Kinderarmut ist auch in wohlhabenden Ländern wie Österreich eine bittere Tatsache. Die Ausgaben, die zu ihrer Bekämpfung notwendig wären, relativieren sich in Anbetracht ihrer hohen Folgekosten, die in Österreich laut Berechnungen der OECD jährlich 3,6 Prozent des BIP (derzeit rund 18 Mrd. Euro) ausmachen. Geringe Aufstiegschancen für Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen und Hürden im Bildungsbereich treiben die Kosten nach oben. Das sind die Ergebnisse einer Studie der OECD, die das Thema Kinderarmut von der Kostenfrage aus betrachtet und dazu Antworten liefert, die es in dieser Form bislang für Österreich nicht gab. Sie reiht sich in die jüngsten Forschungsaktivitäten des Sozialministeriums in Sachen Kinderarmut ein und wurde vergangenen November von Bundesminister Johannes Rauch und dem stellvertretenden Generalsekretär der OECD, Yóshiki Takeúchi, in Wien vorgestellt; Zitat: „You lose a lot of money here!“
Kinderarmut als wachsende Herausforderung
Kinder sind häufiger armutsgefährdet als die österreichische Gesamtbevölkerung. In Österreich leben 19,6 % der Kinder (0 bis 17 Jahre) in Haushalten mit niedrigem Einkommen – in der Gesamtbevölkerung sind es 14,9 %. Die hohe Kinderarmut ist ein neueres Phänomen, das seinen Ausgang in der Finanzkrise nahm. Von 2007 auf 2008 ist der Anteil der Kinder, die in armutsgefährdeten Haushalten leben, sprunghaft von 14,8 % auf 18,1 % angestiegen und seitdem auf einem hohen Niveau geblieben (2021: 19,9 %, 2022: 19,2 %, 2023: 19,6 %). Die Folgen von Kinderarmut sind gravierend. Oft fehlt das Geld für Freizeitgestaltung und soziale Teilhabe, armutsgefährdete Kinder fallen häufiger in der Schule zurück und zuletzt nahmen auch gesundheitliche Auswirkungen zu: 2022 war fast jedes dritte Kind (29,2 %) aus sozioökonomisch schlechter gestellten Haushalten von Adipositas oder Übergewicht betroffen, 2018 waren es noch 21,0 %.
Kosten der Kinderarmut trotz guter Voraussetzungen überdurchschnittlich
Kinderarmut geht mit erheblichen individuellen und gesamtgesellschaftlichen Folgen einher. Die Studie der OECD quantifiziert die Nachteile bei Arbeitsmarktergebnissen und gesunden Lebensjahren von Erwachsenen, die sozioökonomische Benachteiligung in ihrer Kindheit erfahren haben.
Schlechtere Arbeitsmarktergebnisse infolge von Kinderarmut ziehen demnach jährliche Einkommensverluste in Höhe von 1,6 % des BIP nach sich. Umgerechnet auf das prognostizierte BIP für 2024 sind das 8 Mrd. Euro. In Österreich gehen diese Einbußen fast vollständig auf niedrigere Löhne und Gehälter zurück. Auf das spätere Beschäftigungsausmaß hingegen hat die soziale Herkunft in Österreich offenbar wenig Einfluss. Armutsgefährdete Kinder arbeiten zwar später einmal gleich viel wie reichere, verdienen dabei aber weniger.
Kinderarmut führt auch zu gesundheitlichen Einbußen im Erwachsenenalter. Die beiden Autoren der OECD berechnen die Summe der sogenannten „qualitätsbereinigten Lebensjahre“, die den Betroffenen durch sozioökonomische Benachteiligung in der Kindheit verloren gehen. Umgerechnet belaufen sich die Kosten gesundheitlicher Einschränkungen durch Kinderarmut der Schätzung zufolge auf 2,0 % des BIP oder 10 Mrd. Euro im Jahr 2024.
Die jährlichen Kosten der Kinderarmut betragen in Österreich in Summe also 3,6 % des BIP und liegen damit über dem OECD-Durchschnitt (siehe Grafik); und das, obwohl Österreich eines der reichsten Länder ist.