Zwischen autochthonen Österreicher:innen und Personen mit Migrationshintergrund gibt es eine große Vermögenslücke. Letztere besitzen im Mittel nur rund 16.000 Euro und damit um ca. 43.000 Euro weniger als autochthone Österreicher:innen. Der Migrant Wealth Gap ist aber für in Österreich Geborene (zweite Generation) deutlich niedriger als für im Ausland Geborene. Unterschiede bei den erhaltenen Erbschaften können einen Teil der Vermögenslücke erklären, der große unerklärte Teil könnte aber auch auf eine Diskriminierung beim Vermögensaufbau hindeuten.
Vermögen ist in Österreich in der gesamten Bevölkerung äußerst ungleich verteilt. Aber auch zwischen verschiedenen Gruppen gibt es große Unterschiede. Frauen besitzen beispielsweise weniger Vermögen als Männer, jüngere weniger als ältere und Personen mit niedrigerer Bildung weniger als jene mit höherer Bildung. Unsere Studie zeigt nun erstmals, dass es auch zwischen sogenannten „autochthonen“ Österreicher:innen, die keinen Migrationshintergrund haben, und jenen mit Migrationshintergrund teils große (Netto-)Vermögensunterschiede gibt. Diese Vermögenslücke ist für Migrant:innen erster Generation (im Ausland geboren) allerdings viel größer als für jene zweiter Generation (mindestens ein Elternteil im Ausland geboren). Das deutet darauf hin, dass es eine Art Aufholeffekt gibt und sich die Vermögenslücke mit der Zeit schließt.
Warum ist die Untersuchung des Migrant Wealth Gaps überhaupt wichtig?
Vermögen ist neben Einkommen und Beschäftigung ein wichtiger Indikator der (ökonomischen) Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, da es viele wichtige Funktionen erfüllt. Es dient vorrangig zur Absicherung in Form eines „Notgroschens“ für unerwartete Ausgaben oder in Lebensphasen abseits der Lohnarbeit. Immobilienvermögen kann direkt als Eigenheim genutzt werden, wodurch Mietzahlungen wegfallen. Für die überwiegende Mehrheit nicht von großer Bedeutung ist die Funktion der Einkommenserzielung (z. B. Zinsen, Dividenden), der Weitergabe (Vererbung oder Schenkung) und der Machtausübung (z. B. Einflussnahme durch Spenden). Die Frage, wie viel Vermögen Menschen mit Migrationshintergrund haben und ob sie sich in Österreich etwas aufbauen können und wodurch etwaige Vermögensunterschiede entstehen könnten, ist daher höchst relevant – zumal Österreich ein Land mit langer Tradition und Abhängigkeit von Einwanderung ist (aktuell hat rund ein Viertel der Bevölkerung Migrationshintergrund).
Der Migrant Wealth Gap ist bei Migrant:innen der ersten Generation am größten
Im unteren Bereich der Vermögensverteilung, also dort, wo die Grenze zum ärmsten Zehntel bzw. zum ärmsten Viertel der Personen zu finden ist, ist der Vermögensunterschied zwischen Österreicher:innen und Migrant:innen sehr klein. Das liegt vor allem daran, dass hier bei beiden Gruppen kaum Vermögen vorhanden ist. Migrant:innen der ersten Generation besitzen in diesem Bereich um knapp 2.000 Euro bzw. 9.000 Euro weniger, bei jenen der zweiten Generation sind es rund 1.000 Euro bzw. 5.000 Euro. In der Mitte der Vermögensverteilung ist die Lücke zu den Österreicher:innen und Migrant:innen der ersten Generation mit ca. 49.000 Euro rund doppelt so hoch wie bei der zweiten Generation mit rund 26.000 Euro. Im oberen Bereich der Vermögensverteilung – dort, wo das reichste Viertel bzw. das reichste Zehntel beginnt – besitzen autochthone Österreicher:innen schon um 117.000 Euro bzw. um 138.000 Euro mehr als Migrant:innen der ersten Generation. Bei Migrant:innen der zweiten Generation bleibt die Vermögenslücke bei der Grenze zum reichsten Viertel relativ konstant bei etwa 28.000 Euro und schließt sich ganz oben sogar wieder: Hier besitzen Migrant:innen zweiter Generation rund 3.000 Euro mehr als autochthone Österreicher:innen.