsquote erhöht sich nicht und die Defizitquote ist in jedem Jahr gleichmäßig belastet. Obwohl die Empirie zeigt, dass ÖPP-Projekte meist über die ganze Laufzeit höhere Kosten verursachen als öffentlich finanzierte Projekte, kann das unterschiedliche Timing der Zahlungsströme ÖPP-Projekte für die jeweilige Regierung als vorteilshaft erscheinen lassen. So ist eine leichtere Einhaltung der diversen Budgetregeln für staatliche Verschuldung möglich und Regierungen werden meist für das aktuelle Budgetdefizit und den aktuellen Schuldenstand verantwortlich gemacht und nicht für die Gesamtkosten einer Infrastrukturinvestition über die ganze Laufzeit.
Kritik und internationale Erfahrungen
Internationale Erfahrungen mit ÖPP Projekten sind mittlerweile breit dokumentiert und untersucht. Oft handelt es sich allerdings mehr um anekdotische Erfahrungsberichte und Einzelfallprüfungen durch Aufsichtsbehörden. Dabei sind zwei grundlegende Kritikstränge zu unterscheiden. Erstens kritisieren Gewerkschaften, NGOs und diverse Aufsichts- und Untersuchungsbehörden:
- teurere Finanzierungskosten im Vergleich zur herkömmlichen öffentlichen Finanzierung
- Intransparenz und Ineffizienzen in der Vergabepraxis
- Qualitätsverschlechterungen für die BürgerInnen
Eine Untersuchung des britischen Parlaments ergab, dass die Kapitalkosten für ein ÖPP-Projekt doppelt so hoch wie jene für Staatsanleihen sind. Es gibt auch keinen empirischen Beleg für die Annahme, dass vermeintliche Einsparungen durch ÖPP-Projekte in anderen Bereichen („Effizienz“) die Mehrkosten auf der Finanzierungsseite (über)kompensieren. Der Deutsche Bundesrechnungshof kam nach sieben geprüften ÖPP-Projekten im Fernstraßenbau zu ähnlichen Schlüssen. Seine Berechnungen zu fünf ÖPP-Projekten haben ergeben, dass diese um 1,9 Milliarden Euro teurer sind, als es eine konventionelle Realisierung gewesen wäre.
Neben den erwähnten Punkten wird von ÖPP-GegnerInnen auch davor gewarnt, dass ÖPP-Projekte die Markmacht großer, internationaler bauindustrieller Unternehmen auf Kosten regionaler Klein- und Mittelunternehmen stärken. Diese verfügen weder über die entsprechende Eigenkapitaldecke, noch über eine ausreichende Kreditwürdigkeit bei den Banken, um selbst als ÖPP-Unternehmen in den Markt zu gehen. Tatsächlich zeigt eine Untersuchung von 30 ausgewählten ÖPP-Hochbauprojekten in Deutschland, dass sich in Projekten mit einem Investitionsvolumen größer als 25 Millionen Euro keine KMU mehr als Hauptauftragnehmer finden.
Der zweite Kritikstrang durch Organisationen wie dem IWF und der OECD kritisiert ausschließlich, dass ÖPP-Projekte zur Verschleierung von Staatsschulden und Risiken verwendet wurden und werden. ÖPP-Projekte werden nicht generell abgelehnt, es wird nur gefordert, dass diese Projekte klar und transparent im öffentlichen Haushalt abgebildet werden müssen.
Unterstützt wird diese Kritik durch die Rolle von ÖPP-Projekten in jenen europäischen Ländern, die in der Krise fiskalpolitisch besonders unter Druck kamen: Sowohl in Portugal als auch in Zypern wurden die ÖPP-Projekte als Mitursache der fiskalischen Probleme identifiziert. Der IWF forderte Nachverhandlungen und einen Stopp für neue Verträge, bis es einen allgemeinen, rechtlichen Rahmen gäbe.
Forderungen und Alternativen zu ÖPP
Internationale Erfahrungen zeigen also, dass es sich bei ÖPP um eine Form der Privatisierung handelt, die zu versteckter öffentlicher Verschuldung und langfristig oft zu betriebswirtschaftlichen Problemen führt. Höhere langfristige Kosten und potentielle Qualitätsverschlechterungen werden allerdings in Kauf genommen, um selbst auferlegte Budgetregeln zu umgehen. Das seit der Krise weiter verschärfte Fiskalregelwerk (also die gesetzliche Begrenzung der staatlichen Ausgaben, des Defizits und der Verschuldung) hat in vielen Mitgliedsstaaten zu einer strikten Kürzungspolitik geführt und vor allem die öffentlichen Investitionen einbrechen lassen. Grundsätzlich könnte die Investitionslücke natürlich auch durch eine höhere Besteuerung von Vermögen, entschlosseneres Vorgehen gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung oder die Beseitigung der Fehler und Risiken im Finanzsektor angegangen werden. Eine Ausweitung der öffentlichen Infrastrukturfinanzierung würde sich derzeit laut IWF aber auch rechnen, wenn sie kreditfinanziert erfolgt.
Um eine Umkehr einzuleiten, muss das europäische und nationale Fiskalregelwerk angepasst werden, anstatt auf eine versteckte Form der Privatisierung durch ÖPP zu setzen. Derzeit existierende Fehlanreize zu Gunsten von ÖPP-Projekte sollten beseitigt werden. Regierungen weisen ohnehin schon eine Verzerrung zu Gunsten von ÖPP-Projekten auf, weil ÖPP-Projekte budgetdefizitwirksame Kosten in die Zukunft verschieben. Es muss daher einerseits dafür gesorgt werden, dass sinnvolle, kreditfinanzierte Infrastrukturinvestitionen unabhängig von Fiskalregeln möglich sind und andererseits müssen öffentliche Bilanzierungsregeln und Offenlegungspflichten so gestaltet sein, dass alle Finanzierungsrisiken der öffentlichen Hand für ÖPP-Projekte offengelegt werden.
In Bezug auf die europäischen Fiskalregeln sollte eine Goldene Regel für öffentliche Investitionen eingeführt werden. Diese würde eine Finanzierung der öffentlichen Nettoinvestitionen durch Nettokreditaufnahme (also mittels Budgetdefiziten) ermöglichen. Während eine feste Verankerung der Goldenen Regel nur mittelfristig realisiert werden kann, gibt es auch Möglichkeiten wie kurzfristig Handlungsspielräume innerhalb des bestehenden Regelwerks genutzt werden können, um der Goldenen Regel näherzukommen.
Die Kritik an ÖPP-Projekten sollte aber über die Frage der Transparenz von öffentlicher Verschuldung hinausgehen. Knappe öffentliche Haushalte werden derzeit als Hebel dafür benutzt, den Rückzug des Staates aus bestimmten Sektoren zu forcieren und privaten AnlegerInnen neue Felder zur Verwertung zuzuführen. Unabhängig von Fragen der Fehlanreize durch Fiskalregeln gibt es einen grundlegenden und gravierenden Unterschied zwischen privater und öffentlicher Aufgabenerfüllung. Während bei privaten Unternehmen Profitmaximierung im Vordergrund steht, sollte es bei Kommunen die Gemeinwohlorientierung sein. Erwähnt werden sollte daher, dass in einigen europäischen Ländern seit Mitte der 2000er Jahre zuvor privatisierte Aufgaben der Daseinsvorsoge wieder von der öffentlichen Hand übernommen werden. Diese Gegenbewegung wird unter dem Begriff Rekommunalisierung gefasst.
Dabei sind verschiedenste kommunale Aufgabenbereiche betroffen: Wasserversorgung, Energienetze, Abfallentsorgung und der öffentliche Verkehr sind nur einige davon. Ob mit dieser Rekommunalisierung allerdings tatsächlich ein umfassender Gegentrend zu Privatisierungs- und Liberalisierungstendenzen in Europa herausgebildet werden kann, ist schwer vorauszusehen. Offenbar ist allerdings bei vielen Kommunen ein Mentalitätswandel geschehen, der auf die Rückgewinnung kommunaler Steuerungsoptionen setzt und die Daseinsvorsorge wieder der privaten Verwertungslogik entzieht.
Der Beitrag ist eine Kurzfassung des Beitrags: Michaela Schmidt (2016): Öffentlich-Private Partnerschaft – Des Kaisers neue Kleider? WISO 1/16.