Handels­krieg um E-Autos – ausweg­los?

18. Juli 2024

Die Zölle gegen chinesische E-Autos in der EU treten in Kraft – unumstritten ist diese Maßnahme aber nicht. Während die USA keinen Hehl aus ihrem protektionistischen Kurs machen, hadert Europa noch mit einer endgültigen Entscheidung. Klar ist jedenfalls: Zölle allein sind eine Sackgasse.

Warum gerade jetzt Zölle?

Die Vorbereitungen für Zölle auf chinesische Autos in der EU laufen auf Hochtouren. Nach der Zollerhöhung auf chinesische E-Autos in den USA auf 100 Prozent muss auch Europa dem Überschwemmen der Märkte mit derartigen Automobilen entgegenwirken – so zumindest das Argument. Auch wenn der Anteil von in China produzierten E-Autos in Europa mit 20 Prozent noch relativ gering ist, so ist China in diesem Segment der unbestrittene Meister. Von offizieller Seite in EU und USA wird das mit großzügigen Subventionen und daraus resultierenden unfairen Wettbewerbsvorteilen erklärt. China hat jedoch schon sehr früh das Potenzial der E-Auto-Industrie erkannt und diese auch gezielt gefördert. Vom Rohstoffabbau über Forschung und Innovation bis hin zu finanziellen Anreizen, schon Anfang der 2000er Jahre, setzte China auf die Entwicklung der E-Autos. Die Strategie machte sich bezahlt: In der Batterietechnologie als zentralem Bestandteil der E-Autos ist China Europa nun Jahre voraus.

Subventionen und Zölle – ein alter Hut

Subventionen sind also sicher ein Teil der Wahrheit, allerdings nicht die ganze. Zumal es allein schon an der Definition von Subventionen hapert. Handelt es sich dabei ausschließlich um direkte Geldflüsse des Staates oder umfassen diese auch Steuererleichterungen, Forschungsförderung etc.? So oder so, in der entfachten Debatte werden wichtige Details ausgespart. Subventionen als Instrument für den Aufbau von Industrien sind auch dem Westen nicht fremd. So wurde beispielsweise die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie, genauer noch Airbus, mit staatlichen Geldspritzen aufgebaut und konkurriert damit heute als einzige mit der amerikanischen Boeing. In das später gescheiterte Modell A380 allein sind rund eine Milliarde Euro geflossen, laut offiziellen US-Angaben sollen insgesamt Milliarden im zweistelligen Bereich an unrechtmäßigen finanziellen Hilfen bereitgestellt worden sein. Ähnlich wie heute löste die durch öffentliche Ressourcen aufgebaute Konkurrenz Empörung im Boeing-Heimatland aus und auch WTO-Klagen beider Seiten folgten. De facto war es aber nur so möglich, das US-Monopol zu durchbrechen. Die heutige Auseinandersetzung ist also keinesfalls grundlegend neu, sie wurde lediglich um einen Player erweitert. China hat bereits bestehende Strategien kopiert sowie optimiert und unbestritten – im Gegensatz zur europäischen Automobilindustrie – auf das richtige Pferd gesetzt.

Die Reaktion Europas und der USA mit der Einführung von Zöllen ist kontrovers, aber genauso traditionsreich. Schon vor Jahrhunderten wurde das theoretische Fundament für diesen Ansatz gelegt. Der Ökonom Friedrich List plädierte damals zwar für eine Zollfreiheit unter den deutschen Territorialstaaten, aber dafür für die Einhebung von sogenannten Erziehungszöllen nach außen, um die in den Kinderschuhen steckende deutsche Industrie gegen die überlegene Konkurrenz aus Großbritannien zu schützen. Allgemein könnten Länder mit weniger entwickelten Industrien von Zöllen profitieren, um nationale Industrien aufzubauen und zu stärken. Damals wie heute findet sich dieser Ansatz in politischen Entscheidungen wieder. So schützten alle Industrieländer ihre nationalen Industrien zumindest für eine bestimmte Zeit und auch China verfolgte bis zur Öffnung Anfang der 2000er Jahre eine ähnliche Strategie.


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Industriepolitische Strategie ist gefragt

Die Einführung von Zöllen kann also durchaus sinnvoll sein – doch ganz so einfach wird es nicht gehen. Abgesehen von der Gefahr, dass sich China mit eigens verhängten Zöllen rächt, werden sie vorwiegend einen Effekt haben: Die Preise werden steigen. Chinesische E-Autos sind derzeit noch rund 20 Prozent billiger als in der EU hergestellte Modelle. Ohne die Einbettung der Handelspolitik in eine umfassende Industriepolitik, die europäische Produktion und Technologien im Bereich der E-Mobilität fördert, werden die Zölle die grüne Wende in der Automobilbranche bestenfalls erschweren. Die derzeitigen Verhandlungen mit China bieten aber eine Chance, sinnvolle Maßnahmen im Sinne der Kooperation statt der Verhärtung von Fronten auf den Tisch zu legen. Die Gründung von Joint Ventures mit chinesischen Unternehmen bei gleichzeitiger Einhaltung lokaler und sozial-ökologischer Auflagen in der Produktion könnten einerseits die Wertschöpfung in Europa sichern und andererseits den notwendigen Technologietransfer schaffen.

Eine klare industriepolitische Strategie für Europa bedeutet allerdings auch, dass das ewige Hin und Her rund um das Verbrenner-Aus 2035 ein Ende haben muss. Es braucht klare Bekenntnisse der Politik, um Planungssicherheit zu schaffen. Dafür muss auch die Automobilindustrie in die Pflicht genommen werden. Zu lange hat man auf Luxusautos und SUVs gesetzt, um die Profitmargen zu maximieren. Der Trend hin zu großen und schweren Autos ist dabei nicht nur eine infrastrukturelle Herausforderung, sondern untergräbt außerdem die Ambitionen, die Emissionen zu senken – auch im E-Auto-Segment. Die Batterieproduktion ist schließlich trotz Effizienzsteigerung CO2-intensiv und auch nach Fertigung der Autos stellt sich nach wie vor die Frage der Energiegewinnung, immerhin stammen derzeit lediglich 23 Prozent des europäischen Endenergieverbrauchs aus erneuerbarer Energie.

Mobilitätswende: leistbare E-Autos und Öffis

Für eine rasche und nachhaltige Wende in der Automobilbranche in Europa und die Abkehr von Luxuswägen ist ein Maßnahmenmix gefragt. Dieser sollte aus konkreten Pflichten für die Automobilindustrie sowie gezielter Finanzierung, etwa durch attraktive Kredite oder Forschungsförderung, bestehen, die an die Produktion eines festgelegten Anteils leistbarer Kleinwägen geknüpft ist. Frankreich macht außerdem vor, dass über eine Erhöhung der Parkgebühren für SUVs auch gezielte Anreize für Konsument:innen gesetzt werden können. Zudem kann die entsprechende Nachfrage nach leistbaren E-Autos über öffentliche Beschaffung sichergestellt werden. Bei solch umfassenden staatlichen Eingriffen in die Produktion und Abnahme muss allerdings ernsthaft über eine staatliche Gewinnbeteiligung und die Verpflichtung der Reinvestition der Profite diskutiert werden. Diese öffentlichen Mittel könnten beispielsweise verwendet werden, um eine nachhaltige und leistbare Mobilitätswende zu schaffen, die dem Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und des Schienennetzes die verdiente Priorität einräumt. Nur so ist eine tatsächliche grüne Wende möglich.

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