Das Erstarken der Rechten schwächt den Grünen Deal

24. April 2025

Mit den Gesetzesvorschlägen des „Omnibus-Pakets“ macht die Europäische Kommission so manchen Erfolg des Grünen Deals zunichte – ein Zeichen des steigenden Einflusses rechter Kräfte auf die EU-Politik. Klimaschutz und Energiewende kommen deutlich unter Druck von rechts.

Abbau rechtlicher Schranken für Profitmaximierung

Ein Merkmal rechter Parteien ist es, dass sie das Trennende über das Gemeinsame stellen. Ihr Verhältnis zum Staat ist ambivalent: Wo er – vor allem als Sozialstaat – dem Schutz Schwächerer dient, wird er in Misskredit gebracht und zerstört. Wo er hingegen vorgeblich Sicherheit und Ordnung garantiert, wird er gestärkt. Die Lippenbekenntnisse gelten dem „Volk“, die tatsächliche Politik jedoch den reichen Eliten.

Das ist der Grund, warum viele Unternehmen und ihre Lobbyorganisationen die rechte Politik unterstützen. Sie erwarten, dass rechtliche Schranken für ihre Profitmaximierung abgebaut werden und dass sie die verbleibenden staatlichen Mittel in ihre Kassen umlenken können. Die gebetsmühlenartig wiederholte Forderung nach Deregulierung ist ein Beispiel für die begriffliche Vorherrschaft der Rechten im öffentlichen Diskurs. Sie lässt erfolgreich vergessen, dass die Regulierungen, denen ihr Angriff gilt, ursprünglich zum Schutz Schwächerer und deren Interessen eingeführt wurden; dazu zählt auch der Umweltschutz. Aktuelle Beispiele sind die Ausführungen zur „Vereinfachung“ im sogenannten „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ der EU-Kommission. Der ursprüngliche Zweck der Regeln, die die Kommission ins Visier nimmt, wird mit keinem Wort erwähnt, sie werden lediglich als Bürokratie und Belastung bezeichnet.

Diese politische Rechtswende findet nicht nur dort statt, wo eindeutig rechte bzw. rechtsextreme Parteien an die Macht kommen. Vor allem konservative oder liberale Parteien, die um Wähler:innen rechts der Mitte werben, übernehmen zusehends einige dieser rechten Positionen.

Wende beim Grünen Deal

Diese Veränderungen machen auch vor der Klima- und Umweltpolitik nicht halt. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene werden Änderungen beschlossen, die das Projekt des Grünen Deals und die Führungsrolle der EU in der internationalen Klimapolitik infrage stellen.

Die Nachwehen der Covid-Pandemie, die Energiepreiskrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und die anschließende Rezession haben Zweifel aufkommen lassen, dass grüner Kapitalismus wirklich zu Wachstum führen kann. Das hat sich auch bei den Wahlen zum EU-Parlament im Juni 2024 gezeigt. Rechte Parteien, die sich gegen die ambitionierte Klimapolitik und den Green Deal stellen, konnten deutliche Stimmengewinne verzeichnen. Verbote von Windrädern, die Aufhebung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen und das Versprechen, dass die Zukunft weiterhin den Autos gehöre, sind Beispiele für eine „Anti-Klimapolitik“, die an den Wahlurnen erfolgreich war.

Umverteilung nach oben

Ein weiterer Grund für den Kurswechsel der EU-Politik war auch die Art, wie die USA auf die Krise reagiert haben. Schon während der Präsidentschaft Joe Bidens wurde mit dem „Inflation Reduction Act“ (IRA – Gesetz zur Inflationsbekämpfung) eine protektionistische Politik verfolgt, die staatliche Subventionen oder Steuergutschriften für jene Unternehmen vorsah, die in den USA produzieren. In der Folge ging auch die EU-Kommission von ihrer strengen Haltung gegenüber staatlichen Beihilfen ab und erlaubte umfangreiche staatliche Subventionsprogramme für europäische Unternehmen. Nur so war es möglich, dass 2022 in Österreich 5,7 Milliarden Euro an Förderungen für den „Umbau der Industrie“ zugesagt wurden.

Doch die Wirtschaft kam nicht auf Touren. Daher beauftragte die EU-Kommission den früheren Chef der Europäischen Zentralbank und ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi, einen Bericht mit Empfehlungen zu erstellen, wie die EU sich wirtschaftlich erholen könnte. Der Bericht, den Draghi Mitte 2024 vorlegte, fokussiert auf „Wettbewerbsfähigkeit“. Die Hauptbotschaft des Berichts lautet, dass deutlich mehr Investitionen nötig sind, um die Produktivität wieder zu steigern: jedes Jahr etwa 750 bis 800 Milliarden Euro zusätzlich. Dafür sollen sich die Mitgliedstaaten auch gemeinsam stärker verschulden können.

Der Draghi-Bericht war einer der Pfeiler des politischen Programms, das Ursula von der Leyen im vergangenen Jahr dem Europäischen Parlament präsentierte, um als Kommissionspräsidentin wiedergewählt zu werden. Die schlechte Wirtschaftslage in der EU und das gleichzeitige Erstarken rechter Parteien bei den Wahlen zum Europäischen Parlament prägten diesmal ihr Programm. Mit den Zugeständnissen an die Rechten verlieren Solidarität und Gerechtigkeit als politische Ziele offenkundig an Bedeutung. Stattdessen wird die Politik zunehmend an den Interessen von Industrieunternehmen und reichen Eliten ausgerichtet.

Unternehmenspflichten über Bord werfen

Konkret zeigt sich dies an zwei Gesetzen, bei denen die neue Kommission eine Kehrtwende vollzieht: Das EU-Lieferkettengesetz galt, als es Mitte letzten Jahres beschlossen wurde, als Meilenstein einer weltweiten Verbesserung der Lage der Arbeitnehmer:innen und des Umweltschutzes. Nun setzt die Kommission daran die Kettensäge an und beraubt das Gesetz seiner Substanz. Auch die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung soll nach den Plänen der EU-Kommission weitgehend ausgehöhlt werden, indem der Anwendungsbereich drastisch eingeschränkt wird und nur mehr sehr große Unternehmen darunter fallen.

Diese zwei Beispiele lassen auch für die Klimapolitik nichts Gutes erwarten. Denn Unternehmerverbände stellen die Vorgaben zur Reduktion der Treibhausgasemissionen immer lauter infrage. Konkrete Vorschläge zur Änderung des EU-Klimagesetzes, das die Reduktionsziele bis 2040 rechtlich verbindlich machen soll, werden Mitte des Jahres erwartet. Es muss damit gerechnet werden, dass die strengen Ziele ausgehöhlt werden und damit auf dem Altar der Wettbewerbsfähigkeit geopfert werden.

Wie kann Kooperation wieder gelingen?

Diese Änderungen sind nicht Ausdruck einer Skepsis gegenüber Klimapolitik allein. Vielmehr zeigt sich darin eine Verschiebung weg von einer Politik der Kooperation und des Interessenausgleichs hin zu einer Politik der Abschottung, der internationalen Konkurrenz und des zunehmenden Rechts des Stärkeren. Entgegen ihren anderslautenden Lippenbekenntnissen machen die Rechten eine Politik für die Wenigen, für die Reichen, für die Eliten.

Das Projekt eines sozialen und ökologischen Umbaus hin zu einer gerechten Gesellschaft geht in die entgegengesetzte Richtung: Es ist ein Programm für die Vielen. Es ist die Voraussetzung, dass die ambitionierten klimapolitischen Ziele des Grünen Deals weiter Gültigkeit haben können.

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung eines Artikels in der „Wirtschaft und Umwelt“ 1/2025.

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