Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird die Lohnsteuer von vornherein auf den Cent genau abgezogen. Sie haben nur wenige Möglichkeiten die Steuer zu reduzieren. Anders sieht es bei den Gewinnen aus: Hier können steuerschonende Firmenkonstruktionen problemlos gewählt werden: von der Aufteilung des Firmeneigentumes und damit des -gewinnes durch die Gründung einer Familiengesellschaft auf mehrere Personen bzw. GesmbHs bis zur Verschiebung von Gewinnen durch internationale Konzerne in Niedrigststeuerländer (steuertricks). Liegt bei ArbeitnehmerInnen die Höhe des Einkommens meist klar auf der Hand, gibt es bei den Gewinnen diverse bilanzielle Gestaltungsmöglichkeiten (Sonderabschreibungen beim Vermögen auf der Aktivseite, Bildung von Rückstellungen auf der Passivseite der Bilanz). Und nicht zuletzt gibt es besondere gesetzliche Zuckerl – zum Beispiel den Verlustvortrag, die Gruppenbesteuerung für Konzerne und der Gewinnfreibetrag für private UnternehmerInnen.
Steuerprivileg Gruppenbesteuerung
In der Körperschaftssteuer (der Einkommensteuer für GesmbHs und AGs etc.) gibt es seit 2005 die Gruppenbesteuerung: das bedeutet innerhalb eines Konzerns können Gewinne und Verluste der einzelnen Konzerngesellschaften saldiert und somit die Steuer reduziert werden. Ein Beispiel: Eine Bank, die an einer Baufirma zu 51 Prozent beteiligt ist, macht im Wirtschaftsjahr 100 Millionen Euro Gewinn, die Baufirma schreibt in diesem Jahr 100 Millionen Verlust. Die Bank kann 100 Millionen (nicht nur 51 Millionen) in Abzug bringen und bezahlt für dieses Jahr nur die sehr geringe Mindestkörperschaftsteuer. Regulär hätte die Bank 25 Millionen Euro zahlen müssen. Zusätzlich gibt es gewinnmindernde Sonderabschreibungen („Firmenwert-abschreibung“) auf diese Firmenbeteiligungen, sodass für diese Unternehmensgruppe für dieses Jahr steuerlich sogar ein Verlust geschrieben wird, der später als Verlustvortrag mit einem künftigen Gewinn verrechnet werden kann.
Weiters können auch Verluste von ausländischen Tochterfirmen – nicht aber deren Gewinne – anteilsmäßig gegen inländische Gewinne verrechnet werden. Hier ist für die Finanzverwaltung faktisch nicht kontrollierbar, ob diese Verluste einer Firma irgendwo auf der Welt – es gibt nicht einmal eine Beschränkung auf das Gebiet der EU – tatsächlich auch entstanden sind. Es ist Mißbrauch Tür und Tor geöffnet, auch wenn pro forma bei Entstehen von Gewinnen in späteren Jahren eine Rückverrechnung erfolgen muss. Von 2005 bis 2010 wurden ca. 2,6 Milliarden Euro (Rückverrechnungen abgezogen) Auslandsverluste bei den Finanzämtern geltend gemacht. Es kommt also zu hohen Steuerausfällen und zudem wird die Verlagerung von Betrieben und damit von Arbeitsplätzen ins Ausland gefördert.
Besonders großzügig bei Auslandsverlusten
Insgesamt gab es 2010 bereits 3.125 registrierte Unternehmensgruppen mit insgesamt 13.910 Mitgliedern (davon 1.639 ausländischen). Die Gruppenbesteuerung kostete nach offiziellen Angaben des Finanzministeriums im Jahr 2010 450 Millionen Euro an Steuerausfällen. Inzwischen hat auch der Rechnungshof die Großzügigkeit der österreichischen Regelung kritisiert und Probleme beim Gesetzesvollzug aufgezeigt (Rechnungshofbericht). Das großzügige System ist nicht durch EU-Recht vorgegeben. Gemäß dem EUGH müssen Verluste ausländischer Tochterfirmen nicht sofort bei der Muttergesellschaft berücksichtigt werden, sondern erst wenn sie sonst nicht mehr verwertet werden können (z. B. bei Liquidation). Neben Österreich haben nur Dänemark und Italien ein System, das auch die Verrechnung von Verlusten von Tochterfirmen außerhalb des EU/EWR-Raumes zuläßt. Obwohl das Risiko unrechtmäßiger Inanspruchnahme bei Auslandsverlusten besonders hoch ist, stellte der Rechnungshof schwere Mängel bei der Prüfung dieser Fälle fest.
Grundsätzlich kritisiert der Rechnungshof, dass unklar ist, welche Ziele mit Begünstigungen bei der Gewinnbesteuerung verfolgt werden, ob sie notwendig und angemessen sind und wie sie wirken. Hinsichtlich der Gruppenbesteuerung wird gerne mit Anreizen zur Ansiedlung von ausländischen Holdinggesellschaften argumentiert. Aber auch diesbezüglich konnte das Finanzministerium keine harten Fakten vorlegen.
Steuerprivileg Gewinnfreibetrag der Selbständigen
Mit dem Argument, dass die Selbständigen (Gewerbetreibende, freiberuflich Tätige, LandwirtInnen) gegenüber den ArbeitnehmerInnen benachteiligt seien, weil sie kein begünstigtes 13./14. Gehalt hätten, setzte die Wirtschaftskammer den Gewinnfreibetrag ab dem Jahr 2010 durch. (Tatsächlich wurde das begünstigte 13./14. Gehalt vor Jahrzehnten eingeführt, weil die LohnsteuerzahlerInnen im Gegensatz zu den Selbständigen kaum Möglichkeiten zur Minderung ihrer Steuer haben. Diese Sichtweise hat auch der Verfassungsgerichtshof vor einigen Jahren bestätigt.)
Der Gewinnfreibetrag beträgt 13 Prozent des Gewinnes, maximal 100.000 Euro (in den Jahren 2013 bis 2016 maximal 45.350 Euro). Bis zu einem Freibetrag von 3.900 Euro (= Gewinn 30.000 Euro; Steuerersparnis ca. 1.685 Euro) ist damit keine Durchführung von Investitionen verknüpft. Über dieser Grenze müssen zwar Investitionen gemacht werden, diese Verpflichtung ist allerdings auch mit der Anschaffung bestimmter Wertpapiere erfüllt. Es kann also von einer speziell geförderten privaten Altersvorsorge der Selbständigen gesprochen werden: wer ein steuerliches Einkommen über 60.000 Euro hat, erspart sich mit der Anschaffung von Wertpapieren 50 Prozent Steuer.
Der Gewinnfreibetrag und das zusätzlich mögliche Betriebsausgabenpauschale (6 bzw. 12 Prozent des Umsatzes, maximal 13.200 bzw. 26.400 Euro) fördern den von mancher Seite bejubelten „Trend zur Selbständigkeit“. Besser gesagt die Unsitte, Arbeitssuchenden anstelle eines normalen Arbeitsverhältnisses ein scheinselbständiges Rechtsverhältnis (Werkvertrag) aufzunötigen.
Der Gewinnfreibetrag belastet das Budget mit jährlich 450 Millionen Euro[1] zuzüglich der Ausfälle an Beitragseinnahmen in der gewerblichen Sozialversicherung in ähnlicher Höhe. Es gibt für ihn keine sachliche Begründung[2]. Er kann nur als Geschenk für eine bestimmte WählerInnen-Klientel angesehen werden. Dem Problem der Scheinselbständigkeit muss mittels eines neuen ArbeitnehmerInnenbegriffs (Anknüpfungspunkt „wirtschaftliche Abhängigkeit“ von einem/r einzigen AuftraggeberIn) begegnet werden und nicht durch Steuergeschenke an Selbständige. Hier sind die SpitzenverdienerInnen die großen NutznießerInnen und nicht Scheinselbständige oder andere Einpersonen-Unternehmen, die kaum ein Einkommen zum Leben haben.
Die sehr moderate Gewinnbesteuerung und die faktisch nicht vorhandene Vermögensbesteuerung in Österreich sind die Ursachen für die enorme Schieflage in der Besteuerung zwischen Arbeit und Kapital (Schieflage). Das kurzsichtige Setzen auf Standortwettbewerb – insbesondere der Absenkung des Satzes der Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent ab dem Jahr 2005 – hatte offensichtlich nicht die in der Propaganda angeführten Wirkungen. Auch Großkonzerne scheuen sich nicht, umfangreiche staatliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, sie sollen auch adäquate Finanzleistungen dafür erbringen. Im Regierungsprogramm vom Dezember 2013 ist vereinbart, die Gruppenbesteuerung und den Gewinnfreibetrag etwas einzuschränken.
[1] Inkl. Steuerausfälle durch Vorgängerregelungen (Freibetrag für investierte Gewinne, den es für die Jahre 2007 bis 2009 gab und begünstigt besteuerte nicht-entnommene Gewinne von 2004 bis 2006).
[2] Zusätzlich wurden die Selbständigen ab 2008 in die Mitarbeiter-Vorsorgekasse (Abfertigung neu) einbezogen (bei gleichzeitiger Absenkung des Beitragssatzes in der gewerblichen Krankenversicherung um 1,53 Prozentpunkte) und sie können sich seit 2009 freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichern lassen.