„Die traurige Wahrheit ist aber, dass, wenn man keine Wahl hat, man nehmen muss, was man bekommt. Fast egal welche Zugeständnisse man machen muss, man sitzt auf dem kürzeren Ast“. Mit diesem Zitat wird das Ergebnis einer Umfrage zu den Erfahrungen von ArbeitnehmerInnen bei der Arbeitssuche sehr gut zusammengefasst. Diese Befragung wurde von der AK Wien im Herbst 2016 unter anderem über ihre Facebook-Seite durchgeführt. Auch wenn sie den Anspruch auf Repräsentativität nicht erheben kann: Sie zeichnet ein recht drastisches Sittenbild eines Arbeitsmarktes mit einem Überangebot an Arbeitsuchenden. Und zeigt: Auch Unternehmen müssen verpflichtet werden, Arbeitslosigkeit so gering wie möglich zu halten.
Die Befragung (Fragebogen mit neun vorgegebenen und einer offenen Frage) wurde in mehreren Medien der AK Wien (Newsletter für Mitglieder, Mitgliederzeitung „AK für Sie, Facebook-Seite der AK Wien) im Zeitraum Mitte Oktober bis Mitte November 2016 durchgeführt. Insgesamt haben 784 Personen aus ganz Österreich den Fragebogen beantwortet, davon 534 vollständig. Auffallend dabei ist, dass sich überproportional Frauen und Menschen mit höherem Bildungsabschluss (ab Matura) an der Befragung beteiligt haben. ArbeitnehmerInnen über 50 Jahren, gering Qualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund sind hingegen unterrepräsentiert.
Die Ergebnisse der Befragung kurz gefasst
Nur ein Drittel der Befragten haben angegeben, überhaupt Antworten auf ihre Bewerbungen von den Unternehmen erhalten zu haben. Knapp 20 Prozent der Befragten hatten die Chance, über die Höhe ihres Entgelts zu verhandeln – von diesen 20 Prozent hat nur knapp ein Sechstel tatsächlich mehr Entgelt wegen ihrer beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen herausholen können. In den meisten Kollektivverträgen ist die Anrechnung von Vordienstzeiten bei der Entgeltfestlegung vorgesehen – Vorschriften, die von vielen Arbeitgebern anscheinend nicht beachtet werden. Trotz allgemeiner Klage über den Mangel an Facharbeitskräften dürften gute Ausbildung und berufliche Erfahrung den Arbeitgebern dann doch nicht mehr wert sein:
Dass es offensichtlich Altersdiskriminierung bei der Stellensuche gibt, zeigt ein weiteres Ergebnis: 50% der Befragten gaben an, sie hätten den Eindruck gehabt, ihr Alter wäre für den potentiellen Arbeitgeber ein Problem gewesen. Dabei war nur ein Prozent der Befragten über 50 Jahre alt! In der aktuellen Diskussion um die sogenannte „Arbeitszeitflexibilisierung“ ist ein weiteres Ergebnis interessant: Nur 17 Prozent der Befragten konnten ihre persönliche und familiäre Situation beim Bewerbungsgespräch überhaupt ansprechen – mit offenem Ergebnis. Bei 56 Prozent der Befragten war nicht einmal das möglich.
Schadensminderungspflichten in der Arbeitslosenversicherung sind auch für Arbeitgeber notwendig
In der politischen Debatte, die immer wieder rund um die sogenannten „Zumutbarkeitsregeln“ der Arbeitslosenversicherung aufflammt, wird nur die Nachfrageseite auf dem Arbeitsmarkt in den Fokus genommen. Mit Verschärfungen dieser Bestimmungen, etwa Einschränkungen beim Entgelt- und Qualifikationsschutz oder bei den zumutbaren Wegzeiten oder gar der Beseitigung der Notstandshilfe, soll die Konzessionsbereitschaft von Arbeitsuchenden erhöht werden. Damit könne ein Beitrag zur Senkung der Arbeitslosigkeit geleistet werden. Interessanterweise bleibt dabei das Verhalten von Unternehmen bei der Suche nach neuen Beschäftigten völlig außer Betracht, obwohl dieses für die Transaktionen auf dem Arbeitsmarkt mindestens ebenso entscheidend ist.
Dabei gäbe es einige Ansätze, das Verhalten von Unternehmen in Richtung mehr Transparenz und Fairness zu beeinflussen
Diese Befragung bestätigt, was auch in den Fokusgruppen der AK Wien mit Arbeitsuchenden immer wieder Thema war: Arbeitsuchende bekommen häufig nicht einmal eine Antwort auf ihre Bewerbungen. Und sie leiden unter etwas, das man „mangelnde Transparenz“ auf dem Arbeitsmarkt nennen kann. Es werden sehr oft Stellen angeboten, ohne dass dahinter ein offener Arbeitsplatz stünde – es soll so ganz offensichtlich ein Austausch einer bereits beschäftigten Person vorbereitet oder ganz einfach ein eigener Personalpool aufgebaut werden. Auf derartige „Markt-Intransparenz“ haben einige EU-Mitgliedstaaten, darunter etwa Belgien, Finnland und Schweden reagiert: Dort gibt es eine gesetzlich verankerte Pflicht für Unternehmen, offene Stellen der öffentlichen Arbeitsmarktverwaltung zu melden. Ausgewogene „Schadensminderungspflichten“ zwischen ArbeitnehmerInnen und Arbeitgeberinnen/Arbeitgebern in der österreichischen Arbeitslosenversicherung würden daher eine Meldepflicht für offene Stellen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vorsehen.
Außerdem sollte eine Lösung für das „doppelte oder mehrfache Suchen“ nach neuen Arbeitskräften gefunden werden, das daraus resultiert, dass Unternehmen mehrere Suchkanäle nutzen und auch Arbeitskräfte-Überlassungsunternehmen in ihr Recruiting einbinden: Unternehmen XY inseriert einen Arbeitsplatz bzw. beauftragt das AMS mit der Suche, wobei gleichzeitig ein/eine vom Unternehmen engagierte ArbeitskräfteüberlasserIn dasselbe tut. Im Ergebnis werden häufig mehrere offene Stellen auf dem Arbeitsmarkt angeboten, obwohl dahinter nur ein einziger Arbeitsplatz steht.
Sowohl aus den Antworten zu den vorgegebenen Fragen, vielmehr aber noch aus denen zur offenen Frage „Gab es bei Ihrer Arbeitsuche Erlebnisse, die Sie überhaupt nicht in Ordnung und unzumutbar fanden? Bitte skizzieren Sie kurz, was passiert ist“ geht eines eindeutig hervor: Es gibt massive Benachteiligungen bei Bewerbungen um offene Stellen: Das Geschlecht, das Alter und die Herkunft sind die Hauptursachen für Benachteiligungen. Eine Vormerkung beim AMS oder gar eine längere Arbeitslosigkeit tut ihr Übriges.
Um dem entgegen zu wirken, wären mehrere Ansätze notwendig: Die Anonymisierung von Bewerbungen wäre ein erster wichtiger Schritt. Überdies sollten spürbare finanzielle Sanktionen für Unternehmen bei einem Missbrauch der Arbeitslosenversicherung als „Personal-Bereithaltungspool“ geschaffen werden. Mehr als ein Drittel der Arbeitslosen beginnt wieder bei dem/der vorherigen ArbeitgeberIn zu arbeiten. Nach wie vor funktioniert das Geschäftsmodell vieler ArbeitskräfteüberlasserInnen nur mit dem Kalkül, die Kosten für sogenannte „überlassungsfreie Zeiten“ an die Arbeitslosenversicherung auszulagern.
Mehr Informationen zur aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt, gibt es in der aktuellen Ausgabe von „Arbeitsmarkt im Fokus“.