Datenquellen: Volkszählung 2001 bzw. Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2011 und 2012 (jeweils Durchschnitt der beiden Jahreswerte). *Anteile der Berufshauptgruppen an der Gesamtzahl der Erwerbspersonen (ohne geringfügig Beschäftigte) am Arbeitsort Wien. © A&W Blog
Datenquellen: Volkszählung 2001 bzw. Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2011 und 2012 (jeweils Durchschnitt der beiden Jahreswerte). *Anteile der Berufshauptgruppen an der Gesamtzahl der Erwerbspersonen (ohne geringfügig Beschäftigte) am Arbeitsort Wien.Getragen wurde die Beschäftigungsdynamik in diesem Berufssegment vorwiegend von der Entwicklung im Bereich der Akademischen Berufe (Hochschulniveau): Die betreffende Erwerbspersonenzahl verdoppelte sich während des Beobachtungszeitraums nahezu, und ihr Anteil stieg von 15% auf 23%. Dieser sehr starke Wandel der Berufsstruktur der Beschäftigung in Richtung auf die am höchsten qualifizierten Angestelltenberufe ist als eindeutiger Beleg für den Strukturwandel der Wiener Wirtschaft zugunsten von wissens- und humankapitalintensiven Aktivitäten zu werten.
Auch die Zahl der Technischen und nichttechnischen Fachkräfte nahm weiterhin zu, nämlich um rund 10.000. Die starke Dynamik der Nachfrage nach hoch qualifizierten Angestellten in Akademischen Berufen ist nicht die Folge von Verdrängungseffekten gegenüber den Fachkräften. Auch auf Branchenebene lassen sich so gut wie keine Hinweise auf derartige Substitutionseffekte finden.
Mittel qualifizierte Berufe: divergierende Entwicklungen
Neben dem sehr ausgeprägten Strukturwandel zugunsten der Akademischen Berufe sind im Bereich der Angestelltenberufe zwei weitere Haupttendenzen auszumachen, nämlich im Bereich mittlerer Qualifikation (Lehr-, BMS-Abschluss): eine Verschiebung zugunsten der Personenbezogenen Dienstleistungsberufe und der Verkaufsberufe mit jeweils überwiegend interaktiven Tätigkeiten und eine Verlagerung zulasten der Bürokräfte, deren kognitive Routinetätigkeiten verstärkt der Standardisierung und Automatisierung unterlagen.
Entsprechend der in Wien schon sehr weit fortgeschrittenen Deindustrialisierung verringerten sich auch der Beschäftigungsanteil der mittel qualifizierten Fertigungsberufe und jener der Hilfskräfte, wobei sich die Zahl der Ersteren kaum änderte, jene der Letzteren aber signifikant fiel.
Branchenstrukturwandel
Änderungen der berufsbezogenen Qualifikationsstruktur der Beschäftigung ergeben sich zum einen aus dem Strukturwandel zwischen Branchen, zum anderen aus dem brancheninternen Berufsstrukturwandel.
Die Analyse des Branchenstrukturwandels innerhalb des Wiener Dienstleistungssektors, auf den rund 83% der Berufstätigen entfallen, bringt eine eindeutige Gesamttendenz zutage: Während Dienstleistungsbranchen mit sehr hoher bis mittlerer Qualifikation der Beschäftigten insgesamt Anteile an der Gesamtheit der Berufstätigen am Arbeitsort Wien gewannen, verloren Branchen mit mittelniedriger bzw. niedriger Qualifikation der Arbeitskräfte insgesamt deutlich an Gewicht. In Wien fand somit in den 2000er-Jahren eine signifikante Verschiebung der Branchenstruktur der Beschäftigung in Richtung auf wissens- und humankapitalintensive Marktdienstleistungen statt und auf ebensolche öffentliche Dienstleistungen (Bildungswesen, Gesundheitswesen etc.), welche für die Bewältigung der wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Herausforderungen von entscheidender Bedeutung sind. Diese Branchenstruktureffekte trugen positiv zum festgestellten Wandel der Berufsstruktur der Beschäftigung zugunsten von hoch qualifizierten Angestelltenberufen bei.
Brancheninterner Beschäftigungsstrukturwandel
Der Anteil der Berufstätigen in Akademischen Berufen stieg am Arbeitsort Wien in 19 von 21 tertiären Wirtschaftsklassen. Somit ist erwiesen, dass sich auch der brancheninterne Berufsstrukturwandel zugunsten der Verschiebung der Berufsstruktur der Beschäftigung in Richtung auf die am höchsten qualifizierten Angestelltenberufe auswirkte. Gleiches gilt bezüglich des Anteilszuwachses der interaktiven Angestelltenberufe mittlerer Qualifikation.
Die „Routinisierungshypothese“ bezüglich der Auswirkungen des tätigkeits- und qualifikationsverzerrten technischen Fortschritts bietet einen Erklärungsansatz für die in Wien festgestellten Beschäftigungsstrukturverschiebungen. Demnach erhöht sich der Anteil der Arbeitsinputs v.a. für analytische, aber auch für interaktive und manuelle Nichtroutinetätigkeiten, während jener für kognitive und manuelle Routinetätigkeiten sinkt, weil diese in zunehmendem Maße von Rechnern und rechnergesteuerten Maschinen ausgeführt werden.
Branchen- und Berufseffekte
Führt man eine Komponentenzerlegung der Änderungen der Beschäftigung am Arbeitsort Wien für das Merkmal Branche auf der Ebene der Wirtschaftsabteilungen und für das Merkmal Beruf auf der Ebene der Berufshauptgruppen durch, so ergibt sich, dass jeweils etwa die Hälfte aller Beschäftigungsänderungen auf die Brancheneffekte bzw. auf die Berufseffekte zurückging.
Die am höchsten qualifizierten Angestelltenberufe (d.h. die Akademischen Berufe) und die interaktiven Angestelltenberufe mittlerer Qualifikation (also die Personenbe-zogenen Dienstleistungs- und die Verkaufsberufe) waren die einzigen Hauptgruppen, die sowohl von der Verschiebung der Berufsstrukturen innerhalb der Branchen begünstigt waren als auch von der überdurchschnittlichen Expansion jener Branchen, in denen die betreffenden Dienstleistungsberufe besonders stark vertreten waren (z.B. Akademische Berufe im Unterrichtswesen oder in den Unternehmensbezogenen Dienstleistungen; Personenbezogene Dienstleistungsberufe im Gesundheits- und Sozialwesen). Die Akademischen Berufe sind als „Wachstumsberufe“ zu klassifizieren, also als solche, die in allen oder in der Mehrzahl der Branchen Anteilsgewinne aufweisen.
Resümee
Der Wandel der Berufsstruktur der Beschäftigung in Wien zwischen 2001 und 2012 ist nicht durch Polarisierung, d.h. Anteilszuwächse von hoch und von gering qualifizierten Berufsgruppen, gekennzeichnet, sondern durch Aufwertung, d.h. zunehmende Anteile von hoch qualifizierten Angestelltenberufen und von überwiegend interaktiven Angestelltenberufen mittlerer Qualifikation sowie abnehmende Anteile von Bürokräften, Fertigungsberufen und Hilfskräften.
Da davon auszugehen ist, dass sich die Arbeitskräftenachfrage weiterhin zugunsten von hoch qualifizierten und bestimmten mittel qualifizierten Angestelltenberufen verschieben wird, werden erhöhte Bildungsinvestitionen sowohl von Seiten des Staates (z.B. im Bereich der Kindergärten und Vorschulen; für Zweitlehrkräfte in Unterstufenklassen; zur Sicherstellung der Qualität der Hochschulausbildungen etc.) als auch von Seiten der Unternehmen (z.B. Weiterbildungsmaßnahmen für gering Qualifizierte; Lehrstellen für expandierende Dienstleistungsberufe usf.) notwendig sein. Der Bildungspolitik obliegt zudem die Aufgabe, durch geeignete institutionelle Maßnahmen u.a. die Durchlässigkeit des Schulsystems zu erhöhen.