In Wien gibt es für Bewohner:innen eine Vielzahl an Möglichkeiten, um in der Stadt und in den Bezirken mitzureden, von Wahlen über Petitionen bis zu Mitmach-Budgets in den Bezirken. Allerdings: Der Status Quo mahnt zum Handeln. Während die Bevölkerung der Stadt wächst, sinkt der Anteil der Wahlberechtigten sowie die Wahlbeteiligung an sich. Die Entwicklung zur Zweidrittel-Demokratie muss aufgehalten werden. Eine aktuelle Studie zeigt: Gerade Menschen mit geringen Einkommen beteiligen sich weniger am Stadtgeschehen. Sie fühlen sich oft kaum angesprochen von den Mitsprache-Angeboten. Die Studie spiegelt einen Trend wider, der in vielen Städten zu beobachten ist: Zu viele Menschen wenden sich von der demokratischen Beteiligung ab.
Wien ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen und ist Österreichs jüngstes Bundesland. Gleichzeitig lässt sich ein internationaler Trend unter Metropolen auch in der Bundeshauptstadt beobachten: Eine sinkende Wahlbeteiligung und zugleich ein sinkender Anteil an Wahlberechtigten führen zur Tendenz einer Zweidrittel-Demokratie. Konkret ist Wien im Zeitraum zwischen 2010 und 2020 zwar um rund 220.000 Menschen gewachsen, gleichzeitig gehen immer weniger Wiener:innen zur Wahlurne und die Zahl der Wahlberechtigten hat sich im gleichen Zeitraum um 11.500 Personen verringert. Das hat zur Folge, dass eine Vielzahl an jungen Wiener:innen, sowie aktuell sechs Prozent der öffentlich Bediensteten, 26 % der Angestellten und 60 % der Wiener Arbeiter:innen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.
Es zeigt sich: Das unterste Drittel der Gesellschaft ist durch Ausschlüsse entlang von Einkommen, Bildung und Nationalität zunehmend politisch unterrepräsentiert. Zu viele Menschen wenden sich von der demokratischen Beteiligung ab oder kommen erst gar nicht an.
Neue Studie: Demokratie in Wien
Die Studie „Mehr Zusammenbringen“ von den Autorinnen Tamara Ehs und Martina Zandonella ermittelte eine Vielzahl an Beteiligungsmöglichkeiten für Wien. Ob im Grätzl, im Bezirk, im Betrieb oder in der Stadt: Demokratie lebt von der vielfältigen Beteiligung und der Begeisterung jener, die sich politisch einbringen, mitreden und gestalten wollen. Für diese Begeisterung braucht es jedoch auch das Wissen: „Ich kann etwas ändern!“ Der erste Teil der Studie ermittelte daher anhand einer Literaturrecherche und Expert:inneninterviews mit Partizipationsverantwortlichen auf Stadt- und Bezirksebene grundsätzliche Unterschiede der Angebote in ihrer rechtlichen Verbindlichkeit. Im zweiten Teil der Studie wurden innerhalb einer repräsentativen Befragung 1.200 Wiener:innen in Deutsch, Türkisch, Englisch und BKS zur Teilnahme an demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten in Wien befragt.
Zufriedenheit mit dem politischen System
Die Frage nach der Zufriedenheit mit dem politischen System wird von knapp der Hälfte der Wiener:innen mit „sehr“ oder „ziemlich“ gut beantwortet. Es zeigt sich aber: Höhere Einkommens- und Bildungsgruppen sind mit dem politischen System in Wien zufriedener. Im unteren Einkommensdrittel liegt die Zustimmung nur bei knapp einem Drittel. Die Staatsbürgerschaft hat auf die Beantwortung der Frage keinen Einfluss: Die Zufriedenheit mit dem politischen System nimmt mit der Dauer des Aufenthalts in der Stadt ab; die Zufriedenheit mit dem politischen System ist bei jenen am höchsten, die in den vergangenen fünf Jahren nach Wien gekommen sind. Diese Tendenz lässt sich unter anderem mit der Einschätzung der politischen Wirksamkeit erklären. Erleben die Wiener:innen durch ihre politische Mitsprachemöglichkeiten wenig Wirkung, steigt auch die Frustration mit dem politischen System allgemein.