Finanz- und Schuldenkrise haben dazu geführt, dass OECD und EU die Steuervermeidungspraktiken der großen multinationalen Konzerne als ernstes Problem für die Finanzierung der Staatshaushalte wahrnehmen. Kein Wunder, nutzen viele große, internationale Konzerne doch jegliche Steuertricks um trotz Rekordgewinnen praktisch keine Steuern zahlen zu müssen. Wirklich lösen kann man diese Probleme nur durch eine grundlegende, länderübergreifende Reform bei der Besteuerung international tätiger Unternehmen. Lösungsansätze dafür kommen von OECD und EU-Kommission. Nach wie vor scheint es aber am politischen Willen zu fehlen.
Maßnahmen der EU gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung
„Etwa eine Billion Euro gehen in der EU Jahr für Jahr durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung verloren. Dies ist nicht nur ein skandalöser Verlust an dringend benötigten Einnahmen, sondern auch eine Gefahr für die Steuergerechtigkeit“, so die ungewöhnlich deutlichen Worte von Steuerkommissar Algirdas Semeta. Die Europäische Kommission hat Ende vergangenen Jahres eines Aktionsplanes für ein effektiveres Vorgehen der EU gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung vorgelegt. Daneben richtete die EU zwei Empfehlungen an ihre Mitgliedsstaaten. Die erste Empfehlung beschäftigt sich mit dem Umgang der EU und ihren Mitgliedstaaten mit Steueroasen und die zweite Empfehlung beinhaltet Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung. Diese beinhaltet Vorschläge wie sich die Mitgliedstaaten gegen die – zumeist durchaus legalen – Steuervermeidungsstrategien der international tätigen Konzerne schützen können. Finanz- und Schuldenkrise und die damit in Zusammenhang stehende angespannte Haushaltslage in den meisten EU-Staaten haben offensichtlich zumindest dazu geführt, dass die EU im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung doch endlich energischer vorgehen will. Spät aber doch scheint die Einsicht gekommen zu sein, dass einseitige Sparmaßnahmen nicht ausreichen um die Krise zu bewältigen und die schwächelnde Wirtschaft wieder flott zu bekommen. Um den Staaten Spielraum für konjunkturpolitische Maßnahmen zu schaffen und die Steuersystem so ausgestalten zu können, dass sie wachstums- und beschäftigungsfreundlich wirken und auch für Verteilungsgerechtigkeit sorgen ist es notwendig, dass den Mitgliedstaaten auch ausreichend Steuereinnahmen zufließen. Und das setzt voraus, dass auch die großen internationalen Konzerne angemessene Gewinnsteuern zahlen.
Warum zahlen die Konzerne so wenig Gewinnsteuern?
Die Globalisierung der letzten Jahrzehnte hat zu immer größeren weltweit tätigen Unternehmensgruppen geführt. Immaterielle Vermögensgegenstände spielen im Wirtschaftsleben eine immer größere Rolle und auch neue Entwicklungen wie etwa der Onlinehandel führen dazu, dass die Steuersysteme, deren Grundprinzipien zumeist zu Beginn des vorigen Jahrhunderts aufgestellt wurden, nicht mehr effektiv genug sind. Für die Gewinnbesteuerung bei Unternehmen gilt grundsätzlich, dass die Gewinne in den Ländern besteuert werden, in denen sie anfallen. Das ist sinnvoll und sollte zu einer gerechten Gewinnsteuerverteilung zwischen den betroffenen Staaten führen. Die OECD hat auch sogenannte Verrechnungspreisgrundsätze erlassen, die regeln sollen, wie Leistungsbeziehungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften zu bewerten sind um willkürliche Gewinnverlagerungen zu unterbinden. In der Praxis sind damit aber erhebliche Schwierigkeiten verbunden und aufgrund der komplexen Organisationsstrukturen ist es kaum mehr möglich, die Einhaltung dieser Regelungen zu überwachen. Für international agierende Unternehmen ist es problemlos möglich, die Gewinne dorthin zu verschieben, wo die Steuerbelastung gering ist, oder wo überhaupt keine Gewinnsteuern anfallen. Steueroasen spielen hier ebenfalls eine wichtige Rolle und praktisch keiner der Global Player hat nicht auch Niederlassungen in diesen Steueroasen. Konzerninterne Umsätze werden dann ohne realwirtschaftlichen Hintergrund über diese Steueroasen verrechnet, um dorthin Gewinne verlagern zu können, oder es werden Zahlungen für Lizenzgebühren und ähnliche Zahlungen für immaterielle Gegenstände, deren Angemessenheit faktisch nicht überprüft werden kann, an Konzerngesellschaften bezahlt, die in Niedrigsteuerländern oder Steueroasen ansässig sind.
Bei den Steuertricks sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt
Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt und internationale Beratungsunternehmen bieten maßgeschneiderte Lösungen an, die es ermöglichen, dass trotz realer Gewinne de facto keine Gewinnsteuern bezahlt werden müssen. Klingende Namen wie das „Double Irish Dutch Sandwich“ sorgen dafür dass die Steuern niedrig bleiben. Bei dieser Konstruktion werden Konzerngewinne grundsätzlich bei einer in Irland ansässigen Konzerngesellschaft verbucht. Lizenzzahlungen die an eine niederländische Konzerngesellschaft geleistet werden, sorgen dafür dass von diesem Gewinn in Irland nichts mehr bleibt. Das niederländische Unternehmen leistet dann wiederum Lizenzzahlungen an eine weitere irische Konzerngesellschaft, die in einer Steueroase ansässig ist und die dank spezieller Steuerbegünstigungen nicht mehr in Irland steuerpflichtig ist, sondern in der Steueroase in der sich der Firmensitz befindet. Das dort keine nennenswerten Gewinnsteuern anfallen liegt auf der Hand. Laut Medienberichten gelang es Google im Jahr 2011 mit einer solchen Konstruktion rund 1,5 Mrd. € an Gewinnsteuern zu sparen. So ist es auch wenig überraschend, dass große Konzerne wie etwa Starbucks, Amazon, Ikea, Apple oder Google praktisch keine Gewinnsteuern mehr zahlen. Spiegel Online berichtet beispielsweise, dass die Gewinnsteuerbelastung von Google bei lediglich 3,2% liegt, oder dass General Electric im Jahr 2011 trotz eines Konzerngewinnes von 14 Mrd. € durch Bilanztricks überhaupt keine Gewinnsteuern zahlen musste. In einem Standard Artikel vom 13. Februar 2013 wurde beschrieben, wie es möglich war, dass Starbucks in Großbritannien trotz eines Marktanteils von 30% in den vergangen 15 Jahren nur in einem Jahr keinen Bilanzverlust auswies. Höhe Lizenzgebühren an die niederländische Niederlassung und der teure Einkauf von Kaffeebohnen über die Schweizer Niederlassung in Kombination mit Gewinnverlagerungen in Länder in denen kaum Gewinnsteuern anfielen ermöglichten dies
Die Nationalstaaten haben den Kampf gegen die Steuertricks nicht entschlossen genug geführt.
Die Nationalstaaten haben den Kampf gegen diese Machenschaften in der Vergangenheit nicht mit der notwendigen Entschlossenheit geführt. Zum einen weil sie mit dieser Entwicklung schlichtweg überfordert waren, zum anderen aber sind sie für diese Entwicklung zu einem beträchtlichen Teil auch mitverantwortlich. In der EU gibt es zwar mittlerweile einen funktionierenden Binnenmarkt, weitreichende Harmonisierungsschritte bei der Unternehmensbesteuerung wurden bis jetzt allerdings noch nicht gesetzt. Ganz im Gegenteil haben die meisten EU-Staaten in den letzten Jahren unter dem Vorwand der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung ihre Körperschaftsteuersätze massiv gesenkt und die Europäische Union wurde so zum Wirtschaftsraum mit dem stärksten Steuerwettbewerb weltweit. Der durchschnittliche nominelle Körperschaftsteuersatz ist in den EU-Mitgliedstaaten zwischen 1995 und 2010 von 34,8% auf 23% gesunken. Dieser Prozess wurde durch die letzten Erweiterungsrunden der EU noch verstärkt, denn gerade in den neuen Mitgliedstaaten sind die Körperschaftsteuersätze besonders niedrig. Diese verfehlte Steuerpolitik nützt letztlich allerdings nur den großen Konzernen und deren Aktionären. Realwirtschaftlich wird damit weder Wachstum noch Beschäftigung gefördert. Gleichzeitig fehlen den Staaten jedoch die Einnahmen für die Sanierung der Staatshaushalte und dringend notwendige Steuerstrukturreformen.
Die Reaktionen von EU und OECD
Die immer aggressivere Steuerplanung der Konzerne und die Budgetprobleme der Staaten in Verbindung mit vermehrten Medienberichten (Offshoreleaks) haben zumindest dazu geführt, dass die politischen EntscheidungsträgerInnen und auch eine breitere Öffentlichkeit sensibilisiert wurde und das Problem erkannt haben. Die OECD hat im Februar 2013 auf die ungewohnt deutlich hingewiesen und angekündigt einen Aktionsplan zur Beseitigung dieser Missstände vorzubereiten. Ungewöhnlich deutlich waren auch die Worte von OECD Generalsekretär Angel Gurria der vor einem riesigen gesellschaftlichen Problem warnte und weiter ausführte: „Der Zorn über die ungerechte Lastenverteilung wächst. Das Vertrauen vieler BürgerInnen in die Institutionen zerbricht. Ich fürchte wenn wir nicht handeln, könnte es zu Ausschreitungen in den Innenstädten kommen“. Die OECD spart nicht mit Kritik an der Steuerpolitik ihrer Mitgliedstaaten, und ortet großen Handlungsbedarf, der wohl nur in einer gemeinsamen länderübergreifenden angestimmten Vorgehensweise bewältigt werden kann. Unabhängig von den Vorschlägen der OECD müssen jetzt aber auch in der EU endlich wirkungsvolle Maßnahmen getroffen werden. Nach langen Jahren der Diskussion hat die Kommission schließlich im März 2011 einen Richtlinienvorschlag für die Einführung einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (Common Consolidated Corporate Tax Base – CCCTB) präsentiert. Eine rasche Einigung – erschwert durch das in Steuerangelegenheiten erforderliche Einstimmigkeitsprinzip – ist allerdings nicht in Sicht. Insbesondere bei der Frage wie der Konzerngewinn auf die einzelnen Mitgliedstaaten verteilt werden soll, scheint derzeit noch für unüberwindbare Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten zu sorgen. Viele der Mitgliedstaaten haben den Ernst der Lage offenbar noch immer nicht erkannt, bzw. sind nach wie vor der irrigen Ansicht, die Probleme bei der Unternehmensbesteuerung durch einzelstaatliche Maßnahmen besser lösen zu können oder glauben immer noch durch Steuerwettbewerb mittels Präferenzregimen und niedrigen Steuersätzen einen Standortvorteil schaffen zu können.
Lösungen liegen auf dem Tisch, offenbar fehlt es aber am politischen Willen
Die Pläne von OECD und EU-Kommission lassen zumindest Platz für Optimismus. Eine rasche Umsetzung effektiver Maßnahmen ist allerdings nicht zu erwarten. Dabei sind die Probleme bekannt und Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch. Der politische Wille zu weitreichenden Änderungen fehlt aber offensichtlich noch immer. Sollen Steuersysteme wachstums- und beschäftigungsfördernd ausgestaltet sein, dann muss auch sichergestellt werden, dass die großen international agierenden Konzerne angemessene Gewinnsteuern zahlen. Die Mitgliedstaaten benötigen diese Einnahmen, und neben allgemeinen Gerechtigkeitsüberlegungen sorgt die derzeitige Situation auch für nicht zu rechtfertigende Wettbewerbsvorteile der großen Konzerne gegenüber kleineren lokal tätigen Unternehmen, die zu volkswirtschaftlich nicht erwünschten Verzerrungen führen. Eine langfristige Lösung dieser Probleme wird man letztendlich nur erreichen können, wenn man vom bisherigen System abgeht und nicht mehr die einzelnen Konzerngesellschaften in den einzelnen Ländern besteuert, sondern den gesamten Konzern als eine wirtschaftliche Einheit sieht und diesen der Gewinnbesteuerung unterwirft. Komplexe Strukturen und nicht nachvollziehbare konzerninterne Transaktionen mittels denen Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer und Steueroasen möglich werden, werden dann bedeutungslos und der tatsächliche Konzerngewinn wird der Gewinnsteuer unterworfen. Dieser muss dann mittels geeigneter Parameter auf die betroffenen Staaten verteilt werden.