Durch den als „Offshore-Leaks“ bekannt gewordenen Schlag internationaler Qualitätsmedien gegen organisierten Steuerbetrug hat das Thema „Steuerhinterziehung“ weltweit breite Aufmerksamkeit erlangt. Während die mediale Berichterstattung wieder allmählich verstummt, werden Schattenfinanzzentren (wie „Steueroasen“ korrekter Weise genannt werden sollten ) jedoch ungehindert weiter genutzt, um nationale gesetzliche Verpflichtungen zu unterlaufen. Den öffentlichen Haushalten werden so dringend nötige finanzielle Mittel entzogen bzw. vorenthalten. Die Lücken müssen von den ehrlichen Steuerzahlern/-innen gedeckt werden, ob durch höhere Beiträge oder durch weniger Leistungen aus öffentlicher Hand.
„Steueroase“, was ist das? Steueroasen ermöglichen es Reichen und großen Konzernen, ihre Geschäfte zu verschleiern und so Steuern zu hinterziehen. Kennzeichnend für Steueroasen sind eine sehr niedrige oder gar keine Einkommens-, Gewinn- und Vermögensbesteuerung, Verschleierungsmöglichkeiten durch besondere Rechtskonstruktionen wie Stiftungen, Trusts oder ein umfassendes Bankgeheimnis, eine gut ausgeprägte Beratungsindustrie, sehr einfache Möglichkeiten der Firmengründung, die Briefkastenfirmen begünstigen und eine lückenhafte und ungenügende Finanzmarktregulierung.
Ein guter Hinweis dafür, dass es sich bei einem Land um eine Steueroase handelt, ist zudem, wenn es mehr Unternehmen als Einwohner/-innen hat. So haben beispielsweise die britischen Jungferninseln 24mal so viele Unternehmen wie Einwohner/-innen. In Österreich kommen im Gegensatz dazu auf ein Unternehmen ca. 100 Einwohner/-innen.
Das Netzwerk für Steuergerechtigkeit („tax justice network “), eine NGO, die sich dem weltweiten Kampf gegen Steueroasen verschrieben hat, zählt bereits etwa 80 Staaten zu den weltweiten Steueroasen. Die Organisation veröffentlicht regelmäßig den „Schattenfinanzindex “ – eine Liste der intransparentesten Finanzplätze. Die Liste zeigt, dass nicht nur exotische Kleinststaaten in der Karibik Steueroasen sind – wie der Name suggeriert – sondern, dass sich vor allem auch europäische Länder und Territorien in Industriestaaten durch besondere, lockere Regelungen in Steuer-, Bank-, und Gesellschaftsrecht auszeichnen.
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Österreich im Steuerwettbewerb Auch Österreich ist unter den Top 20 Ländern im Schattenfinanzindex. Seinen hohen Rang „verdankt“ Österreich vor allem seinem Bankgeheimnis und den guten Verschleierungsmöglichkeiten durch Stiftungskonstruktionen. Nur weil der Index auch die Größe des grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungsmarktes (der in Österreich verglichen mit anderen Staaten eher klein ist) mitberücksichtigt, findet sich Österreich nicht noch weiter oben im Ranking.
Österreich spielt im Kampf gegen Steueroasen international seit Jahren eine negative Rolle und blockiert sinnvolle Reformen. Das beste Beispiel hierfür ist die (noch bis vergangene Woche vehement vertretene) Position Österreichs in Bezug auf die EU-Zinsrichtlinie. Die Zinsrichtlinie wurde von der EU geschaffen, um den automatischen Informationsaustausch ihrer Mitgliedstaaten über ausländische Spareinlagen der eigenen Staatsbürger/-innen zu fördern. Hierdurch können die jeweiligen Finanzbehörden die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens von Kapitalbeständen und deren Besteuerung überprüfen und die Zinseinkünfte aus diesem Kapital der regulären Besteuerung unterwerfen. Österreich hat eine Sonderstellung in dieser Vereinbarung. Die österreichische Finanz stellt den anderen Mitgliedsländern eben diese Informationen nicht zur Verfügung, sondern führt lediglich eine Quellensteuer von Zinserträgen ausländischer Bankeinlagen an die jeweiligen Finanzbehörden ab, ohne diesen irgendwelche Informationen über die Konteninhaber zukommen zu lassen. Im Gegenzug entgehen natürlich auch Österreich wertvolle Informationen über Personen, die den österreichischen Fiskus umgehen.
Zudem hat Österreich die geplante Erweiterung der bestehenden Zinsrichtlinie sehr lange Zeit blockiert. In der derzeitigen Form bietet die Richtlinie noch viele Schlupflöcher für „Steueroptimierer“, denn sie beschränkt sich auf Zinseinkünfte und natürliche Personen, während andere Kapitaleinkünfte, wie beispielsweise aus Dividenden oder Kursgewinnen, oder Einkünfte von Kapitalgesellschaften und Stiftungen unberührt bleiben. Ein Stopfen dieser Löcher wusste Österreich für viele Jahre zu verhindern. Erst vergangene Woche hat Österreich auf EU-Ebene der Ausweitung der EU-Zinsrichtlinie zugestimmt.
Auf Ebene der OECD wurde Österreich, wegen seiner Weigerung gegenüber einem steuerlich relevanten Informationsaustausch mit anderen Staaten, bereits vor Jahren massiv gerügt und auf eine graue Liste internationaler Steueroasen gesetzt. Daraufhin hat sich Österreich 2009 zur Umsetzung des OECD-Standards in Doppelbesteuerungsabkommen (OECD Musterabkommen) verpflichtet, um von der Liste genommen zu werden. Seither gibt es bereits einen Unterschied in der Handhabung des österreichischen Bankgeheimnisses für Steuerinländer und Steuerausländer. Für Steuerinländer gilt das Bankgeheimnis immer noch in vollem Umfang. Das heißt es muss ein Strafverfahren eingeleitet sein, um das Bankgeheimnis behördlich durchbrechen zu können. Für Steuerausländer reichen seither ein begründeter Verdacht und ein gegebener Anhaltpunkt dafür, dass eine Person ein Konto in Österreich hat. Experten/-innen verweisen jedoch darauf, dass der effektive Unterschied zwischen den beiden Handhabungen marginal sei. Auch jene für Steuerausländer ist weit von einem effektiven Informationsaustausch entfernt. Mit 2017 dürfte das Bankgeheimnis für Ausländer jedoch durch die jüngste Zustimmung Österreichs gänzlich fallen.
Doch wem nützt das Bankgeheimnis? Sicher nicht der breiten Masse. Gegenüber Drittpersonen (Arbeitgeber/-in, Verwandte, neugierige Nachbar/-innen) würde es immer unverändert bestehen bleiben. Es geht nicht darum umfassende Transparenz in die Bankgeschäfte aller Staatsbürger/-innen zu bringen. Es geht darum, dass die Rechtmäßigkeit im Zustandekommen und in der Besteuerung von Kapitalbeständen von der zuständigen Steuerbehörde überprüft werden kann. Für den „kleinen Sparer“ ergibt sich wenig Neues, denn Arbeitseinkommen werden bereits jetzt vollständig und automatisch steuerlich erfasst.
Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten Die Möglichkeiten für die Reichen und multinationale Unternehmen sind vielfältig, wenn es darum geht internationale Konstruktionen lukrativ einzusetzen. Grundsätzlich lassen sich drei Formen, wie Steueroasen zum Minimieren der Steuern genutzt werden, unterscheiden:
Steueroasen ziehen Spitzenverdiener/-innen unter den Konzernherren (der reichste Schweizer ist der IKEA-Boss Ingvar Kamprad), Sportler/-innen usw. an, die durch die Verlegung des Wohnsitzes in eine klassische Steueroase der Einkommensteuer von ihrem laufenden Millioneneinkommen als Manager, aus Werbeverträgen, Lizenzverträgen etc. entgehen können. Es ist fraglich, ob die Finanzbehörden tatsächlich überprüfen, wo sich diese Leute tatsächlich überwiegend aufhalten; in der Steueroase oder im Herkunftsland. Auch Österreich bietet zuziehenden Millionären/-innen Vorteile an, indem ausländisches Einkommen begünstigt besteuert wird („Zuzugsbegünstigung“). Für Vermögende mit hohen Kapitaleinkommen ist nicht einmal eine Wohnsitzverlegung notwendig. Sie können ihr Geldvermögen in eine Steueroase transferieren (sei es im Koffer oder mit Hilfe der Banken) und in der Folge die Besteuerung von Kapitalerträgen und Spekulationsgewinnen vermeiden. Durch die Geheimhaltung und komplexe Rechtskonstruktionen kann ausgeschlossen werden, dass die Finanzbehörden des Herkunftslandes davon erfahren. Noch wichtiger als die Hinterziehung der Kapitalertragsbesteuerung ist aber die Möglichkeit, die Herkunft des Geldes aus verbotenen Geschäften (Drogen- und Menschenhandel, Korruption, usw.) oder schlichter Steuerhinterziehung durch Schwarzgeschäfte zu verschleiern. Schließlich können international tätige Konzerne ihre Geschäfte weitgehend über Briefkastenfirmen in Steueroasen abwickeln. So leiten sie ihre buchhalterischen Gewinne in Länder um, in denen sie weniger bis gar keine Gewinnsteuern bezahlen müssen. Weltweit erfolgen bereits zwei Drittel des grenzüberschreitenden Handels innerhalb von multinationalen Konzernen (siehe auch Saringer ). Das Ausmaß des Problems Mehr als die Hälfte des Welthandels fließt – zumindest auf dem Papier – durch Steueroasen. Über das Volumen des hinterzogenen Kapitals gab es jedoch lange Zeit nur vage Schätzungen. Henry James, der frühere Chefökonom des Unternehmensberatungskonzerns McKinsey, hat 2012 erstmals eine belastbare Berechnung vorgelegt, der zufolge bis zu 32 Billionen Dollar (das sind ca. 26.230.000.000.000 Euro) Finanzvermögen weltweit in Steueroasen versteckt sein sollen. Dadurch dürften den Heimatstaaten der Steuerhinterzieher/-innen jährlich bis zu 280 Milliarden Euro an Steuereinnahmen entgehen; gigantische Summen!
Ökonomen/-innen der Schweizer Bank Crédit Suisse beschäftigten sich erst kürzlich speziell mit Vorteilen, die Großkonzerne im OECD-Raum für sich durch Nutzung von Schlupflöchern generieren. Die Ökonomen/-innen lenken hierfür die Aufmerksamkeit auf den Unterschied zwischen den tatsächlich bezahlten Steuern und den gesetzlich vorgeschriebenen Steuersätzen. Pro Jahr ergibt sich allein für die betrachteten 390 Großkonzerne der OECD eine Differenz von mehr als 75 Mrd. Euro.
Die Leidtragenden Die Leidtragenden dieses verwerflichen Systems sind die steuerzahlenden Arbeitnehmer/-innen, Klein- und Mittelunternehmen und Konsument/-innen, die den Steuerausfall kompensieren müssen oder von staatlichen Ausgabenkürzungen überproportional betroffen sind. Entscheidend ist: In Steueroasen wird keine Wertschöpfung durch die Produktion von Gütern geschaffen. Mit ihrer Hilfe kann jedoch Wertschöpfung am Fiskus der Länder, wo sie erzeugt wird, vorbei geschleust werden. Dabei profitieren sowohl internationale Konzerne als auch Vermögende von der Infrastruktur der Länder, denen sie ihren Steuerbeitrag vorenthalten – ein Geschäft ohne Gegenleistung.
Ebenfalls höchst problematisch ist, dass auch die Stabilität der Finanzmärkte durch die Intransparenz der Steueroasen gefährdet wird und so die Entstehung von Finanzkrisen begünstigt wird. Oasen ermöglichen es den Finanzflüssen, sich den Regulierungen zu entziehen, denn die globale Überwachung des Finanzmarkts wird verunmöglicht: ideale Bedingungen für das Entstehen von Krisen!
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