Das Metall Kobalt steckt in unseren Smartphones, Laptops und E-Autos und wird im Kongo unter Bedingungen abgebaut, die der Wissenschaftler Benjamin K. Sovacool in Studien als moderne Sklaverei bezeichnet. Die Bezahlung ist niedrig, die Schäden für die Gesundheit sind schwer und Kinderarbeit steht an der Tagesordnung. Für die von der EU angestrebte Twin Transition ist Kobalt von großer Bedeutung. Auch deshalb unternimmt sie bisher noch viel zu wenig, um die Situation in den Abbaugebieten zu verbessern. Doch in der jüngst beschlossenen Lieferkettenrichtlinie liegt die Chance für Veränderung.
Kobalt ist essenziell für die Twin Transition
Die Strategie der EU bis 2050 sieht eine zweifache Wende vor, eine Twin Transition. Diese besteht zum einen aus einer Digitalisierung großer Wirtschafts- und Lebensbereiche und zum anderen aus einer „grünen“ Wende weg von fossilen Energien und Technologien. Das Metall Kobalt wird dabei eine besondere Rolle spielen, denn das daraus gewonnene Kobaltoxid befindet sich in den Akkus von Smartphones, Laptops und E-Autos (aber auch in Verbrennern). Prinzipiell ist Kobalt aufgrund seiner hervorragenden Effizienz in fast jedem Akku enthalten. Doch die sozialen und ökologischen Kosten von Kobalt sind sehr hoch und die weltweit größten Vorkommen befinden sich in politisch instabilen Regionen. Außerdem fluktuiert der Preis des Metalls stark. Auch wenn intensiv an möglichen Alternativen geforscht wird – mit teilweise vielversprechenden Ergebnissen wie kobaltfreien Batterien – wird der Rohstoff zumindest in den nächsten Jahren weiterhin eine große Rolle spielen. Studien prognostizieren, dass die EU-weite jährliche Nachfrage nach Kobalt bis zum Jahr 2030 um 370 bis 520 Prozent steigen wird. Von 8.620 Tonnen im Jahr 2020 auf 40.732 Tonnen jährlich im Minimalszenario und 54.101 Tonnen im Maximalszenario. Diese Mengen würden ungefähr 50 Prozent des derzeit jährlich weltweit geförderten Kobalts ausmachen. Die EU-Kommission führt Kobalt deshalb auf ihrer Liste „kritischer“ Rohstoffe. Diese zeichnen sich durch hohe ökonomische Relevanz, hohe Versorgungsunsicherheit und fehlende Substituierbarkeit aus. Jene kritischen Rohstoffe, welche die höchste Bewertung in diesen Kategorien erhalten, werden als „strategische“ Rohstoffe definiert. Neben Kupfer und sogenannten Seltenen Erden fällt auch Kobalt in diese Kategorie. In der aktuellen Verordnung zu kritischen Rohstoffen setzt sich die EU das Ziel, bis 2030 15 Prozent respektive 10 Prozent des Bedarfs an solchen strategischen Rohstoffen durch Recycling und Gewinnung innerhalb Europas zu decken. Was Recycling betrifft, ist die derzeitige Situation je nach Rohstoff sehr unterschiedlich. So wird der Bedarf an Kupfer bereits jetzt zu 50 Prozent durch Recycling gedeckt. Bei anderen Rohstoffen werden die Vorgaben schwer zu erreichen sein. Denn auch wenn die Technologien für deren Recycling auf skalierbarem Niveau existieren, kommen andere Flaschenhälse dazu. So etwa die Verfügbarkeit entsorgter Endprodukte, die recycelt werden können. Kobaltvorkommen innerhalb Europas gibt es zwar, deren Gewinnung wird jedoch erst für größere Zeithorizonte relevant, da der Prozess von der Identifizierung eines Vorkommens bis zur Inbetriebnahme einer Mine in der EU etwa 10 bis 15 Jahre in Anspruch nimmt. In den nächsten Jahrzehnten wird die EU das benötigte Kobalt also weiterhin größtenteils importieren müssen.
Schauplatz Kongo
Etwa 68 Prozent des weltweit produzierten Kobalts kommt aus der Demokratischen Republik Kongo. Auch die EU bezieht den größten Teil des benötigten Kobalts aus dem zentralafrikanischen Staat. In dessen rohstoffreichem Südosten befinden sich die größten weltweiten Vorkommen, die außerdem einen besonders hohen Reinheitsgrad aufweisen. Doch der Kongo belegt im Human Development Index Platz 180 von 193 Staaten und besonders der Südosten ist von extremer politischer Instabilität geprägt. Die Nachwehen der brutalen Kolonialherrschaft Belgiens sind noch immer spürbar. Es tobt ein Bürgerkrieg, der seit 1996 fast sechs Millionen Menschenleben gefordert und viele mehr zur Flucht gezwungen hat. Bewaffnete Milizen kämpfen gegeneinander und gegen die Regierung um die Kontrolle über die wertvollen Erze. Dazu kommt eine grassierende Korruption in den letzten vorhandenen staatlichen Institutionen, in die auch der Schweizer Minenkonzern Glencore verwickelt war. Fehlende staatliche Strukturen, hohe Profitmöglichkeiten und der Mangel an ökonomischen Alternativen ergeben eine Gemengelage, unter der die Bedingungen für Arbeiter:innen in den Minen besonders hart sind.
Katastrophale Arbeitsbedingungen
Kobalt wird im Kongo zum größten Teil industriell abgebaut, doch etwa 20 Prozent werden im sogenannten Kleinbergbau oder artisanalen Bergbau gewonnen. Das ist eine arbeitsintensive, kleinteilige Form von Bergbau, bei der kaum Maschinen zum Einsatz kommen. Schätzungen zufolge schürfen über 200.000 Menschen im Kongo auf diese Art nach Kobalt. Der Kleinbergbau ist größtenteils nicht formalisiert, das heißt die Bergleute haben weder Arbeitsvertrag noch Konzession. Der Wissenschaftler Benjamin K. Sovacool forscht zum Thema des artisanalen Bergbaus. In seiner 2021 veröffentlichten Studie kommt er zu dem Schluss, dass viele Männer, Frauen und Kinder dabei in einem Abhängigkeitsverhältnis arbeiten, das als „moderne Sklaverei“ bezeichnet werden kann. Sie sind ohne jeglichen Schutz regelmäßiger Verfolgung, Enteignung und Gewalt durch Privatunternehmen, Polizei und Militär ausgesetzt. Frauen übernehmen dabei oft die härtesten Arbeiten, wie das Graben unter der Hitze des Tages, das Waschen des Kobalts und das Holen von Wasser. Gleichzeitig müssen sie sich um die Kinder kümmern und werden regelmäßig Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt. Laut einem Bericht von Amnesty International steht Kinderarbeit an der Tagesordnung. Die Kinder arbeiten selten in den Schächten unter der Erde, sondern sind meist für das Sortieren und Tragen des Kobalts zuständig. Dabei steht ihnen nicht einmal einfachste Schutzkleidung wie Masken oder Handschuhe zur Verfügung. Dadurch weisen sie extrem hohe Werte an toxischen Metallen in ihrem Körper auf, welche in vielen Fällen zu Herz- und Lungenerkrankungen oder Krebs führen. Die kongolesische Gesetzeslage zum Kleinbergbau ist voller Lücken und dort, wo es staatliche Strukturen gibt, bereichern sich die Offiziellen meist selbst, indem sie Bestechungsgelder von den Bergleuten verlangen. Aber selbst wenn es strenge Kontrollen oder Verbote gäbe, würden sich lokale Communitys dagegen wehren, da jegliche ökonomische Alternativen fehlen. Viele Familien sind vollkommen vom Kleinbergbau abhängig.
Im industriellen Bergbau sieht es nicht viel besser aus
Die formalisierte Arbeit im industriellen Bergbau ist auch aufgrund der um ein Vielfaches höheren Produktivität für 80 Prozent des im Kongo produzierten Kobalts verantwortlich. Obwohl die Arbeitsbedingungen besser sind als im Kleinbergbau, gibt es zahlreiche schwerwiegende Missstände. Laut einer Studie der britischen NGO RAID betragen die Löhne der direkt von den Unternehmen Beschäftigten im Durchschnitt 355 US-Dollar im Monat. Die Lebenserhaltungskosten in der Provinzhauptstadt Kolwezi werden jedoch auf 402 US-Dollar pro Monat geschätzt. Außerdem werden die meisten Arbeiter:innen über Sub-Unternehmen beschäftigt und verdienen dabei im Durchschnitt nur 330 US-Dollar monatlich. Die Essensrationen und Unterkünfte für die Bergleute erinnern eher an das Leben in einem Gefangenenlager als an eine angemessene Versorgung. RAID zufolge sind die Bedingungen in den Minen chinesischer Unternehmen, die etwa 70 Prozent aller Kobaltminen in der Region ausmachen, besonders schlecht. Arbeiter:innen erhalten teilweise sogar weniger als den gesetzlichen Mindestlohn von 3,50 US-Dollar pro Tag. Viele berichten, dass sie von Vorgesetzten geschlagen werden, wenn sie etwa eine Anweisung nicht verstehen. Außerdem gibt es nicht genügend Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die chinesischen Minen liefern das unverarbeitete Kobalt exklusiv nach China, was jedoch nicht bedeutet, dass europäische Konzerne hier frei von Verantwortung wären. Denn diese importieren das Kobalt dann in weiterverarbeiteter Form aus China und profitieren damit von den schlechten Arbeitsbedingungen.
Die gewerkschaftliche Arbeit gestaltet sich schwierig
Der Gewerkschaftsverband IndustriALL berichtet, dass sich die gewerkschaftlichen Anstrengungen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, schwierig gestalten. So etwa beim Kampf für eine Einhaltung der Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften beim Schweizer Minenkonzern Glencore. Dessen Management betreibt sogenanntes union-busting, versucht also die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter:innenschaft zu verhindern. Die Gewerkschaften versuchen auch die Arbeit von Kleinbergleuten zu formalisieren und die Arbeiter:innen dann für sich zu gewinnen, was sich aber als noch schwieriger herausstellt. Die Regierung zeigt kein Interesse, im Bereich der kritischen Rohstoffe mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten und Arbeitsinspektor:innen hindern sie teilweise aktiv an der Arbeit.
Momentan tut die EU noch viel zu wenig
Die EU bezieht das für die angestrebte Twin Transition unverzichtbare Kobalt also zu einem Großteil aus dem Kongo. Gleichzeitig rühmt man sich in Brüssel gerne damit, auch bei importierten Waren großen Wert auf die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards zu legen. In diesem Kontext sind die Bemühungen der EU zur Verbesserung der Situation im Kongo enttäuschend gering. In der Verordnung zu kritischen Rohstoffen ist eine Ausweitung „strategischer Partnerschaften“, die einen Beitrag zur Versorgungssicherheit mit jenen Rohstoffen leisten können, vorgesehen. Diese sollen im Einklang mit der Global Gateway Initiative stehen und „für beide Seiten vorteilhaft sein“. Dass dem so sein wird, wird von Expert:innen angezweifelt. Solange die Rohstoffe in unverarbeiteter Form exportiert werden, finde der größte Teil der Wertschöpfung außerhalb Afrikas statt. Die ungleichen Handelsbeziehungen der Vergangenheit würden so reproduziert. Außerdem ist fraglich, wie viel die Versprechen zu sozialen und ökologischen Mindeststandards wert sind. Um deren Einhaltung zu gewährleisten, ist ein Zertifizierungssystem für importierte kritische Rohstoffe vorgesehen, doch es fehlen verbindliche Konditionalitäten. Stattdessen wurde bis jetzt auf Good Governance, also Transparenz und Eigenverantwortung der Unternehmen, gesetzt. Dass dieser Ansatz meist wirkungslos bleibt, hat zum Beispiel eine Untersuchung zur freiwilligen Selbstverpflichtung zum Klimaschutz im Bankensektor gezeigt.
Die Lieferkettenrichtlinie als möglicher Hebel
Die Ende Mai 2024 beschlossene EU-Lieferkettenrichtlinie hat hingegen echtes Potenzial, die Bedingungen im Kobaltabbau zu verbessern. Sie verpflichtet Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro dazu, ihre gesamten Lieferketten auf die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten sowie ökologischer Standards zu überprüfen. Sie beinhaltet außerdem die Schaffung neuer Entschädigungsmöglichkeiten für Betroffene etwaiger Missstände in Form einer zivilrechtlichen Haftung der Unternehmen entlang ihrer Lieferkette. Die Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht zu übersetzen und für deren Überprüfung eine Agentur zu beauftragen. Die großen europäischen Autokonzerne werden jedenfalls von der Richtlinie betroffen sein und in Zukunft genauer hinsehen müssen, unter welchen Umständen das in ihren Autos verwendete Kobalt aus der Erde geholt wird. Klar ist aber, dass die EU sich nicht darauf ausruhen darf, die Verantwortung teilweise an die Konzerne abgegeben zu haben. Wenn man in Europa die eigenen Bekenntnisse zu universellen Menschenrechten, aber auch Arbeitsrechten ernst meint, muss man den Menschen im Kongo eine eigenständige Entwicklung ermöglichen. Notwendig dafür ist eine sozial und ökologisch gerechte Handelspolitik, die faire Bedingungen für den Globalen Süden schafft. Alles andere ist maximal Symptombekämpfung.